Media Collection "Interview Louise Hermanová 2009"
AGFl_0074
Video 01:21:53
07/25/2009
KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Ghetto Theresienstadt
Stadt Prag
KЛ Асвенцым
B IIb, Konzentrationslager Auschwitz II Birkenau
Філіял Christianstadt, KЛ Гросс-Розен
Stadt Dresden
KЛ Флоссенбюр
KЛ Берген-Бельзен
Stadt Pirna
Stadt New York
Stadt London
Stadt Celle
Stadt Brünn
Stadt Pilsen
Філіял Taucha, KЛ Бухенвальд
Stadt Leipzig
Stadt Hannover
Stadt Boskovice
Stadt Svitavy
Stadt Hamburg
Stadt Weißwasser
Stadt Marienbad
Stadt Cottbus
Stadt Bautzen
Stadt Malmö
Stadt Emden
Stadt Bonn
Stadt Prag
KЛ Асвенцым
B IIb, Konzentrationslager Auschwitz II Birkenau
Філіял Christianstadt, KЛ Гросс-Розен
Stadt Dresden
KЛ Флоссенбюр
KЛ Берген-Бельзен
Stadt Pirna
Stadt New York
Stadt London
Stadt Celle
Stadt Brünn
Stadt Pilsen
Філіял Taucha, KЛ Бухенвальд
Stadt Leipzig
Stadt Hannover
Stadt Boskovice
Stadt Svitavy
Stadt Hamburg
Stadt Weißwasser
Stadt Marienbad
Stadt Cottbus
Stadt Bautzen
Stadt Malmö
Stadt Emden
Stadt Bonn
Contents
- Todesmarsch und Fluchtversuche
- Ankunft in Flossenbürg und Erschöpfung
- Exkurs: Ankunft in Auschwitz und Unwissenheit über die Gaskammern
- Wenige Erinnerungen an Flossenbürg - Erste warme Mahlzeit nach Wochen
- Zusammenhalt mit Freundinnen und Fluchtversuch während des Todesmarsches
- Exkurs: Teilung des Transports nach Christianstadt - Arbeit in der Munitionsfabrik
- Schwangerschaft einer Mitgefangenen und Geburt während des Todesmarsches I
- Route des Todemarsches - Kontakte und unterschiedliche Erfahrungen mit der Zivilbevölkerung
- Schwangerschaft einer Mitgefangenen und Geburt während des Todesmarsches II
Originator/Copyright holder | Medienwerkstatt Franken |
---|---|
Source(s) | KZ-Gedenkstätte Flossenbürg / Medienwerkstatt Franken |
Usage conditions | Nur mit Einverständnis und Nennung von Archiv bzw. Urheber |
Display format | Interview, Rohmaterial |
Interviewer | Michael Aue |
Camera | Günter Wittmann |
Subtitles for "AGFl_AV.22.0778.mp4"
00:00:00 | IV: ...Sie sozusagen in diese Vernichtungsmaschinerie der Nazis geraten sind.![]() |
00:00:07 | LH: Naja..![]() |
00:00:07 | IV: Wie das anfing im Prinzip überhaupt.![]() |
00:00:09 | LH: Das war eigentlich sehr einfach.![]() |
00:00:11 | Es gingen die Transporte los 1941.![]() |
00:00:15 | Mein Bruder lebte damals in Brünn...![]() |
00:00:19 | Denn ich bin in Zwittau geboren. Das gehörte damals zu Brünn.. also im damaligen Mähren.![]() |
00:00:25 | Und äh mein Vater musste schon aus dem Sudetengebiet.. 1938 sind die schon in das Landinnere gegangen und haben in Boskowitz gelebt.![]() |
00:00:36 | Das gehörte auch zu, zu Brünn.![]() |
00:00:40 | Und die sind schon 1941 im Oktober nach Theresienstadt gekommen.![]() |
00:00:46 | Und äh die durften ja zweimal im Jahr schreiben und dann bekam ich eine Korrespondenzkarte,![]() |
00:00:52 | wo mein Vater mir schrieb aus Theresienstadt, er ist gesund und ich soll mir keine Sorgen machen und.. was anderes durften sie ja nicht schreiben.![]() |
00:01:00 | Sonst.. die Zensur hat das ja dann nicht durchgelassen.![]() |
00:01:05 | Aber ich hab' gesehen, dass es nicht die Schrift meines Vaters war.![]() |
00:01:10 | Und der Absender war "Krankenstube Hohenelber Kaserne".![]() |
00:01:15 | Und da war mir sofort klar, dass nicht alles in Ordnung ist, denn mein Vater hatte damals die ähm.. wie nennt man das.. die Akademie.. ökonomische Akademie.. und hat eine sehr schöne Handschrift gehabt für die damalige Zeit.![]() |
00:01:36 | Da waren ja viele Kinder, die noch nicht zur Schule gingen und so war er für die damalige Zeit eigentlich sehr sehr gebildet.![]() |
00:01:42 | Und wie ich diese Schrift gesehen hab', hab' ich gesagt: "Das is' ganz schlecht geschrieben."![]() |
00:01:47 | Und ich bekam eines Tages dann einfach die Vorladung, die die Prager Kultusgemeinde ausgetragen hat und, und da sag' ich: "Ja, Gott sei Dank".![]() |
00:01:59 | Mein Bruder ist dann mit seiner Familie schon da, vielleicht kann ich da dem Vater auch helfen.![]() |
00:02:04 | Ich war jung.![]() |
00:02:05 | Hab' mir das natürlich da ganz anders vorgestellt.![]() |
00:02:08 | Oder nicht vorstellen können was wirklich da los war und...![]() |
00:02:12 | Und wir kamen also in Theresienstadt an.![]() |
00:02:16 | Auf der Sammelstelle in Prag also waren wir drei Tage, wo heute das Parkhotel steht und..![]() |
00:02:23 | Ja und wie wir da ankamen.. wir durften zwar nicht.. es war ein riesen Kellerraum.![]() |
00:02:27 | Man hat damals Schleuse dazu gesagt.![]() |
00:02:30 | Aber wir hatten keine Ahnung, es war einer der ersten Transporte im April ei.. äh '42.![]() |
00:02:38 | Und trotz Verbot bin ich halt vor die Tür gegangen und, und da kam jemand vorbei und ich hab' gesagt: "Sagen Sie, wo ist die Hohenelber Kaserne?"![]() |
00:02:48 | Und der guckt mich groß an und sagt: "Sie sind in der Hohenelber Kaserne".![]() |
00:02:52 | Sag' ich, das hab ich.. Ich hab gesagt: "Ich bin gerade angekommen. Ich weiß das nicht. Danke."![]() |
00:02:57 | Und da.. Wie halt die Kasernen sind so im Viereck, nicht?![]() |
00:03:01 | So bin ich.. Dann hat der noch gesagt: "Da müssen sie fragen, wo die Krankenstube ist."![]() |
00:03:05 | Und da bin ich hoch und hab' mich halt zur Krankenstube irgendwie durchgefragt und hab' angeklopft.![]() |
00:03:11 | Da kam die Schwester.. und hab' mich vorgestellt und da s.. Hat sie mich groß angeguckt und hat gesagt:![]() |
00:03:17 | "Ja ich muss Ihnen leider eine traurige Mitteilung machen. Ihr Vater ist heute früh in den Transport geschleppt worden.![]() |
00:03:24 | Er hatte 42 Fieber mit einer schweren Lungenenzündung. Der kann kaum also irgendeinen Transport überstehen."![]() |
00:03:34 | Das war mein Empfang in Theresienstadt.![]() |
00:03:37 | Und dadurch, dass ich keine Mutter hatte, dass wir keine Mutter hatten.. Ich hatte noch einen Bruder.![]() |
00:03:42 | Er war Zahnarzt.![]() |
00:03:45 | Und ich, ich war einfach.. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.![]() |
00:03:51 | Und ich bin irgendwie zurück in diese Schleuse.![]() |
00:03:55 | Und hab' mich auf.. war ja gar nichts da, nur Beton und da hab' ich mich hingelegt auf meinen Rucksack.![]() |
00:04:01 | Das andere Gepäck hat man uns ja gleich abgenommen.![]() |
00:04:05 | Und hab' meinen Mantel über den Kopf gezogen und hab' bitterlich geweint.![]() |
00:04:10 | Aber wirklich so schrecklich, weil wie gesagt, mein Vater war für mich alles.![]() |
00:04:15 | Wir hatten dadurch eine sehr innige, ungewöhnlich innige Beziehung zum Vater, der wirklich fantastisch war und alles was aus mir geworden ist und als Mensch und, und äh einfach alles hat mir mein Vater gegeben, hat uns mein Vater gegeben. So.![]() |
00:04:34 | Und plötzlich war ein riesen Krawall in dem Raum und ich bin halt unter dem Mantel gelegen und mit dem Rucksack unter meinem Kopf und hab' mich nicht gerührt.![]() |
00:04:49 | Mich hat nichts interessiert.![]() |
00:04:51 | Ich war einfach.. Es war alles weg.![]() |
00:04:54 | Und dann wurde es plötzlich ganz ganz still.![]() |
00:04:57 | Und das hab' ich gehört und dann bin ich erschrocken und bin aus dem Mantel hervorgekrochen.![]() |
00:05:03 | Und da lag auf meinem Mantel ein ganz schmaler Streifen.![]() |
00:05:06 | Dort war mein Name und eine weitere Nummer.![]() |
00:05:10 | Und der riesen Raum, dieser Kellerraum war praktisch leer.![]() |
00:05:15 | In der anderen Ecke.. Am anderen Ende dieses Raumes waren, weiß nicht, vier oder fünf Personen.![]() |
00:05:23 | Und da bin ich riesig erschrocken und bin aufgestanden und bin halt zu den Leuten hin und hab' gesagt: "Wo sind die Leute alle?"![]() |
00:05:30 | Und da haben sie mir gesagt: "Ja, das wissen wir nicht. Man hat sie raus gerufen, raus geschoben.."![]() |
00:05:36 | Und ich hab' mich nicht.. Die haben wahrscheinlich geglaubt, dass ich tot bin.![]() |
00:05:40 | Ich hab' ja einfach nicht gerührt und es war nur so ein Haufen da. So ne Kugel.![]() |
00:05:45 | Weil mein riesen Rucksack war u.., auch unter meinem Kopf.![]() |
00:05:48 | Und ich hab' einfach nicht reagiert und da haben sie mich liegen lassen.![]() |
00:05:51 | Und das war meine Rettung.![]() |
00:05:53 | So bin ich a...![]() |
00:05:54 | IV: Haben Sie den Zettel sozusagen..![]() |
00:05:55 | LH: Und diese vier Leute, die da waren, wie ich sie gefragt habe: "Und warum sind Sie hier geblieben?"![]() |
00:06:01 | Da haben sie mir gesagt: "Ja, wir haben unsere Söhne AK."![]() |
00:06:05 | Das wissen Sie ja was das war: Aufbaukommando.![]() |
00:06:08 | Und diesen jungen Leuten, die schon 1941 also nach Theresienstadt kamen, denen wurde versprochen dafür, dass sie diese Vorbereitungen für die Ankunft so vieler Leute machen.. diese Stockbetten und so weiter.![]() |
00:06:23 | Das ham.. und da war auch mein Bruder eben aus Brünn da.![]() |
00:06:27 | Und denen hat man versprochen und hat gelogen wie immer und alles, dass die Familien nicht weiter geschickt werden.![]() |
00:06:37 | Was sie natürlich nicht eingehalten haben.![]() |
00:06:40 | Wie das Ghetto dann vorbereitet war und äh.. hat man auch diese Familien wieder weitergeschickt.![]() |
00:06:47 | Viele.. In Theresienstadt ging ja aber auch vieles, so wie man so schön sagt in Anführungszeichen, einzurichten.![]() |
00:06:55 | Die Leute, die jemanden in der Nähe von der Kartei hatten oder, oder im, im Vorstand, nicht? Oder.. das konnte...![]() |
00:07:04 | Es musste immer die Anzahl stimmen.![]() |
00:07:08 | Wenn man gesagt hat 1000 Leute, 500 Frauen, 500 Männer, dann mussten 1000 Leute einfach da sein.![]() |
