Zbiór mediów "Interview Anita Kissil 2009"

Posiadacz praw autorskich Medienwerkstatt Franken
Źródła KZ-Gedenkstätte Flossenbürg / Medienwerkstatt Franken
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Format wyświetlania Interview, Rohmaterial
Przeprowadzający wywiad Alexander Schmidt
Kamera Günter Wittmann

Napisy dla "AGFl_AV.22.0786.mp4"

00:00:00 IV: Ja. Also, schön, dass du dich auch einfach bereit erklärst, ein paar Fragen zu beantworten.
00:00:07 AK: Jawohl.
00:00:07 IV: Was wir da machen damit, keine Ahnung.
00:00:11 Wir arbeiten zur Zeit an einer Ausstellung zur Zeit..
00:00:14 AK: Nicht. Nicht!
00:00:17 IV: .. zu der Zeit.
00:00:18 Geht's auch da drum, wie geht man damit um.
00:00:21 Ja, was hat das für Folgen alles gehabt.
00:00:23 Und das betrifft ja nicht nur die, die im Lager waren.
00:00:27 Sondern es betrifft auch die Frauen, die Kinder, die.. das ganze Umfeld.
00:00:32 Ähm, jetzt hab' ich mit ja Verwunderung gehört, Sie haben sich kennengelernt, Sie haben geheiratet 1970.
00:00:42 Wie war es denn, einfach zu erfahren, dass er im Lager war?
00:00:46 Und wann haben Sie das erfahren?
00:00:48 AK: Da glaub' ich waren wir schon ein Jahr verheiratet.
00:00:50 Und irgendwann durch Zufall, durch irgendein Gespräch sagt er dann, er war im KZ.
00:00:56 Jetzt hab' ich erst einmal ein bisschen geschluckt. KZ.
00:00:59 Überlegt, er ist ein KZ'ler.
00:01:04 Und ich finde, er, er hat das wahrscheinlich so lang verschwiegen, weil er hat gedacht hat, er verliert mich, wenn er das vorher sagt.
00:01:10 Wir haben einen gewaltigen äh.. Jahresunterschied, dass ich dann äh nicht mehr mag.
00:01:17 Ja gut, hab ich gesagt, was sollte.. Dann hat er so Bruchteile erzählt, aber auch nicht alles.
00:01:21 Immer, immer nur so bruchweise.
00:01:24 Und äh, wenn man bohrt, spricht er überhaupt nichts.
00:01:28 Man muss das immer diplomatisch machen.
00:01:30 Man hat Gäste da, so einen kleinen Freundeskreis oder ein wenig so engere Familien..
00:01:36 Mein Vater hat noch gelebt in der Zeit.
00:01:37 Der hat von seiner Gefangenschaft erzählt.
00:01:40 Und dann ist er so stückchenweise erst einmal ein wenig herausgerückt.
00:01:44 Er hat das immer, immer unterdrückt, immer, eben wie er gesagt hat, Gras drüber wachsen lassen.
00:01:50 Er will das nicht äh in die Öffentlichkeit zerren, dass er ein KZ'ler war.
00:01:55 IV: Bist du da dann erschrocken ersteinmal?
00:01:58 AK: Ja freilich.
00:01:59 Und dann, ich hab mir dann freilich Gedanken gemacht.
00:02:01 Ich mein, ich war ja erst 20, 21.
00:02:04 Äh. Dann sowieso ein Russe!
00:02:08 Er hatte die deutsche Staatsangehörigkeit schon gehabt, aber so die Bauern und alles..
00:02:13 Ein Russe und eine Deutsche, na das ist ja gemischt.
00:02:16 Das sind halt solche Sätze, solche..
00:02:18 Das ist erschreckend!
00:02:22 Aber ich hab' mir nichts daraus gemacht.
00:02:24 IV: Da ist wahrscheinlich dann das Wort Flossenbürg zum ersten Mal gefallen.
00:02:28 AK: Ja.
00:02:28 IV: Kanntest du das vorher?
00:02:30 AK: Eigentlich.. Nein, das war auch zu unserer Schulzeit noch gar nicht so in der Geschichte drin, das Flossenbürg.
00:02:36 Das kam ja alles dann erst später.