00:07:16 | Und so ist es passiert, dass scheinbar in letzter Minute jemand rausreklamiert wurde und da hat man meinen Vater.. hat gesagt hm alter Mann, todkrank, hat man ihn aus dem Bett gezerrt.![]() |
00:07:28 | Und so hab' ich meinen Vater halt nie mehr wieder gesehen.![]() |
00:07:34 | Und jetzt war ich natürlich sehr erschrocken, weil mein Bruder hatte schon Familie.. der war verheiratet, hatte einen dreieinhalb jährigen Jungen mit.![]() |
00:07:43 | Das heißt, er konnte mich nicht mehr schützen.![]() |
00:07:45 | Er hat seine Familie geschützt, nicht? Selbstverständlich.![]() |
00:07:48 | Und er wusste auch gar nicht, dass ich schon in Theresienstadt war.![]() |
00:07:52 | Und jetzt hab' ich halt gesagt, naja dem Schicksal ergeben.![]() |
00:07:57 | Muss jetzt warten was, was wird, nicht?![]() |
00:07:59 | Und dann kam.. wurde die Tür aufgemacht und da kam ein großer schlanker Mann rein mit, mit einer schwarzen Mütze mit gelbem Streifen.![]() |
00:08:09 | So ein bisschen wie die französische Polizei.![]() |
00:08:12 | Und, und kam auf mich zu und sagt: "Ja, wie kommen Sie hier her?"![]() |
00:08:19 | Ich konnt ihn gar nicht erkennen.![]() |
00:08:21 | Es war ein flüchtige Bekanntschaft. ![]() |
00:08:24 | Er war bei der Chefin, die hatten eine Wäscheerzeugung in Prag, eine kleine Wäscheerzeugung.![]() |
00:08:32 | Und er war äh ungarischer Nationalität und die waren ja sehr bekannt die Ungarn für Corsagen.![]() |
00:08:41 | Und er war Zuschneider dort.![]() |
00:08:44 | Und meine Freundin hat dort ge.., gearbeitet, auch bei dieser Familie als Erzieherin bei den Jungen.![]() |
00:08:52 | Und die Dame hat mich öfters eingeladen und dann.. zu ihrer Angestellten, ja?![]() |
00:08:57 | Und einmal kam ich halt hin zu diesen Fischers und äh sie sagt: "Ah was werdet ihr euch mit einer a.., alten Frau unterhalten. Ich bring ich euch einen jungen Mann."![]() |
00:09:07 | Und ist in die Werkstatt gegangen und hat diesen jungen Mann mitgebracht und hat ihm auch einen Tee angeboten und so.![]() |
00:09:14 | Und so hab' ich zwei Mal ganz flüchtig.. Ich hab ihn gar nicht erkannt mit dieser... {zeigt mit der Hand auf ihren Kopf}![]() |
00:09:20 | Dann hat er gesagt: "Ja, wir".. Sag' ich: "Ich konnte Sie gar nicht erkennen"![]() |
00:09:24 | Sagt er: "Ja, ich bin bei der Ghettopolizei und..."![]() |
00:09:27 | Und weil da waren nämlich noch im äh April.. war nämlich Zivilbevölkerung noch in Theresienstadt.![]() |
00:09:35 | Das heißt äh, äh wir durften uns überhaupt nicht frei bewegen.![]() |
00:09:41 | Deshalb die Ghettopolizei.![]() |
00:09:43 | Nur Ärzte, Handwerker und die Polizei durfte sich frei bewegen in Theresienstadt.![]() |
00:09:48 | Die wollten nicht, dass wir Kontakt zu der Zivilbevölkerung bekommen.![]() |
00:09:53 | Erst wie die ausgesiebt waren, irgendwie Ende Juli, dann durften wir erst auf die Straße.![]() |
00:10:00 | Und er sagt dann: "Naja und was werden Sie machen?"![]() |
00:10:04 | Sag' ich: "Naja das weiß ich nicht aber.." und hab ihm das kurz geschildert, dass mein Vater also mit der.. und das hat er mir gesagt.![]() |
00:10:10 | Mit der selben Zuggarnitur mit der wir aus Prag gekommen sind, ist der nächste Transport gegangen, wo mein Vater drin war.![]() |
00:10:20 | Und da sagt er: "Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"![]() |
00:10:23 | Da sag' ich ja.. Hab' ich schnell überlegt und hab' gesagt: "Ja wissen Sie, wenn sie mir irgendwie helfen wollen: In der Sudetenkaserne ist mein Bruder.![]() |
00:10:31 | Er arbeitet, er darf arbeiten. Er ist Zahnarzt.![]() |
00:10:35 | Wenn Sie ihm sagen würden, dass ich da bin und äh, dass..."![]() |
00:10:40 | Der wusste gar nicht, dass der Vater weg ist.![]() |
00:10:42 | Das war eine Angelegenheit von vier Stunden.![]() |
00:10:47 | Ja und das hat er gemacht. Er ist weg gegangen und kam mit meinem...![]() |
00:10:50 | Ja und bevor er ging, sagt er noch: "Naja wissen Sie ich bin allein und ich bin AK. Wenn Sie wollen, ich kann sie auf meine Karteikarte setzen."![]() |
00:10:59 | Ich hab' keine Ahnung gehabt, was das bedeutet.![]() |
00:11:02 | Und da sag' ich: "Wissen Sie, sind Sie so lieb. Holen Sie mal meinen Bruder, wenn es möglich ist."![]() |
00:11:08 | Naja da ist er weggegangen, na? Nach einer Weile kam er mit meinem Bruder.![]() |
00:11:12 | Ich erkläre das so äh genau, weil das eigentlich sehr wichtig war für mein Überleben.![]() |
00:11:19 | Und dann kam mein Bruder und der war ganz natürlich entsetzt, dass der Vater weg ist, dass er überhaupt nichts davon gewusst hat, geahnt hat.![]() |
00:11:28 | Und jetzt hab' ich ihm das gesagt: "Du, was soll ich machen? Der bietet mir da irgendwie an, er nimmt mich auf.. "![]() |
00:11:33 | Und da sagte mir mein Bruder: "Ja, das ist nicht nur so. Das wird schwer bezahlt mit Geld, mit Gold, mit Zigaretten, {lacht} mit ungarischer Salami."![]() |
00:11:44 | Und das alles hatte ich natürlich nicht.![]() |
00:11:47 | "Und außerdem.. du musst heiraten."![]() |
00:11:52 | Ich hatte eine Tanzstundenliebe, das {lacht} kam überhaupt nicht in Frage.![]() |
00:11:56 | Da hab' ich gesagt: "Wahnsinn nein." Da sagt er: "Ja, das ist, wenn's auch nur eine Formangelegenheit ist, aber ansonsten wird das nichts."![]() |
00:12:02 | Sag' ich: "Nein. Das mach' ich nicht."![]() |
00:12:04 | Und dann haben die zwei Männer irgendwie miteinander geredet.![]() |
00:12:07 | Was weiß ich leider bis heute nicht, weil keiner überlebt hat.![]() |
00:12:11 | Und er hat mich auf seine Karteikarte genommen, ohne dass ich geheiratet habe.![]() |
00:12:17 | Er hat wirklich.. ich kann das heute als alte Frau sagen.![]() |
00:12:19 | Er hat nie, nie das geringste von mir verlangt.![]() |
00:12:25 | Und ich hab' dann einfach selbst Fuß gefasst in Theresienstadt.![]() |
00:12:29 | Ich hab' dann bei Kindern gearbeitet und es ist mir gelungen dadurch, dass ich eindreiviertel Jahre in Theresienstadt arbeiten konnte.![]() |
00:12:39 | Und eines Tages kam er aber zu mir, so nach eineinhalb Jahren vielleicht...![]() |
00:12:45 | So kurz, kurz bevor dann auch ich also weggegangen bin und da kam er zu mir.![]() |
00:12:51 | Und er kam öfter so kurz zu Besuch in das Kinderheim.![]() |
00:12:55 | Und hat zu mir gesagt: "Ich hab eine riesen Mitgift gebracht und ich hab nicht einmal einen Kuss bekommen." {lacht}![]() |
00:13:00 | Und so.. Es war, wie die Ghettopolizei aufgelöst wurde, wie die Zivilbevölkerung weg war, ist er als Koch in die Dresdner Kaserne gegangen.![]() |
00:13:11 | Wir waren in der Dresdner Kaserne, hatten zu beginn fünf Kinder dort in einem Raum.![]() |
00:13:17 | Und meine Kolleginnen haben gesagt: "Du, du musst, du musst das Essen holen. Du kriegst mehr."![]() |
00:13:22 | Weil er war beim A.. bei der Ausgabe und hat und immer noch was dazugegeben für die Kinder.![]() |
00:13:28 | Die Kinder haben manchmal nicht alles aufgegessen, nicht? Also in Theresienstadt hatten auch wir keinen Hunger.![]() |
00:13:33 | Nur.. und eines Tages kam er dann zu m.. Dann sind wir übersiedelt, haben ein eigenes Haus bekommen, das L318.![]() |
00:13:41 | Dort wurde dann ein Kinderheim errichtet, das hatte schon unter Fredy Hirschstein {meint: Fredy Hirsch} funktioniert.![]() |
00:13:46 | Und ja...![]() |
00:13:51 | War ich wie gesagt die ganze Zeit da und das hat sich irgendwie eingependelt die ganze...![]() |
00:13:56 | Und dann kam er eines Tages zu Besuch und sagt: "Du ich hab' 'ne große Bitte."![]() |
00:14:01 | Na in Theresienstadt haben sich dann alle geduzt, das war dann selbstverständlich.![]() |
00:14:06 | Und.. nur ich hab niemals alte Leute duzen können.![]() |
00:14:09 | Das kann ich bis heute nicht und...![]() |
00:14:11 | Und der sagt: "Ich hab' eine große Bitte. Ich möchte das nur sagen, damit du das weißt.![]() |
00:14:17 | Ich hab' ein Mädchen kennen gelernt, sie heißt Clara und wir mögen uns sehr und ich kann nicht zwei Frauen auf meiner {lacht} Karteikarte haben.![]() |
00:14:25 | Also nur damit du informiert bist, i.. ich lass dich streichen."![]() |
00:14:29 | Ich hab' längst nicht mehr daran gedacht überhaupt, ja? Das war eineinhalb Jahr oder noch mehr.![]() |
00:14:36 | Und da sag' ich: "Ja, na selbstverständlich" und hab' mich halt bedankt.![]() |
00:14:40 | Und, und dann ging er und stellt sich vor in der Küche.![]() |
00:14:45 | Da war er Chef in der Küche in dieser Dresdner Kaserne, er ist dort geblieben.![]() |
00:14:51 | Und da hat jemand einen Karton mit fünf Kilo Magarine gestohlen.![]() |
00:14:56 | Und er als Verantwortlicher ging in einen Straftransport mit diesem Mädchen auf seiner Karteikarte.![]() |
00:15:04 | Wäre ich da gewesen, bin ich gegangen.![]() |
00:15:09 | Hat natürlich nicht überlebt, wie gesagt das war sogar ein Straftransport.![]() |
00:15:14 | Ja und ich bin dann im Dezember '43.. sind wir nach Auschwitz geschickt worden.![]() |
00:15:25 | Dort waren wir bis Juni, Anfang Juli wurde dann der Aufruf gemacht.![]() |
00:15:30 | Das heißt ich hab' diesen Septembertransport, der im März dann in die Gaskammer gegangen ist, überlebt.![]() |
00:15:40 | Und dann waren eigentlich wir dran.![]() |
00:15:42 | Nur waren halt damals die Arbeitskräfte gebraucht und da haben sie einen Aufruf gemacht, dass Frauen ohne Kinder sich melden können bis zu 40 Jahren.![]() |
00:15:52 | Und die, die Kinder haben, können die Kinder in Auschwitz lassen.![]() |
00:15:55 | Und die Frauen, die da bleiben, würden sich um die Kinder kümmern.![]() |
00:15:59 | Aber das haben wir schon g.., gewusst, dass das wieder mal nicht,...![]() |