00:02:38 Wir sind ja dann.. 1970 haben wir geheiratet.
00:02:43 Vielleicht 20 Jahre später sind wir mal mit der Kirchengemeinde von Nürnberg, der Einigkeitskirche, die haben eine Busfahrt gemacht nach Flossenbürg.
00:02:52 Und da sind wir mitgefahren, da haben wir uns angemeldet, da ist der Julek auch mit.
00:02:56 Der hat dann die Führung gemacht.
00:02:57 Die waren entsetzt, dass er in Flossenbürg da oben war 3 Jahre.
00:03:02 Da hat er angefangen, ein wenig so mit bestimmten ausgesuchten Leuten ein wenig zu sprechen.
00:03:07 Aber einem jeden hat der das nicht erzählt.
00:03:12 Stimmt's, Julek?
00:03:13 JK: Ja, also ja.
00:03:15 IV: Und äh..
00:03:15 AK: Pfarrer Richt.. mit Pfarrer Bayerich, da bist du dann gefahren mit dem Bus.
00:03:19 JK: Ja.
00:03:20 IV: Das war dann sozusagen der zweite Besuch in Flossenbürg nach..
00:03:23 AK: Ja.
00:03:23 IV: .. 1956. 1980?
00:03:27 AK: Das war ziemlich spät. Ja. Da um den Dreh rum muss das gewesen sein.
00:03:32 IV: Und was...
00:03:32 AK: Vielleicht ein wenig später noch.
00:03:32 IV: .. hat da die Gedenkstätte für einen Eindruck gemacht so?
00:03:35 AK: Er hat dann ein wenig so den Führer gespielt, aber äh das ist beklemmend.
00:03:40 Das ist bedrückend, wenn man da, da hochkommt.
00:03:43 Das muss man verarbeiten.
00:03:45 Mir geht's ja selber immer so, wenn ich da oben bin alle Jahre.
00:03:49 Dann weiß ich, wie er sich fühlt..
00:03:51 JK: Tal des Todes..
00:03:52 AK: Aber er geht da rum, er spricht so drüber, aber tut das dann gleich wieder so rein äh nicht ständig von früher.. in die.. Man muss, was jetzt kommt, die Gegenwart, da lebt er so.
00:04:10 Und dann waren wir mal.. im Topozentrum waren wir vor vielleicht 4 Jahren, mit deinem Metzger hier.
00:04:18 Da hat er dann auch immer richtig öffentlich preisgegeben, dass er im KZ Flossenbürg war.
00:04:25 Ja der hat dann im Freundeskreis riesig und äh bruchteilweis das..
00:04:31 IV: Und wie reagieren dann die..?
00:04:33 AK: Na, entsetzt.
00:04:35 JK: Die sind alle {lacht}..
00:04:37 AK: Und, und, und die, die, die, die sind begeistert, wie er das verkraftet, wenn er so spricht.
00:04:44 Sag' ich, ja, er spricht jetzt bei euch so, als wenn's ihm nichts ausmachen würde.
00:04:48 Aber das, das beschäftigt den tagelang, wenn er drüber spricht.
00:04:54 IV: In der Familie hat's dann aber äh nur 'ne nachrangige Rolle gespielt, dieses Thema.
00:05:00 AK: Das war überhaupt kein Thema für uns.
00:05:02 Nö, gar nicht, wir haben dann öffentlich drüber gesprochen, aber dass wir da irgendwie nachtragend sch.. nur die schlechten Seiten überhaupt nicht.
00:05:11 Es ist allgemein über Krieg und alles.
00:05:13 Das ist Geschichte, da wird offen drüber gesprochen.
00:05:18 Unsere kleine Enkeltochter, die interessiert sich ja auch so.
00:05:21 Die ist ja zwar erst 8, aber die, da hat er mal jemanden, wo er die Geschichte weiterbringen kann. Doch.
00:05:32 IV: Und die Kinder, was fragen die? Oder was erfahren die?
00:05:35 AK: Ja er sch.. Doch.
00:05:38 Er sagt aber erst, seit sie so 12, 14 Jahre alt waren.
00:05:47 Da hat er dann richtig so drüber gesprochen, wie das abgelaufen ist.