00:16:04 | IV: ...stimmt.![]() |
00:16:04 | LH: ...nicht die Wahrheit ist, ja? Und das hat sich so wie.. soweit ich weiß nur eine Frau gemeldet, die das Kind in Auschwitz gelassen hat.![]() |
00:16:14 | Na und dann wurden wir.. Drei Tage waren wir in einer Quarantäne in einem anderen Lager, wir waren in Birkenau zw.. B2B.![]() |
00:16:22 | Im Familienlager, das heißt wir wurden nicht geschoren.![]() |
00:16:27 | Äh Fredy Hirsch hat damals den, den einen Block wieder er.., errungen über die, über die SS.![]() |
00:16:38 | Er war ja Aachener, nicht? Da sind Sie sicher informiert.![]() |
00:16:42 | War ein fantastischer junger Mann, der sich die ganze Zeit also um Kleinkinder und Kinder, Jugendliche gekümmert hat.![]() |
00:16:51 | Und hat.. Ich weiß nicht ob deshalb, also diese deutsche Art hatte.. So er hat niemals gezeigt, dass er Angst hat vor der SS und hat mit ihnen durch, durch vieles durch.., durchskandiert und durchgekämpft.![]() |
00:17:06 | Und so hat er auch in Auschwitz einen Kinderblock geschafften, wo für die Kinder wahnsinnig viele Erleicherungen waren.![]() |
00:17:18 | Wenn man das so sieht äh denkt man das ist nichts, aber es war sehr viel.![]() |
00:17:24 | Zum Beispiel hat er es geschafft, dass die Kinder nicht draußen Appell stehen mussten und nicht stundenlang.![]() |
00:17:30 | Sondern wenn die äh, die SS zählen kam da haben wir erst die Kinder im Block aufgestellt![]() |
00:17:39 | und in fünf Minuten waren sie einfach äh gezählt und, und konnten wieder weiterspielen oder singen oder ich weiß nicht was wir mit ihnen gerade gemacht haben.![]() |
00:17:50 | Das heißt, das war ein riesen Vorteil für die Kinder aber auch für uns, weder in Sonne noch in Frost draußen zu stehen.![]() |
00:17:59 | Sie haben 'ne bessere Suppe bekommen.![]() |
00:18:02 | Es ist unerklärlich denn alle Kinder sind leider auch in die Gaskammer gegangen.![]() |
00:18:11 | Und trotzdem hat man ihnen vorher doch einen kleinen aber doch einen Vorteil geschaffen.![]() |
00:18:18 | Es ist mir für, bis heute für mich.. wo die Logik da war, das weiß ich nicht.![]() |
00:18:22 | Und einige solche kleine.. Und davor allem, dass die Kinder nicht mit den Müttern auf diesen riesen äh Blöcken waren,![]() |
00:18:31 | wo, wo alte, kranke, sterbende äh nicht mehr gut riechende Menschen waren, die nicht mehr.. die kein Interesse mehr hatten am Leben, die einfach äh sich haben schon ergeben.![]() |
00:18:45 | Die wussten.. Und das war denke ich sehr sehr wichtig und auch...![]() |
00:18:50 | Ich kenne einige.. ich bin die {lacht} Älteste jetzt schon.![]() |
00:18:55 | Und äh die erinnern sich immer noch daran, dass eigentlich die Kinder unter Kindern waren und wir unser Möglichstes getan haben, was uns damals gar nicht so sehr bewusst war, ja?![]() |
00:19:11 | Dass, dass, dass wir den Kindern so viel geben.![]() |
00:19:14 | Dass sie äh dadurch, dass sie nicht dieses riesige Elend gesehen haben, nicht mit sich ins Leben weiternehmen mussten.![]() |
00:19:24 | Und die, die überlebt haben, sind ja einige, äh die waren die vier.. 12, 14-jährige.![]() |
00:19:33 | Und äh die erinnern sich noch sehr genau daran.![]() |
00:19:37 | Manche haben sogar äh aus den Jugendheimen auch noch schöne Erinnerungen, weil es sind viele junge Leute immer hingegangen und haben ihnen äh vorgetragen und rezitiert und so weiter also äh...![]() |
00:19:51 | Und jetzt eigentlich viele Jahre später wissen wir das auch selbst, dass wir eigentlich fast Unmögliches möglich gemacht haben.![]() |
00:20:02 | Denn wir hatten ja überhaupt kein Material dürfen Sie nicht vergessen.![]() |
00:20:06 | Und die Kinder zu beschäftigen den ganzen Tag ohne irgendetwas.![]() |
00:20:10 | Ohne einen Bleistift, ohne ein Stück Papier oder irgendetwas.![]() |
00:20:15 | Das äh ich weiß gar nicht, wo wir das alles herge.. Wir mussten uns irgendwas einfallen lassen.![]() |
00:20:20 | IV: Und Sie waren in diesem Kinderblock, weil Sie vorher..![]() |
00:20:22 | LH: Ich..![]() |
00:20:23 | IV: ..im Kinderheim auch in Theresienstadt gearbeitet hatten?![]() |
00:20:25 | LH: Doch, aber ich hab die Ausbildung wissen Sie, ich hatte.. deshalb hat mich Fredy Hirsch damals so sehr mit beiden Händen...![]() |
00:20:31 | Wir kannten und schon von Hagibor aus Prag, weil wir durften ja in keine, in keine Parkanlagen mehr mit den Kindern gehen.![]() |
00:20:38 | Und die war privat in Familien, die leider viele emigriert sind.![]() |
00:20:43 | Das heißt, ich hab' damals sehr oft meine Arbeitsstelle wechseln müssen.![]() |
00:20:46 | Ich da.., durfte nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeiten, ich habe eine Montessori Schule.![]() |
00:20:50 | IV: Mhm.![]() |
00:20:51 | LH: Das heißt ich habe mein Diplom und war eigentlich die Einzige, die ihre Fachausbildung hatte, weil ich schon damals älter war als die anderen {lacht}.![]() |
00:21:01 | Das waren alles noch Studierende.![]() |
00:21:04 | Und äh dadurch hatte ich dann auch das Glück, dass ich bei den Kindern arbeiten konnte.![]() |
00:21:12 | Und äh dann wie dieses Angebot kam, dass wir uns zur Arbeit melden können, so habe ich mich halt auch gemeldet.![]() |
00:21:22 | Und bin von Herrn Mengele.. Ich will gar nicht sagen Dr. Mengele, weil ich denke er verdient den Namen nicht.. den, den Titel.![]() |
00:21:32 | Äh selektiert worden und waren drei Tage in einer.. ähm na wie nennt man das, Isolation.![]() |
00:21:45 | IV: Quarantäne.![]() |
00:21:46 | LH: In einer Quarantäne ja genau und dann sind wir waggoniert worden und wussten natürlich nicht wohin es geht.![]() |
00:21:53 | Und dann stand der Zug irgendwo ewig lang und da hat jemand durch eine Ritze geguckt und hat gesagt:![]() |
00:22:00 | "Oh wir könnten in Hamburg oder bei Hamburg sein. Hier ist wahnsinnig viel Wasser."![]() |
00:22:06 | Und dann ging der nach vielleicht.. Wir hatten ja keine Uhren und nix, wir konnten uns nur nach der Sonne richten eigentlich und äh...![]() |
00:22:16 | Sind wir weitergefahren und äh dann irgendwann blieb der Zug stehen und wir wurden herausgeschubst.![]() |
00:22:25 | Und waren mitten im Wald auf einem blinden Gelän.. , auf einem blinden Geleise.![]() |
00:22:31 | Und wurden durch den Wald gejagt und kamen in ein maskiertes Lager und waren in Christianstadt.![]() |
00:22:40 | Das haben wir allerdings nicht gewusst, wir haben keine Ahnung gehabt wo wir waren.![]() |
00:22:44 | Und am nächsten Tag wurden wir von SS-Frauen in Gruppen aufgeteilt.![]() |
00:22:50 | Und zur Arbeit geschickt und das waren verschiedene Arbeitsgruppen, die haben am Bau gearbeitet, im Steinbruch, im Wald, in der Munitionsfabrik, ich war in der Munitionsfabrik.![]() |
00:23:02 | Na und da waren wir ein halbes Jahr und im Jänner wurde plötzlich das Lager geräumt.![]() |
00:23:07 | Da haben wir das Lager räumen müssen und die Sachen, die im Lager waren, haben wir zum Bahnhof gebracht.![]() |
00:23:12 | Und da haben wir schon gesagt: "Oh da ist was los."![]() |
00:23:16 | Und dann haben wir später auch schon die Kanonen gehört, nur wir als Frauen konnten das überhaupt nicht einordnen, wie weit die Front äh also von vorge.. fortgeschritten ist.![]() |
00:23:27 | Wir haben zwar die Töne gehört, aber haben nicht gewusst ob das 100 oder 200 Kilometer sind, wie weit man das einfach hört.![]() |
00:23:36 | Na und dann äh wurden wir wieder aufgerufen also: "Einreihen und los!"![]() |
00:23:42 | Das Lager wurde geräumt in Christianstadt und wir sind den Todesmarsch angetreten.![]() |
00:23:47 | Und sind eben den ganzen Weg von dort oben bis in, in der Nähe von Dresden.![]() |
00:23:55 | Da haben wir damals nicht.. Da wollten uns die Deutschen nicht einmal in eine Scheune nehmen.![]() |
00:23:59 | Wir haben immer in einer Scheune ge.. irgendwo geschlafen..![]() |
00:24:02 | IV: {räuspert sich}![]() |
00:24:02 | LH: ..oder auf einem Heuboden.![]() |
00:24:04 | Und da sind viele auch abgehauen, wir auch.![]() |
00:24:07 | Uns haben dreimal die S.. die Hitlerjugend eingefangen, aber das hat uns eigentlich das Leben gerettet, dass wir dadurch um 14 Tage spät waren.![]() |
00:24:18 | Deshalb bin ich auch auf der Liste mit lauter, lauter Ungarinnen und Polinnen, weil die haben dann immer gewartet bis weitere Todemärsche kommen und dort haben sie uns dann eingereiht.![]() |
00:24:29 | Und so sind wir bis Flossenbürg gekommen.![]() |
00:24:32 | Und das weiß ich eben nicht genau, wie lange wir hier waren.![]() |
00:24:36 | Wir waren so erschöpft und ausgehungert und, und tod.. Wir wußten überhaupt nicht mehr wer wir sind, weil da sind Sie schon ein Automat.![]() |
00:24:47 | Wurde immer nur: "Los los los" und "weiter" und...![]() |
00:24:51 | Und ja da habe ich etwas eigentlich ziemlich Wichtiges vergessen zu sagen, wie wir in Auschwitz.. aus Theresienstadt nach Auschwitz gekommen sind und wurden auch da aus dem Waggon herausgeholt und Scheinwerfer und Hunde und, und das Übliche.![]() |
00:25:06 | Und da waren Polen da in gestreiften Anzügen und haben uns einfach.. Damals war ich jung, da bin ich noch runtergesprungen.![]() |
00:25:14 | Und ich hab' so {zuckt mit den Schultern} auf ihn gemacht: "Was ist los?"![]() |
00:25:18 | Und er hat mir so {fährt mit der Handkante über die Kehle} geantwortet.![]() |
00:25:20 | Ich hab' gesagt, der ist blöd.![]() |
00:25:24 | Dann hab' ich später begriffen.![]() |
00:25:26 | Diese, diese einzige Geste.![]() |
00:25:28 | Das war der Empfang wieder in, in Auschwitz, aber da haben wir noch gar nicht gewusst, dass wir in Auschwitz sind.![]() |
00:25:34 | IV: Mhm, aber trotz der Zeit in Theresienstadt hatten Sie noch keine Ahnung, was Ihnen vielleicht noch be..![]() |
00:25:39 | LH: Nein.![]() |
00:25:39 | IV: ..vorstehen könnte.![]() |
00:25:40 | LH: Das ist das, das ist das unwahrscheinliche und unverständliche, dass bis zu meiner Zeit, also wie ich im Dezember '43 nach Auschwi.. hat noch niemand.. hat's immer nur geheißen nach Osten.![]() |
00:25:55 | Da hat wirklich in Theresienstadt niemand gewusst, wohin es genau geht und das Gaskammern existieren.![]() |
00:26:03 | Und wir sind in die Dusche gegangen ohne, ohne etwas zu ahnen.![]() |
00:26:07 | Wir hatten nur eine kleine ähm irgendwie Vorstellung, dass irgendetwas irgendwo passiert.![]() |
00:26:18 | Denn während der Zeit, wo wir in Theresienstadt waren, kam es eines Ta.., kamen eines Tages ich weiß nicht fünf oder sechs Kinder.![]() |
00:26:27 | Wahnsinnig verwahrlost, schmutzig, ausgehungert, verlaust, schrecklich.![]() |
00:26:34 | Und man hat sie dort einfach äh in die Desinfektion gestellt und, und geduscht und, und alles musste verbrannt werden.![]() |
00:26:42 | Und die wollten nicht unter die Dusche.![]() |
00:26:45 | Und haben geschrien: "Gas Gas Gas Gas!"![]() |
00:26:49 | Und niemand hat gewusst warum.![]() |
00:26:51 | Dann haben wir es kapiert.![]() |
00:26:53 | Die mussten irgendwo in Polen gewesen sein und haben.. wahrscheinlich waren sie schon ohne Eltern und haben das erlebt und, und wie man sie in Theresienstadt also so sauber machen wollte und duschen wollte, haben sie sich wahnsinnig gewehrt und geschrien.![]() |
00:27:09 | Aber man hat sie so äh observiert, dass niemand mit den Kindern überhaupt in Kontakt gekommen ist und sie sind wieder weggeschickt worden.![]() |
00:27:18 | Die waren nur zwei oder drei Tage in Theresienstadt und schwer bewacht und wurden wie gesagt neu eingekleidet und sauber entlaust und wurden weggeschafft wieder.![]() |
00:27:30 | Und wie wir dann.. wir sind ganz harmlos unter die Dusche gegangen.![]() |
00:27:33 | Erst nachher ist uns klar geworden, dass wir eigentlich.. Na und nach der Dusche sofort alles abgenommen, nicht?![]() |
00:27:42 | Und sofort die Nummer einge.. eintätowiert, das haben Frauen gemacht.![]() |
00:27:46 | IV: Mhm.![]() |
00:27:49 | LH: Ja, na und dann sind wir halt wie gesagt in.. nach dem Todesmarsch hier in Flossenbürg gelandet.![]() |
00:27:56 | IV: Äh und hatten Sie nach..![]() |
00:27:57 | LH: Und ich weiß es nicht ich hab' jetzt gebeten, dass man da nachguckt.![]() |
00:28:03 | Weil wie gesagt, wir waren so erschöpft, dass ich nicht weiß...![]() |
00:28:07 | Ich hatte den Eindruck, dass wir drei Tage hier waren und wir waren angeblich zwölf oder vierzehn Tage hier.![]() |
00:28:13 | Das weiß ich nicht mehr.![]() |
00:28:14 | Wir waren so glücklich, dass wir.. Wir haben das erste Mal nach Wochen was warmes zu Essen bekommen.![]() |
00:28:22 | Ne Schüssel, ich seh die wie heute, ne weiße Schüssel.![]() |
00:28:25 | Wir hatten ewig nur diesen dreckigen Essnapf, ja?![]() |
00:28:29 | Den wir nicht waschen konnten, überall ist kaltes Wasser.![]() |
00:28:34 | Ja und, und dann wurden wir halt von hier von der.. wie wir angekommen sind, das war ein alter Mann, Volkssturm, ein Schwabe.![]() |
00:28:44 | Und äh das hab' ich gehört wie man hi.. hier in Flossenbürg gefragt hat, wie viele wir sind.![]() |
00:28:51 | Und da hat er sich am Kopf gekratzt und gesagt: "Gehabt hab' ich 500."![]() |
00:28:56 | Und es waren viele.. sind am Straßengraben liegen geblieben, viele sind geflüchtet.![]() |
00:29:02 | Und die, die einzeln geflüchtet sind, denen ist es zum Großteil gelungen.![]() |
00:29:07 | Aber wir waren diese Gruppe, die wir auch bei den Kindern.. Und wir wollten uns nicht trennen.![]() |
00:29:12 | Wir vier Frauen wollten einfach.. Das waren Geschwister und noch eine, die lebt jetzt in England.![]() |
00:29:18 | Und wir wollten einfach.. Wir waren die ganze Zeit zusammen und wollten auch gemeinsam einander einfach helfen und sich nicht verlassen so.![]() |
00:29:28 | Und äh wir haben alle vier also auch überlebt, wie gesagt mit Unterbrechungen, weil uns die Hilterjugend immer wieder angegeben hat.![]() |
00:29:36 | Aber wir haben.. ich denke es war in Weißwasser. Ich weiß es nicht mehr genau, das werden Sie vielleicht besser wissen.![]() |
00:29:44 | Es war eine Glasfabrik dort, dort haben sie Zylinder für diese Petroleumlampen erzeugt äh gemacht also Glas.., Glaszylinder.![]() |
00:29:56 | Und da war ein Mann, der uns einfach, wie wir da geflüchtet sind und uns versteckt hatten, hat er uns gesehen.![]() |
00:30:07 | Hinter einem Wa.. in so einem Waldrand sind wir geblieben und..![]() |
00:30:11 | Der hat uns angesprochen und hat gesagt: "Ja was, was machen.." Wir haben das gesagt, dass wir geflüchtet.. dann hat er gesagt: "Mädls kommts, kommts, kommts schnell, schnell! Damit uns niemand sieht!"![]() |
00:30:21 | Und hat uns in diese.. Ob er Nachtwächter war oder Portier oder was, ich weiß es nicht, aber er hatte Zugang dort in das Areal.![]() |
00:30:33 | Hat uns in den Waschraum gesteckt und das als ver.. so unwahrscheinlich vernünftige was er machen konnte.![]() |
00:30:43 | Der hat den Waschkessel gefüllt mit Wasser, hat Feuer gemacht drunter, das waren ja damals noch diese Waschküchen, da gab's ja keine Waschmaschine noch.![]() |
00:30:53 | Und hat gesagt: "So und ich geh jetzt weg und bis das.. ich komm wieder.![]() |
00:30:58 | Aber da habt.." Der hat uns irgendwelche Handtücher gebracht und hat gesagt: "Mädls jetzt wascht euch erstmal."![]() |
00:31:05 | Und wir haben nach Wochen überhaupt uns wirklich waschen können.![]() |
00:31:10 | Im warmen Wasser noch dazu, also...![]() |
00:31:14 | Und dann kam er mit zwei Frauen, die hatten so einen Stock durch einen riesen Kasserolle.![]() |
00:31:21 | Und so durch die, durch die, die, die..![]() |
00:31:24 | IV: Die Griffe.![]() |
00:31:25 | LH: ..Hälter ja war ein Stock durchgezogen und da haben die einen riesen Topf mit Kartoffelsuppe gebracht.![]() |
00:31:32 | Werd' ich nie verg.. Das hat dieser Mann auf sich genommen.![]() |
00:31:35 | Und jetzt hat er uns im Lagerraum einfach übernachten lassen.![]() |
00:31:40 | Wir haben uns waschen können, haben zu Essen bekommen und in der Früh kam der und hat gesagt..![]() |
00:31:45 | Und das waren damals noch, war noch Holzwolle.![]() |
00:31:48 | Und diese Zylinder waren in Holzwolle gepackt und da waren nur solche Latten, das waren nicht richtige Kisten, nur solche mit Latten einfach da.. und die Holzwolle kam überall raus.![]() |
00:32:00 | Und er hat gesagt: "Ja da kriecht irgendwo hoch, damit wenn, wenn irgendwas sein sollte, damit ihr oben seid, müsst ihr euch ganz ruhig verhalten."![]() |
00:32:08 | Und ich hab' ewig mich so bewe.. {hüpft leicht mit dem Oberkörper} und hab so 'ne Freude gehabt, wie das unter mit gekrackt hat {lacht} mit den Zylindern.![]() |
00:32:15 | Die waren schon für den Export bestimmt, nicht?![]() |
00:32:18 | Und das hat gekracht und da hab' ich gesagt: "Ja das ist prima! Die werden das wegschicken und das kommt alles total zerbrochen.. {lacht}."![]() |
00:32:25 | Das war so eine Art Widerstand, wissen Sie?![]() |
00:32:28 | IV: Sabotage.![]() |
00:32:29 | LH: Ja ähm.![]() |
00:32:31 | Aber ich muss dazu sagen.![]() |
00:32:34 | Ich hab' nach dem Krieg niemals, wirklich nicht...![]() |
00:32:37 | Ich müsste das nicht sagen.. Ich hab' kein Hassgefühl, kein Rachegefühl.![]() |
00:32:41 | Das, das ist mir einfach äh.. Ich kann heute nichts mehr tun, ich konnte auch damals nach der Befreiung nichts tun.![]() |
00:32:51 | Ich bin irgendwie dankbar, dass ich das doch, wenn auch schlecht, denn zum Schluss.. wir kamen nach Bergen-Belsen.![]() |
00:33:00 | Das war schon das nächste Vernichtungslager. Und dort...![]() |
00:33:04 | Ja, das hab' ich jetzt nicht gesagt.![]() |
00:33:06 | Wie der Zug solange da stand und wir dann weiter fuhren und kamen in dieses maskierte Lager,![]() |
00:33:14 | äh da haben wir erst festgestellt, dass die Hälfte abgekoppelt war.![]() |
00:33:19 | Und wir waren nicht mehr alle.![]() |
00:33:22 | Und wie wir dann nach Bergen-Belsen..![]() |
Subtitles for "AGFl_AV.22.0779.mp4"
00:00:00 | LH: Na wir haben nichts gewusst.![]() |
00:00:01 | Wie gesagt, da hat nur irgendjemand einfach durch 'ne Ritze durch den Waggon.![]() |
00:00:06 | Da waren wir in geschlossenen Viehwaggons, da waren nicht die offenen.![]() |
00:00:10 | Und da hat jemand einfach gemerkt, dass viel Wasser da ist und hat gesagt, das könnte Hamburg sein.![]() |
00:00:16 | Ja weil äh, äh die doch irgendwie die Richtung verfolgt haben, ob wir nach Norden oder nach Süden fahren, ja?![]() |
00:00:25 | Und äh das hat sich dann herausgestellt, also dass sie wirklich bei Hamburg geblieben sind.![]() |
00:00:31 | Und denen ist es viel besser ergangen, denn die haben diese Außenkommandos gehabt und dort waren viele Franzosen und Belgier.![]() |
00:00:40 | Und die hatten, die konnte man nicht kontrollieren, die hatten doch irgendwie Kontakt, dadurch das sie draußen gearbeitet haben, Aufräumarbeiten gemacht haben.![]() |
00:00:51 | Also konnte man sie nicht so sehr be.., beobachten sagen wir, ja? Oder...![]() |
00:00:59 | Hingegen wir waren in einem geschlossenen Lager.![]() |
00:01:02 | Es waren auch Ungarinnen da, Holländerinnen, Polinnen, Russinen, aber die waren.. in diesem riesen Lager hatten sie ihre eigenen Blöcke.![]() |
00:01:12 | Wir hatten eine Wiener Familie eine.. die Mutter mit zwei Töchtern und mit der Schwiegertochter.![]() |