00:05:51 Aber wie gesagt, man darf nicht bohren.
00:05:53 Er muss dann..
00:05:54 Man kann das Thema anschneiden, und dann fängt er halt so.. Sieht man schon, ob er jetzt freiwillig noch ein wenig was erzählt.
00:06:00 Sonst blockt er ab.
00:06:04 IV: Mir ist aufgefallen, dass du immer so ein bisschen mitschreibst.
00:06:08 AK: Ja.
00:06:08 IV: Also, was er erzählt. Warum?
00:06:10 AK: Weil ich.. Jetzt schreib' ich schon so lang, aber ich erfahre trotzdem immer wieder was Neues.
00:06:19 Drum, wenn, wenn er irgendwo spricht und so, da tu' ich dann schon auch immer, weil ich ja das alles ja ziemlich im Kopf hab'..
00:06:26 Weil manchmal vergisst er einige Stellen, die sehr interessant sind.
00:06:32 Ich muss das immer machen, weil der immer, der erzählt und äh..
00:06:35 Also wie er mit dir spricht manchmal, da, da erzählt er und erzählt er und da muss ich mitschreiben.
00:06:43 Ich kann zwar kein Steno.
00:06:46 Und dann wenn dann meine Kinder, Schwiegertochter rumsitzt und die lesen dann das.
00:06:50 Sag' mal, das ist doch kein Steno, was schreibst du da?
00:06:52 Und das kann man nicht.. aber ich kann's lesen. {Lacht}
00:06:59 IV: Insgesamt ist es aber nicht so, dass es jetzt eine Belastung wäre..
00:07:02 AK: Nein.
00:07:03 IV: .. für die Familie..
00:07:03 AK: Gar nicht.
00:07:04 IV: .. sondern es ist sozusagen so lang her, dass man jetzt einfach es irgendwie verarbeitet hat.
00:07:11 AK: Ich find' spitze, dass er alle Jahre hochfährt.
00:07:15 Und, und da so mitmacht.
00:07:18 Ich find' das richtig.
00:07:19 Und wir, wir, das ist alles locker.
00:07:21 Das ist nicht, dass man jetzt nur über, über die Geschichte schlecht denkt.
00:07:27 Das ist passiert, damit leben wir.
00:07:32 Aber dass man da jetzt nur traurig und, und die schlechten Seiten..
00:07:36 Wirklich, wir machen das Beste draus.
00:07:38 Und schon so lange her..
00:07:41 Aber sie soll nicht vergessen sein.
00:07:44 IV: Ja, ich denk', das..
00:07:45 AK: Das..
00:07:48 Er hat überlebt, er hat trotzdem Glück gehabt gegen andere.
00:07:53 Wenn wir im Fernsehen oft was anschauen, dann spricht er auch wieder, fällt ihm auch wieder irgendwas ein.
00:07:59 Hol ich.. Wart ein mal schnell, ich hol schnell ein Stück Papier. {Lacht}
00:08:05 IV: Ja, ich hoff', das dürfen wir irgendwann auch mal lesen.
00:08:08 AK: Man kann auch was Positives draus ziehen jetzt.
00:08:15 IV: Wie war es für Sie eigentlich so am.. äh wie haben Sie das erlebt mit der Gedenkstätte?
00:08:20 Irgendwann kam die erste Einladung.
00:08:23 Haben Sie noch in Erinnerung wann?
00:08:25 Weil also in den 70er Jahren gab es das nicht, in den 50ern nicht.
00:08:27 AK: Ne.
00:08:29 IV: Wie, wie war denn das für Sie?
00:08:30 AK: Äh, wann war das?
00:08:32 JK: Ich denke, nach Kirchenbesuch.
00:08:33 IV: Vielleicht '95.
00:08:34 JK: Mit Kirche.. nach, nach Kirchenbesuch.
00:08:37 AK: Nein. Äh.
00:08:40 Das war durch einen Zeitungsartikel haben wir.. hat das der Sohn in Lauf gelesen.
00:08:44 Der Pfarrer Schötz.
00:08:47 Da war das erste Treffen, war das 50 Jahre?
00:08:50 IV: Das kann gut sein, ja '95.