00:01:21 | Das waren Wienerinnen.![]() |
00:01:23 | Von der einen hab' ich sogar.. von der Jüngesten, hab' ich sogar die Adresse, die lebt irgendwo in Australien.![]() |
00:01:30 | Und äh dann zwei.. waren zwei Ungarinnen mit uns und eine Holländerin.![]() |
00:01:37 | Ansonsten waren wir Tschechinnen auf diesem Zimmer dort in Christianstadt.![]() |
00:01:44 | Na Zimmer.. ein Raum halt oder so.![]() |
00:01:46 | Und dort waren nur Frauen, waren SS-Frauen als Aufsicht.![]() |
00:01:51 | Eine Lagerführerin.![]() |
00:01:55 | Und äh wir wurden.., wie ich schon sagte, in verschiedene Gruppen eingeteilt und wurden jeden Tag in drei Schichten...![]() |
00:02:03 | Eine Stunde zu Fuß zur Arbeit.![]() |
00:02:06 | In holländischen Holzpantoffeln.![]() |
00:02:08 | Furchtbar.![]() |
00:02:10 | Wir können.. wir haben das nicht.. die Holländer lernen das.. die Kinder von klein auf in diesen Pantoffeln zu laufen.![]() |
00:02:16 | Wir, wir können das nicht, das war furchtbar.![]() |
00:02:20 | Aber andererseits muss ich sagen, ich kann's nicht von anderen Meistern sagen, aber äh dieser.. vor allem der eine Meister in dieser Munitionsfabrik, der war wahnsinnig anständig und der Sanitäter auch.![]() |
00:02:33 | Das war ein älterer Mann, er war weit über 60 und wir hatten natürlich Blasen an den Beinen und in.. alles Mögliche.![]() |
00:02:43 | Aber wir haben Angst gehabt uns krank zu melden, weil das war das Schlimmste halt, ganz ehrlich, ja?![]() |
00:02:49 | Wurden sie weggebracht und sie haben nie wieder das Tageslicht gesehen.![]() |
00:02:54 | Also.. und der Sani.., Sanitäter war so anständig, der hat immer gesagt:![]() |
00:02:58 | "Ja Mädl, bleib ruhig 'ne Weile sitzen. Die können mich nicht kontrollieren."![]() |
00:03:02 | Er hat ein Pflaster gegeben oder einfach äh Fuß verbunden und gesagt: "Ja, bleib noch ein bisschen."![]() |
00:03:09 | Manchmal hat er auch ein Zeitungspapier so ganz unauffällig, weil sie haben Angst gehabt, die Leute auch, wissen Sie?![]() |
00:03:16 | Das muss man ja auch verstehen.![]() |
00:03:17 | Er hatte manchmal so ein Zeitungspapier und ein Stück Brot hingelegt und.. da hat er gesagt: "Du, das steck' in die Tasche."![]() |
00:03:24 | IV: Also es gab doch so ein paar Momente, wo Menschen noch anständig waren, oder..![]() |
00:03:29 | LH: Äh die.. Es waren auch Menschen die sich geschämt haben, wissen Sie?![]() |
00:03:32 | Die.. Ich denke der Sanitäter hat sich richtig geschämt.![]() |
00:03:36 | Weil er hat da junge hübsche Mädchen gesehen, ja die, äh die einfach und er wusste wahrscheinlich auch mehr.![]() |
00:03:44 | Ich weiß nicht ob er von aller Anfang.. Naja er war schon ein älterer Mensch also er war wahrscheinlich nicht an der Front.![]() |
00:03:51 | Aber, aber er hat halt die Leute äh da in die Hand gekriegt, die, die schlimm drauf waren, ja?![]() |
00:03:58 | Die.. Und da hat er uns ruhig ein bisschen ausruhen lassen, ne?![]() |
00:04:02 | Hat gesagt: "Bleib ruhig ein bisschen sitzen. Könn mirs.. Kann mir keiner was sagen."![]() |
00:04:07 | IV: Gut. Ich würde gern nochmal auf Flossenbürg zurückkommen.![]() |
00:04:10 | LH: Bitte.![]() |
00:04:10 | IV: Sie haben vorhin gesagt, Sie sind gekommen und so die erste Erinnerung war, dass Sie nach diesem langen Marsch das erste Mal wieder was zu Essen bekommen haben.![]() |
00:04:18 | Gibt es denn noch Erinnerungen? Wo in Flossenbürg Sie untergebracht waren?![]() |
00:04:23 | Sie haben gesagt, sie wissen nicht wie lange. Noch Erinnerungen, wie das Lager ausgesehen hat, wie der Zustand war..![]() |
00:04:27 | LH: Ich weiß nur, dass es eine riesen Halle war. Eine riesen Halle. Und es waren keine Betten da.![]() |
00:04:39 | IV: Und Sie haben am Boden..![]() |
00:04:40 | LH: Wo wir, wo wir.. Wie's dann nachher war, das kann ich Ihnen gar nicht.. Wie gesagt, wir waren derart erschöpft, dass wir einfach...![]() |
00:04:47 | Äh das ist schwer wahrscheinlich zu begreifen und zu erklären, aber wir hatten zum Beispiel auch eine Frau unter uns, die äh ein Kind zur Welt gebracht hat.![]() |
00:05:01 | In einer Scheune.![]() |
00:05:03 | Kurz vor äh.. Wir haben sie ewig unterstützt, ich hab' mir mit ihr damals meinen Mantel gewechselt.![]() |
00:05:10 | Weil wie gesagt, ich hatte mich schon dann in Theresienstadt, ich hatte so eine Hohlfalte am Rücken, das war damals modern.![]() |
00:05:17 | Das heißt der Mantel hatte diese A-Form und war sehr weit, da habe ich mir damals mit dieser Anni ausgewechselt.![]() |
00:05:24 | Und stellen Sie sich vor, das Kind lebt.![]() |
00:05:27 | Nicht das Kind {lacht}, das war dann erwachsen, ein al.. schon wahrscheinlich in Pension.![]() |
00:05:33 | Naja der ist äh '46.. Ne was sag' ich fünfun.. '45 geboren.![]() |
00:05:39 | IV: Auf dem Todes..![]() |
00:05:40 | LH: Am 06., 06. März glaub ich.![]() |
00:05:44 | IV: Ha..![]() |
00:05:44 | LH: Am 05., 05. oder 06. März.![]() |
00:05:46 | IV: Mhm, also ihre...![]() |
00:05:47 | LH: Und..![]() |
00:05:47 | IV: ...Erinnerung an Flossenbürg ist wirklich ganz..![]() |
00:05:49 | LH: Ist ganz minimal, weil wie gesagt, wir waren, wir waren einfach total schon so erschöpft, dass wir äh und äh wie gesagt, das war nach Wochen.![]() |
00:06:01 | Sie dürfen nicht vergessen, wir waren sechs Wochen unterwegs.![]() |
00:06:06 | Es.. wie Dresden äh bombadiert wurde, also wie dann alles einfach ähm.. vom 13. zum 14. Februar.![]() |
00:06:16 | Da waren wir in der Nähe von Pirna und dort ist dieser Junge zur Welt gekommen.![]() |
00:06:21 | In dieser Scheune und die sind zurück geblieben.![]() |
00:06:24 | Wir hatten riesen Angst natürlich, aber sie hat überlebt und der Junge auch, war so ein, so ein ja es war kaum zu sehen.![]() |
00:06:32 | Da waren wir nur sechs Frauen in dieser Scheune und...![]() |
00:06:38 | Ja wir haben jetzt einen Film gemacht mit der Frau Hošková, einem Studenten aus einer äh Filmschule.![]() |
00:06:46 | Jetzt vor zwei Monaten.![]() |
00:06:49 | Und äh, äh dieser Professor, der diese Jungs einfach leitet, der hat Kontakt aufgenommen.![]() |
00:06:56 | Ich hab' ihm davon erzählt und er hat mit diesem Jungen, der da in dieser Scheune zur Welt gekommen ist, hat mit dem Kontakt aufgenommen.![]() |
00:07:03 | Er lebt in New York jetzt.![]() |
00:07:05 | Die Mutter ist schon gestorben und äh es ist schwer zu erklären. Ich kann sie gut verstehen.![]() |
00:07:12 | Äh man, man äh kann da einfach gar nichts mehr.![]() |
00:07:18 | Es ging wirklich um jede Minute, ums Überleben.![]() |
00:07:23 | Es ist Ihnen dann schon alles egal.![]() |
00:07:25 | IV: Mhm. Und Sie mussten nicht mehr arbeiten hier in Flossenbürg oder so was. Sie waren..![]() |
00:07:29 | LH: In Flossenbürg haben wir nicht gearbeitet, nein.![]() |
00:07:32 | Nein wir wurden wie gesagt..![]() |
00:07:34 | Er wusste gar nicht mehr, wie viele wir sind und äh ich kann mich wie gesagt nur erinnern, dass wir eine weiße Schüssel bekamen {lacht} und eine heiße Suppe.![]() |
00:07:44 | Und das war nach vielen Wo.. Das hat uns irgendwie wieder Mut gegeben.![]() |
00:07:49 | Weil äh irgendwann is auch Ihre Kraft und Ihre Hoffnung zu Ende, nicht?![]() |
00:07:56 | Aber wir haben.. wie wir gesehen haben wie d...![]() |
00:07:59 | Wie gesagt, wir waren in der Nähe von Pirna und dort wollte man uns nicht einmal mehr.. da sind wir schon drei Dörfer durchgegangen.![]() |
00:08:09 | Und es wollte uns niemand nicht einmal mehr in eine Scheune ne.. aufnehmen zum Übernachten, weil die Leute wütend waren und wussten ja äh w.. in Dresden.. diese Glut, das kam bis dort hin.![]() |
00:08:23 | Ein roter Himmel einfach und diese Hitze, das ist bis dort hingekommen.![]() |
00:08:29 | Ne, ich kann auch die Menschen dort verstehen.![]() |
00:08:32 | Man hat ihnen ewig erzählt und in Zeitungen und im, im Fernsehen und im Radio, überall haben sie gesiegt.![]() |
00:08:41 | Und plötzlich haben sie gesehen, dass bre.. einfach Dresden nicht mehr existiert.![]() |
00:08:48 | Äh das heißt äh sie wussten ja jetzt selber nicht, was ihnen passiert, ja?![]() |
00:08:53 | Das war denen schon in diesem Moment klar.![]() |
00:08:56 | Und sie wussten auch nicht wer wir sind.![]() |
00:09:00 | Sie haben geglaubt wir sind Sträflinge, nicht Häftlinge.![]() |
00:09:04 | Wir hatten Sträflingskleider.![]() |
00:09:08 | Und im Winter, das war ja.. Wir sind los gegangen Mitte Jänner.![]() |
00:09:15 | IV: Ja das heißt in Flossenbürg.. Sie haben praktisch nur darauf gewartet, wieder auf den nächsten Transport.![]() |
00:09:20 | LH: Das.. wir haben das nicht gewusst.![]() |
00:09:22 | IV: Nicht gewusst, aber sie waren so..![]() |
00:09:23 | LH: Wir haben es nicht gewusst.![]() |
00:09:23 | IV: ...erschöpft, Sie haben einfach..![]() |
00:09:24 | LH: Wir sind.. Wir waren endlich unter einem Dach und haben was zu Essen bekommen.![]() |
00:09:30 | Und ähm wir wussten damals noch gar nicht einmal genau.. wir haben zwar gesehen: Flossenbürg.![]() |
00:09:36 | Aber wo Flossenbürg genau ist, haben wir uns nur irgendwie orientiert, weil wir über Marienbad runter gekommen sind, ja?![]() |
00:09:44 | Also äh so dumm sind wir wieder auch nicht gewesen, dass wir nicht gewusst hätten äh, dass das also.. wesen, ja?![]() |
00:09:52 | IV: Also es ging auf..![]() |
00:09:52 | LH: Aber man hat uns..![]() |
00:09:53 | IV: ..Umwegen..![]() |
00:09:53 | LH: ..bewusst..![]() |
00:09:53 | IV: ..um die Siedlungen..![]() |
00:09:54 | LH: ..auf Feldwegen und so weiter![]() |
00:09:55 | IV: .. Feldwegen durch um die Dörfer zu umgehen![]() |