00:08:51 AK: Da war eine kleide.. eine kleine Annonce in der Zeitung.
00:08:54 Und dann hat der Sohn oben beim Pfarrer Schötz angerufen.
00:08:59 Wie das sein kann, äh da ist ein Treffen äh mit äh ehemaligen Gefangenen äh, warum sein Vater keine Einladung gekriegt hat.
00:09:08 Dann hat der Pfarrer Schötz gesagt, er, wir, er soll seinen Vater zusammenpacken und soll am Sonntag kommen.
00:09:13 Und seitdem geht der Julek da hoch, wird er angeschrieben.
00:09:18 Da haben sie den Julek noch gar nicht im Archiv gehabt.
00:09:22 Da habt ihr den noch nicht gehabt.
00:09:24 Wahrscheinlich, weil der auch als Iwan oder irgend.. er hat ja den Namen dann abgelegt.
00:09:29 IV: Mmh. Und das.. seit.. Sie kommen jetzt jedes Jahr.
00:09:34 AK: Ja.
00:09:34 IV: Sind Sie auch jedes Jahr dabei?
00:09:35 AK: Ja.
00:09:36 IV: .. seit das..
00:09:36 AK: Ich bin eigentlich die letzten vier oder fünf Jahre immer selber dabei, und sonst war er alleine oben.
00:09:42 Aber jetzt wird es ein wenig beschwerlicher.
00:09:45 Er braucht ein wenig einen seelischen Beistand und ein wenig Aufbau.
00:09:50 Und jetzt fährt er gern hoch, weil er hat sich ja mit dem Salomonovic so gut angefreundet.
00:09:55 Die sind ja brieflich ein wenig in Kontakt.
00:09:57 Und seit vorigem Jahr mit dem Herrn Laks.
00:10:00 Denn die waren auch erst ein wenig so auf Schnupper, aber das sind die besten Kumpel geworden.
00:10:05 Wenn man da so hochkommt und findet..
00:10:07 Und sieht wieder andere aus Polen, aus Tschechien, man spricht dann mit jedem.
00:10:11 Also ich find, das ist wie eine Familie seid ihr da oben.
00:10:14 Super. Doch.
00:10:17 IV: Ja, danke.
00:10:19 AK: Doch, muss man schon sagen.
00:10:21 Wenn man sich nicht mit Namen kennt, aber man macht hallo und seid ihr wieder da?
00:10:25 Und äh.. ich verspreche ja immer, ich lerne Englisch, aber ich bin schon zu alt dazu.
00:10:30 Ich mach' das halt mit Händen und Füßen mit den Leuten.
00:10:34 Eine Französin haben wir voriges Jahr gehabt, hab' ich gesagt, ich probier's.
00:10:37 Aber ich kann das nicht.
00:10:40 IV: Ja, es ist ein internationales Lager, man..
00:10:42 AK: Ja, aber man kommt zurecht, doch.
00:10:45 JK: Naja, aber ich hab' eben eh erzählt.
00:10:48 Solange ich in der Küche war, da hab' ich Englisch lernen müssen.
00:10:53 Aber wie er kommen ist als Viehhändler, der muss ja Hebräisch lernen. {Lacht}
00:10:57 Jetzt hab ich hebräisch.. von Englisch auf Hebräisch umstellen müssen.
00:11:02 Und sonst kann ich nicht verstehen, was der verhandelt.
00:11:04 Weil der hat bloß Hebräisch gehandelt.
00:11:07 {Lacht}. Das war.. das ist nett gewesen, ja.
00:11:11 Jetzt auf einmal hab' ich Hebräisch reden müssen, der Scheiß.
00:11:15 Ich lass doch.. ich kann mich doch nicht bescheißen lassen. {Lacht}
00:11:21 Ja mit der Sprache ist es so halt ein Leben.
00:11:25 Wie ich gesagt hab', und so war's. Ja.
00:11:32 IV: So, wir haben Sie anderthalb Stunden aufgehalten.
00:11:35 AK: Das ist so schnell..
00:11:35 IV: Danke, dass Sie da waren, oder dass wir da sein durften.
00:11:37 AK: Wir haben zu danken.
00:11:38 IV: Ja, und wir machen eine Aufnahme..