00:09:56 | LH: Und durch den Wald, und durch den Wald einfach. Nur damit uns möglichst...![]() |
00:10:02 | Das einzige, was ich genau weiß, dass wir direkt äh durch Cottbus gegangen sind, weil da waren wir verhältnismäßig noch gut drauf.![]() |
00:10:12 | Das war von Christianstadt nicht so weit.![]() |
00:10:16 | Und da bin ich wach geworden, weil dort hab' ich zweisprachig...![]() |
00:10:22 | Ich hab' das damals gar nicht gewusst, dass dort noch eine, eine ähm Minderheit von Sorben leben.![]() |
00:10:33 | Und die sehr, sehr ihre Minderheit einfach äh, äh wie soll ich sagen.. sehr stolz drauf sind.![]() |
00:10:43 | Und bis heute.![]() |
00:10:45 | Ich hab' Kontakt bis heute dort.![]() |
00:10:47 | Ich werde immer wieder nach, nach Bautzen eingeladen und jetzt un.. und vor kurzer Zeit haben sie dort eine Brücke äh abgerissen und plötzlich war ich in einer sächsischen Zeitung abgebildet.![]() |
00:11:02 | Ein altes Foto, dass man mich über diese Brücke gejagt {lacht}.. die jetzt abgerissen wurde.![]() |
00:11:09 | IV: {räuspert sich}![]() |
00:11:09 | LH: Und die wollten damals auch, dass ich diese Turnhalle ind.. identifiziere, ob das wirklich diese wa.. Das war die einzige Übernachtung, wo wir in einem Ziegelbau übernachtet haben.![]() |
00:11:20 | IV: {räuspert sich}![]() |
00:11:20 | LH: Ansonsten immer in Scheunen zu.. oder Heuwa.., Heuböden.![]() |
00:11:26 | Und äh wie gesagt, diese Frau, die ist.. Den Tag vorher mussten wir auf eine Leiter, auf einen Heuboden und sie ist gestürzt.![]() |
00:11:35 | Am nächsten Tag kam das Kind zur Welt.![]() |
00:11:38 | In, in einer anderen Scheune schon.![]() |
00:11:42 | W.., wissen Sie wenn man das überlebt auch.![]() |
00:11:46 | Äh diese Lagerführerin in Christianstadt, die hat gewusst, dass einige Frauen in anderen Umständen waren.![]() |
00:11:53 | Und ist immer wieder so einmal, zweimal in der Woche zum Appell gekommen und hat immer gesagt:![]() |
00:11:58 | "Wir wissen, dass unter Ihnen schwangere Frauen sind und ähm, äh melden Sie sich bei mir. Wir bringen Sie in ein, in ein Heim, wo für Sie gesorgt wird und wo Sie in Ruhe entbinden können."![]() |
00:12:13 | Und das hat natürlich nach diesen Erfahrungen niemand mehr geglaubt.![]() |
00:12:17 | Und da haben wir diese.. unsere Anna ewig überzeugt und ewig gesagt:![]() |
00:12:22 | "Du bitte.. es ist schon bald aus und du musst es aushalten und du darfst dich nicht melden."![]() |
00:12:29 | Und sie hat es lange ausgehalten und eines Tages kam sie zum Appell und hat gesagt: "Ich war bei der Lagerführerin."![]() |
00:12:37 | Wir haben gesagt: "Du bi.."![]() |
00:12:39 | "Ja aber der liebe Gott wollte es wahrscheinlich nicht. Ich hab' geklopft, es hat niemand 'herein' gesagt.![]() |
00:12:44 | Und da hab' ich an der Türklinke genommen und es war geschlossen."![]() |
00:12:48 | Wir haben gesagt: "Das, das war ein Finger Gottes und das darfst du nie wieder tun!"![]() |
00:12:53 | Das sollte nicht sein und da hat sie sich wirklich tapfer durchgeschlagen.![]() |
00:12:58 | Und äh wissen Sie und das ist eigentlich wieder die deutsche Präzision.![]() |
00:13:04 | Wir mussten dann weg und der.. Ja, in der Früh, also wie das Kind da war.. am Tag vorher war sie, ist sie da gestürzt.![]() |
00:13:13 | Da waren Franzosen und haben ihr irgendwelche äh Fetzen einfach von kaputten Bettbezügen haben sie ihr gegeben und, und am nächsten Tag ist sie wieder los.![]() |
00:13:25 | Und jetzt kam halt das Baby zur Welt und, und wir hatten eine, so eine fantastische Kameradin auch und die hat das Baby in so einen Fetzen eingewickelt und hat ihm so eine Babuschka gemacht.![]() |
00:13:39 | So eine.. wie die russischen Frauen das tragen.![]() |
00:13:43 | Und das war kaum zu sehen.. Hat das so wie in der Früh dieser SS-Mann kam.. dieser war nicht SS.. Volkssturm kam, hat die Scheune aufgemacht.![]() |
00:13:52 | Wir waren.. Von außen war ein Hängeschloss.![]() |
00:13:54 | Wir hätten gar nicht raus können.![]() |
00:13:57 | Hat einfach einen Riegel mit einem Hängeschloss und in der Früh kam er.![]() |
00:14:01 | Und diese Helene ging damals so und hat sich aufgerichtet und hat gesagt: "Melde gehorsamst: Ein Mann im Lager!" {lacht}![]() |
00:14:11 | Und der war derart perplex, der hat's gar nicht gemerkt, dass eine schwangere Frau da ist.. oder sich nicht gekümmert einfach.![]() |
00:14:18 | Dem wars auch schon Wurst. Der hatte auch die Nase voll.![]() |
00:14:21 | Er war über 60 und, und musste mit uns laufen, ja? Also...![]() |
00:14:28 | Ja und hat er wieder die Scheune zugemacht und geschlossen.![]() |
00:14:32 | Nach einer ungefährt halben Stunde kam er wieder und hat gesagt: "So, alle treten an. Wir gehen weiter und die Frau mit dem Kind bleibt hier. Für die wird gesorgt."![]() |
00:14:43 | Und da haben wir natürlich riesen Sorge gehabt und da war eine, eine von uns, unseren Frauen, die hat gesagt: "Ne ich lass' die Anna nicht allein. Zwei.." und war ein bildhübsches Mädchen.![]() |
00:14:55 | Und äh hat gesagt: "Ne, zwei Frauen wegzuschaffen, das ist schon schwieriger und, und ich, ich schaff' das. Ich bleib mit der Anna."![]() |
00:15:04 | Und er ist wirklich mit ihr geblieben.![]() |
00:15:06 | Und wir haben halt äh versucht das zu verzögern, damit wir wie.. und ja er hat noch gesagt: "Es kommt eine Schwester, sie abholen."![]() |
00:15:14 | Und das haben wir natürlich nicht geglaubt. Nach all diesen Erfahrungen.![]() |
00:15:19 | Ja und äh dann hatten wir schon unser schwarzes Wasser gekriegt.![]() |
00:15:24 | Das war.. sollte Tee sein.![]() |
00:15:26 | Und äh haben halt gezögert und gezögert und langsam und jetzt hat der schon einfach auf uns geschrien: "Antreten, Antreten!" Und hat uns gezählt.![]() |
00:15:36 | Na und wir sind halt los und auf dem Feldweg kam dann wirklich eine Nonne am Fahrrad uns entgegen.![]() |
00:15:47 | Und am.. rückwärts am Träger hatte sie so ein.., so einen kleinen Koffer und da war ein rotes Kreuz drauf.![]() |
00:15:55 | Ein weißes.. weißer Kreis und ein rotes, rotes Kreuz auf dem Köfferchen.![]() |
00:16:00 | Und da haben wir gesagt: "Also das ist eine Nonne."![]() |
00:16:04 | Wa.. hatte wenigstens die Nonnentracht, ja?![]() |
00:16:09 | Weil wir waren dann schon so misstrauisch dann.. eine, eine Nonnentracht kann jeder anziehen, nicht?![]() |
00:16:14 | Aber wir haben gesagt: "Na, sie ist eine Nonne. Also hoffentlich passiert diesen Mädels nix und dem Baby."![]() |
00:16:20 | Na und wir haben natürlich.. Dann hab ich überhaupt nix gewusst. Erst lange nach dem Krieg.![]() |
00:16:27 | Ich hatte ja Typhus in Bergen-Belsen.. da war schon Typhus.. war schon verseucht.![]() |
00:16:32 | Und dadurch, dass wir zweimal geflüchtet sind und dadurch, dass uns.. die dann immer warten mussten und uns dem nächsten Transport wieder weiter eingegliedert hatten, haben wir uns 14 Tage in Bergen-Belsen erspart.![]() |
00:16:50 | Und das hat uns wahrscheinlich gerettet.![]() |
00:16:52 | Weil wenn wir mit unserem normalen Transport hingekommen wären.. das.. ist fast niemand da geblieben.![]() |
00:17:00 | Aber wi.. dort sind wir mit diesen Frauen, mit denen wir losgefahren sind aus Auschwitz, die man abgekoppelt hat...![]() |
00:17:08 | Wir wussten ja nicht ob.. wo, wir haben ge.. irgendwie eine Vorstellung gehabt, es könnte Hamburg sein.![]() |
00:17:15 | Also die hatten es nicht weit von Hamburg nach Bergen-Belsen.![]() |
00:17:18 | Die hat man sogar mit dem Zug gefahren.![]() |
00:17:21 | Und wir haben halt den Todesmarsch gemacht, ja?![]() |
00:17:23 | Also in dieser Hinsicht hatten sie, wenn man das so sagen darf in Anführungszeichen einen großen Vorteil.![]() |
00:17:30 | Dass sie nicht laufen mussten und wir haben uns in Bergen-Belsen alle wieder gefunden, weil die haben ja in letzter Minute so weit es ging alles noch...![]() |
00:17:38 | Dort waren zwar keine Gaskammern, aber dort sind die Leute schon einfach aus äh..![]() |
00:17:43 | IV: Schwäche, die Krankheiten..![]() |
00:17:44 | LH: ..Entkräftigung und, und, und Typhus war schon dort, ja?![]() |
00:17:48 | Na und dann.. das ist es auch so eine böse, böse Erinnerung eigentlich eine hässliche und dann.. Aber ich kann das von der anderen Seite auch wieder verstehen.![]() |
00:17:59 | Dann wurde zum Appell gepfiffen.![]() |
00:18:02 | Na und wir sind halt natürlich gelaufen und haben uns aufgestellt.![]() |
00:18:06 | Und standen und standen, das war ja schon anfang April, nicht?![]() |
00:18:11 | Und, und es kam uns einfach nirgen.. niemand zählen und es war Sonne und wir waren schon äh so mü.., müde und, und konnten nicht mehr stehen und haben ge..: "Was ist denn los, die kommen uns nicht zählen."![]() |
00:18:26 | Und haben uns nicht getraut einfach wegzugehen, ja?![]() |
00:18:29 | Die haben ja gleich geschossen, nicht?![]() |
00:18:31 | Und plötzlich waren Flugzeuge über uns und meine, meine Freundin, die vor mir stand sagt: "Mensch, das sind Engländer!"![]() |
00:18:38 | Sag' ich: "Du bist verrückt."![]() |
00:18:41 | Und das Flugzeug hat gekreist über dem Lager und kam zurück und da hab' ich auf dem, auf dem Bauch einfach auf dem Flugzeug von unten das englische Wappen gesehen.![]() |
00:18:55 | Na und da, da f.. im Moment war natürlich ein riesen Chaos.![]() |
00:18:59 | Alle, die da Appell standen es.. einfach kreuz und quer.![]() |
00:19:04 | Die, die noch gut drauf waren, die sind sofort abgehauen, die anderen haben das Lager gest.., die Lager gestürmt.![]() |
00:19:12 | Weil da war noch Wäsche und Stoffe und alles mögliche, was sie halt geklaut haben auch.![]() |
00:19:17 | Und, und äh Nahrungsmittellager, ja?![]() |
00:19:21 | Und es.. wie die Wilden einfach, aber wir {räuspert sich} waren einfach schon so entkräftet, wir waren wahrscheinlich schon.. Und jetzt die Engländer sind nicht gleich gekommen.![]() |
00:19:35 | Äh wie sie kamen.. so.. wie sie kamen, waren sie so entsetzt, man hat das zwar gewusst, aber nicht geglaubt.![]() |
00:19:46 | Und wie sie das dann in natura gesehen haben, waren sie so entsetzt und hatten natürlich auch Angst.![]() |
00:19:54 | So war das erste, dass das Lager geschlossen war, schwerer Verbot, bewaffnet.![]() |
00:19:59 | Das schwere Verbot, das Lager zu verlassen und haben eine weiße Fahne rausgehängt.![]() |
00:20:04 | Also Typhus.![]() |
00:20:06 | Und haben sich.. sie waren nicht darauf vorbereitet.![]() |
00:20:10 | Und das hat eineinhalb Tage gedauert, dann kamen sie erst mit r.., mit riesen Zisternen mit Desinfektion und haben erst mal all.. weggespült.![]() |
00:20:22 | Dann haben sie die Toten, die schon aufgestapelt da waren.![]() |
00:20:26 | Und die schon Sterbenden, die noch vielleicht zur Latrine wollten und es nicht mehr geschafft haben...![]() |
00:20:33 | Und überall Kot, das kann man sich nicht vorstellen.![]() |
00:20:37 | Und das haben die alles erst weggespült.![]() |
00:20:39 | Dann haben sie die Toten und die Sterbenden weggeschafft.![]() |
00:20:43 | Und am nächsten Tag sind sie erst in die, in die Blöcke gegangen.![]() |
00:20:49 | Und da waren wir schon infiziert.![]() |
00:20:51 | IV: Mhm.![]() |
00:20:52 | LH: Da haben sie.. da kam ein Arzt mit seiner Redunanz und mir hat er.. naja das war psychologisch auch unvorstellbar. {lacht}![]() |
00:21:01 | Ähm hat mit so einem Graphitstift hat er mir ein schwarzes Kreuz auf die Stirn gemalt.![]() |
00:21:10 | So das heißt, die war schon infiziert.![]() |
00:21:13 | Das hab ich damals allerdings nicht gewusst, ja? Dass sie das so machen.![]() |
00:21:17 | Und da hat er.. Zu erstmal ist er die Reihen durchgegangen und hat die Gesunden von den schon Infizierten isoliert.![]() |
00:21:26 | Naja und dann wurde ich einfach auf eine Bahre gelegt und die Dusche gebracht.![]() |
00:21:33 | Da hat man mir alles was ich hatte weggenommen.![]() |
00:21:35 | Ich wurde unter die Dusche geschafft und geduscht und gewaschen und ich weiß nicht.![]() |
00:21:41 | Und dann hat man mich auf ein reines Leinentuch, das weiß ich noch, ein wunderschönes, sauberes Leinentuch auf eine Trage gelegt und weggetragen und mehr weiß ich nicht.![]() |
00:21:51 | Dann bin ich erst nach Wochen aufgewacht.![]() |
00:21:53 | IV: Weil der Typhus dann so stark war, dass sie dann wirklich..![]() |
00:21:56 | LH: Und äh war im Lazaret in Celle.![]() |
00:22:01 | Und an meinem Bett saß ein junger blonder Mann in blauer Uniform und hat sich mir vorgestellt.![]() |
00:22:10 | Er ist Belgier, er heißt Erich Pleures und hat mir die Hand gestreift und gesagt: "Ach ich bin so froh, dass du aufgewacht bist."![]() |
00:22:19 | Das waren Medizinstudenten. Belgien war ja auch besetzt.![]() |
00:22:24 | Und die hat man, weil Typhus da war.. Da hat man die dort hingeschickt, dass sie...![]() |
00:22:28 | Weil waren ja keine Medikamente. Entweder hast du überlebt oder hast du nicht überlebt, ne?![]() |
00:22:35 | Also wir haben es geschafft und ich bin erst.. Am 14. Juli, Juli 1945...![]() |
00:22:45 | War dann einfach ne anfra.. ju.. die schwedische Regierung... Ich weiß nicht ob das bekannt ist hier.![]() |
00:22:52 | Die schwedische Regierung hat damals äh ein Angebot gemacht, dass wer möchte kann auf ein halbes Jahr nach Malmö zur ähm Erholung kommen.![]() |
00:23:06 | Und dann halt je nach dem, von wo die Leute sind wieder nach Hause gehen.![]() |
00:23:12 | Es sin.. haben sich viele gemeldet, es sind einige dort geblieben, was sie eigentlich nicht durften.![]() |
00:23:18 | Aber es sind einige da geblieben, einige sind zurück gekommen.![]() |
00:23:21 | Und ich wollte nach Hause.![]() |
00:23:23 | Ich.. mir ist erst in Prag am Bahnhof wie die Roten Kreuz Schwestern da stand.. denn der Transport war gemeldet.![]() |
00:23:30 | Standen Rot Kreuz Schwestern in der Bahnhofshalle.![]() |
00:23:33 | Und jetzt eine hat mich halt in Empfang genommen und hat gesagt: "Wo darf ich Sie hinbringen?"![]() |
00:23:38 | Da hab' ich plötzlich ge.. gewusst es gi.., ist mir bewusst geworden, dass ich kein Zuhause habe.![]() |
00:23:43 | In.. jetzt wusste ich überhaupt nicht, ob jemand über.. dass mein Vater nicht da ist, das wusste ich.![]() |
00:23:49 | Dass mein Bruder es überlebt hätte können.. ähm über.., überleben hätte können, das habe ich irgendwie mir so innerlich sehr gewünscht, denn er war 32 Jahre alt, ja?![]() |
00:24:02 | Niemand, überhaupt niemand.![]() |
00:24:04 | Eine einzige Cousine hat überlebt, die ist äh österreichischer Nation, weil es war der jüngste Bruder meiner Mutter.![]() |
00:24:17 | Und wie die tschechische Republik gegründet wurde, die tschechoslowakische Republik.. äh so vorher waren wir.. gehörten wir ja zur Monarchie.![]() |
00:24:27 | Und dieser jüngste Bruder ist einfach in der Monarchie geblieben.![]() |
00:24:31 | Wir sind ja grenznah, nicht?![]() |
00:24:34 | Und dadurch sind meine Cousinen alle Österreicherinnen, Wienerinnen gewesen.![]() |
00:24:40 | Und diese Marianne äh war.. hat schnell geheiratet in der Hoffnung, dass sie also zusammen bleiben.![]() |
00:24:48 | Das konnten sie natürlich nicht.![]() |
00:24:50 | Also ihr Mann ist als erster.. weil Männer waren ja mehr gefährdet.![]() |
00:24:53 | Das heißt ihr Mann hat es noch geschafft nach England, aber sie wurde unterwegs von den Italienern äh eingefangen und war aber in einem Internierungslager, nicht in einem Konzentrationslager.![]() |
00:25:10 | War in Italien.. und sie war die.. äh, äh die, die Hochschule für Design und hat äh Kleidung, Knöpfe entworfen.![]() |
00:25:25 | Es war ihr Beruf und das heißt sie mussten auch Nähen lernen, damit sie das was sie entwerfen auch in die Praxis umsetzen können.![]() |
00:25:34 | Und da hat sie sich mit Nähen in Italien also eigentlich gut...![]() |
00:25:39 | Äh sie hat Uniformen genäht oder was und hat dort den Krieg überlebt und lebt bis heute Gott sei Dank.. und wir treffen uns jedes Jahr...![]() |
00:25:48 | Die lebt in London.![]() |
00:25:50 | Und ist gen.. um zwei Monate älter i.. als ich.![]() |
00:25:54 | IV: Frau Hermanova wir müssen jetzt so langsam zum Ende kommen.![]() |
00:25:56 | LH: Ja wir sind schon.![]() |
00:25:57 | IV: Aber ich würde gerne noch ein, zwei Fragen stellen... Äh Sie sitzen ja heute hier und erzählen uns. Wie war das nach Ihr Bef.. Ihrer Befreiung als sie zurück kamen?![]() |
00:26:10 | War das für Sie ein Thema? Haben Sie mit Menschen darüber geredet? Wollten die Leute das hören? Wie hat sich das entwickelt?![]() |
00:26:16 | LH: {schüttelt den Kopf} Überhaupt nicht, überhaupt nicht.![]() |
00:26:20 | Also Sie dürfen eines nicht vergessen: Ich hatte kein Dach über dem Kopf.![]() |
00:26:25 | Ich kam von neuem in ein Auffanglager.![]() |
00:26:28 | Das waren Ferien, bei uns sind Ferien Juli, August.![]() |
00:26:32 | Und da hat man in Schulen.. weil Prag ist ja so zentral gelegen, dass von Österreich, von Deutschland, von allen S.. von Polen von überall kamen Leute noch aus den Konzentrationslagern, die nach Hause wollten.![]() |
00:26:45 | Ungarinnen, Polinnen, Russinnen, äh und Prag war so eine Durchgangs.. äh stadt.![]() |
00:26:54 | Und da hatte man in Schulen, weil Ferien waren.. hat man für Leute, die also übernachten, irgendwo übernachten mussten äh solche Auffangstellen eingerichtet, das heißt ich wusste es im Moment.. da hat man mich dort hingebracht.![]() |
00:27:10 | Und da war ich weiß nicht mehr wie lange, eine Woche vielleicht.![]() |
00:27:15 | Äh und dann hat die jüdische Kultusgemeinde mich auf einige Tage.. Die hatte auch ihre Unterkünfte.![]() |
00:27:23 | Einige Tage.. und dann hatte ich mich erinnert, dass also ein weitläufiger Verwandter, der in einer Mischehe gelebt hat und ich mich um seine Stiefmutter in Theresienstadt ein bisschen gekümmert habe.![]() |
00:27:38 | Wir waren weitläufig verwandt über meine Cousine einfach.. aber wie gesagt weitläufig.![]() |
00:27:45 | Und ich hab' gesagt: "Also da könnte vielleicht jemand leben."![]() |
00:27:49 | Und da bin ich.. ich konnte ja lange nicht laufen, ich war nach dem Typhus...![]() |
00:27:53 | Dieser Arzt, dieser belgische Medizinstudent hat mit gesagt: "Was willst du zu Hause? Du kannst ja nicht auf eigenen Beinen stehen. Geh' doch nach Schweden."![]() |
00:28:02 | Nein, ich wollte nach Hause.![]() |
00:28:04 | Na und kurz und gut hab' ich gesagt: "Also ich muss mal gucken ob.." die Adresse wusste ich.![]() |
00:28:11 | Und es war ein zweijähriges Mädchen damals schon da.![]() |
00:28:16 | Da hab' ich gesagt: "Naja also gut." Und sie war also Katholik, katholisch.![]() |
00:28:21 | Und ich wusste, dass sie sich nicht scheiden ließ.![]() |
00:28:25 | Und da bin ich halt los gegangen und wie ich dort gekl.. hab' den Namen gesehen, dass sie noch da wohnen.![]() |
00:28:32 | Hab' geklingelt und da kam er, also dieser weitläufige.. der Schwager von meiner Cousine genau, Schwager meiner Cousine.![]() |
00:28:40 | Und äh hat die Arme ausgebreitet und gesagt: "Ah das ist wunderbar. Komm' weiter, komm' weiter.![]() |
00:28:50 | Und die Mutti hat erzählt, wie du brav warst und wie du dich um sie gekümmert hast."![]() |
00:28:54 | Weil wenn ein bisschen Brot da übrig geblieben ist, was die Kinder nicht aufgegessen haben, so hab' ich das einfach der alten Frau gebracht.![]() |
00:29:02 | Und sie war österreichischer Nationalität und ich weiß nicht, ob Ihnen das bekannt ist, aber.. Ich weiß auch nicht aus was für einem Grund, aber die Österreicher, auch nicht die alten Leute, wurden nicht weiter geschickt.![]() |
00:29:15 | Die hat in Theresienstadt überlebt.![]() |
00:29:18 | Na und der Stiefsohn, was.. Es war aus zwei Ehen. Es waren im Ganzen vier Jungs.![]() |
00:29:26 | Und das hat er halt schon von mir gewusst und die, die.. Also diese Stiefmutter hatte vielleicht noch mehr mich gelobt {lacht} als ich wirklich.. mein möglich.. wenn mal ein bisschen Milch da blieb.![]() |
00:29:40 | Wir hätten es weg, das wär.. wer, wer sch.. schüttet Essen weg?![]() |
00:29:44 | In.. Ich überhaupt nicht und schon gar nicht in Theresienstadt, ja?![]() |
00:29:48 | Also hab' auch ich die Mutter meines gewesenen Chefs, die war auch da, der hab' ich auch ab und zu mal was gebracht und...![]() |
00:29:55 | Na kurz und gut er hat mir dann erzählt, dass er die ganze Zeit nicht zu Hause war, dass er im Untergrund gelebt hat, dass er in, in Kellern und äh in äh Unter..äh in Passagen und so einfach sich bewegt hat und unter falschem Namen.![]() |
00:30:16 | Er hatte falsche Papiere und wollte seine Frau und das Kind halt nicht gefährden.![]() |
00:30:22 | Und da hat d.. äh die gewesene Köchin, die bei ihnen gearbeitet hat.![]() |
00:30:30 | Äh die ha.. ist damals in.. war viele Jahre in der Familie und hat die Kinder halt auch aufwachsen gesehen und war halt sch.. die kleinen Leute waren meistens viel anständiger als die anderen.![]() |
00:30:44 | Und die hat ihn oft.. Sie ist dann mit der Straßenbahn gefahren, weil wenig Männer da waren.![]() |
00:30:51 | Und wenn sie Nachtdienst hatte, hat sie ihn immer übersch.. über.. dort übernachten lassen.![]() |
00:30:57 | Hat natürlich riskiert, ja?![]() |
00:31:00 | Und sie hatte zwei einzelne Zimmer, war ein Korridor und da waren lauter einzelne Zimmer.![]() |
00:31:07 | Ein gemeinsames Bad, ein, ein Aufbau, also auf einem Zinshaus noch oben.![]() |
00:31:14 | So Mansan.. Mansardenwohnungen.![]() |
00:31:16 | Und äh in diesem einen Zimmer hat sie ihn halt übernachten lassen.![]() |
00:31:23 | Und der sagt: "Wo wohnst du?" zu mir wie ich da war.![]() |
00:31:26 | Sag' ich: "Ja ich wohn' noch nicht. Ich weiß nicht."![]() |
00:31:29 | Sa.. und dann sagt er mir: "Weißt du was? Ich hab' immer noch das Zimmer dort am Žižkov, das ist leer. Wenn du willst, kannst du dort wohnen." Und..![]() |
00:31:39 | IV: Und dann sind Sie dort hingezogen.![]() |
00:31:41 | LH: Bin ich dort hingezogen und nun mit einer Frau, mit der ich mich im Zug nach Hause...![]() |
00:31:47 | Wir sind damals, weil ja in Pilsen damals äh die Grenze war, da waren die Amerikaner, nicht?![]() |
00:31:52 | Die mussten sich bis Pilsen zurückziehen.![]() |
00:31:55 | Da sind wir eine Ewigkeit dort gestanden.![]() |
00:31:58 | Und dann sagt.. kam plötzlich diese Frau zu mir und sagt: "Und wo gehst du hin?" Sag' ich: "Ja, das weiß ich noch nicht."![]() |
00:32:04 | Na und sagt sie: "Ja, weißt du was? Wer eher eine Wohnung kriegt. Wir bleiben halt zusammen." Die war bedeutend älter als ich und war allein.![]() |
00:32:12 | Die hat mir ewig gesagt, dass ich ihrer Schwester sehr ähnlich sehe.![]() |
00:32:16 | Also sind wir zusammen geblieben und, und von dort aus.. das war wieder so ein Zufall.![]() |
00:32:21 | Da waren die Pogrome vom neu 1946 in Polen und da sind vo.. viele Polen geflüchtet und ich habe da an der jüdischen Kultusgemeinde als Sozialarbeiterin gearbeitet.![]() |
00:32:34 | Nach einem Jahr, wie ich dann schon ein bisschen auf den Beinen stand.![]() |
00:32:38 | Und bis zu der Zeit habe ich von Unterstützungen gelebt.![]() |
00:32:42 | Sie haben mich danach gefragt.![]() |
00:32:45 | Und ich konnte noch nicht arbeiten, ich war krank geschrieben.![]() |
00:32:49 | Na und dann habe ich an der jüdischen Kultusgemeinde als Sozialarbeiterin gearbeitet und wie diese Pogrome in Polen anfingen kam der Leiter der Kultusgemeinde zu mir, der Chef, der Herr Dr. Iltis.![]() |
00:33:02 | Und sagte äh: "Wissen Sie ich kann nicht Familien, die sich.. die überlebt haben und sich wieder gefunden haben.![]() |
00:33:09 | Ich kann die nicht wieder auseinander reißen. Ich muss ledige oder Personen, die halt äh allein sind, bitten um Verständnis.![]() |
00:33:19 | Wir müssen Leute dort an die Grenze schicken.![]() |
00:33:23 | Wir äh sind dort eingegr.. Das sind Lager und für diese polnischen Bürger.."![]() |
00:33:29 | Ähm damals war ja Masaryk unser Außenm..![]() |
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00:00:00 | IV: Waren die Er..![]() |
00:00:00 | LH: Überhaupt nicht.![]() |
00:00:01 | Wir haben überhaupt nicht darüber gesprochen.![]() |
00:00:03 | Mein Mann hatte ein schreckliches Schicksal auch.![]() |
00:00:07 | Mein Mann war Arzt und.. das habe ich eigentlich schon gesagt.![]() |
00:00:11 | War verheiratet, hatte ein zweieinhalb jähriges Mädchen.![]() |
00:00:16 | Waren in Theresienstadt und wie ich schon sagte in Theresienstadt wurde das mit der Zeit irgendwie eingependelt und waren ja für die Kinder auch gesorgt, da waren...![]() |
00:00:27 | Äh man stellt ich was anderes vor, aber immerhin es war ein Säuglingsheim, ein Kriechlingsheim ein.. äh für scho.. Vorschulpflichtige Kinder, wo ich gearbeitet habe und so weiter.![]() |
00:00:37 | Also doch irgendwie ein irgendwie erträgliches, möcht' ich sagen, Leben, ja?![]() |
00:00:42 | Im Vergleich zu den anderen war Theresienstadt also noch...![]() |
00:00:47 | Ja und mein Mann wurde.. eine der letzten Transporte im Oktober '44.. Da waren noch drei Männertransporte in.. waren die Letzten.![]() |
00:00:56 | Nachher sind keine mehr gegangen.. wurde er eingereiht.![]() |
00:01:00 | Und eine Woche später, wieder gelogen, war ein Aufruf, dass Frauen, die zu ihren Männern möchten, die von da in den Transport gegangen sind, können sich freiwillig melden.![]() |
00:01:15 | Und seine Frau wollte.. Na welche Frau will nicht zu ihrem Mann, ja?![]() |
00:01:19 | In der Vorstellung, sie kann ihm helfen und s.. zusammen.![]() |
00:01:24 | Und äh sie hat.. die Familie, die Eltern meines Mannes und seine Schwester haben sie wahnsinnig überredet, hat gesagt:![]() |
00:01:32 | "Du, du hast ein kleines Kind und hier geht es doch irgendwie und das Kind hat nicht Hunger. Du darfst nicht, du kannst nicht weg. Du weißt nicht was dir.."![]() |
00:01:41 | Nein, nein, nein, sie will zu ihm.![]() |
00:01:43 | Hat natürlich niemals ihren Mann gesehen, sind direkt nach Auschwitz in die Gaskammern gegangen.![]() |
00:01:47 | Das heißt mein Mann äh war in Taucha bei Leipzig.![]() |
00:01:56 | Dort hat er in einer unterirdischen äh Fabrik gearbeitet, wo Bestandteile für die V2 erzeugt wurden.![]() |
00:02:07 | Das war eine ge.. streng geheime Erzeugung.![]() |
00:02:12 | Heute sehen Sie dort überhaupt nichts. Ich war dort.![]() |
00:02:16 | Äh die..![]() |
00:02:17 | IV: Und.. aber als Sie beide dann zusammen waren.. Sie haben beide dieses.. ein ähnliches Schicksal gehabt.![]() |
00:02:22 | LH: Ja.![]() |
00:02:22 | IV: Und Sie wollten nicht..![]() |
00:02:23 | LH: Er eigentlich noch ein Schrecklicheres.![]() |
00:02:25 | IV: Ja. Und Sie wollten.. haben nicht darüber sich ausgetauscht.![]() |
00:02:27 | LH: Wir haben nicht gesproch.. Wir haben auch nicht mit unseren Kindern gesprochen.![]() |
00:02:31 | Was mir mein Sohn sehr verübelt, bis heute.![]() |
00:02:35 | IV: Und wann haben Sie dann begonnen, sozusagen das zu ändern.![]() |
00:02:39 | LH: Überhaupt nicht.![]() |
00:02:42 | Erst, erst nach der Wende eigentlich, wo ich sehr viel angesprochen wurde und vor allem äh aus deutschen Schulen und Universitäten.![]() |
00:02:55 | Dann war ich sehr viel unterwegs und habe in.. ich bin.. hatte da mal äh zufällig doch eine Bekannte.. äh ich habe dann viel auch als Reiseleiterin gearbeitet, als Reiseführerin und...![]() |
00:03:11 | Äh dann kam eine Gesellschaft nach.. ich war mal in Hannover und habe dort eine Dame kennengelernt.![]() |
00:03:23 | Sie hat mich angesprochen. Eine, die für das Sühnezeichen arbeitet.![]() |
00:03:27 | Eine Journalistin und die außerdem sehr viel für Sühnezeichen arbeitet.![]() |
00:03:31 | Und hat mich befragt und so weiter und äh dann irgendwann äh sag' ich: "Ja, wenn Sie mal kommen wollen. Bitte."![]() |
00:03:39 | Und hab.. wir haben einige Briefe gewechselt und dann kam plötzlich mal ein Brief, wo sie schrieb, sie fährt mit einer Reisegesellschaft nach Prag.![]() |
00:03:47 | Aber sie möchte nur bis Prag kommen und ob sie zu mir kommen darf.![]() |
00:03:51 | Und weil ich selbst Reisegruppen betreut habe, habe ich ihr einfach geschrieben, ich würde mich sehr freuen, aber sie soll mal separat kommen.![]() |
00:03:59 | Denn kein Reiseleiter mag das, der hat Verantwortung, dass sich jemand für fünf Tage absetzt.![]() |
00:04:06 | Und das ist für mich kein Problem, sie soll mal ganz privat allein kommen, aber es wäre auch schade, wenn sie die Reise bezahlt, dass sie das einfach nicht alles mitmachen kann, oder nichts mitmachen kann.![]() |
00:04:19 | Und es ist für mich kein Problem, ich komme gerne nach Prag.![]() |
00:04:22 | Und da haben wir telefoniert, dass war es schon knapp.![]() |
00:04:24 | Da habe ich noch Theaterkarten für einige besorgt und so weiter und, und ich s.. soll, sie soll mir nur schnell das Programm durchgeben telefonisch und dass ich mich irgendwie da...![]() |
00:04:37 | Und da hatten sie den nächsten Tag Theresienstadt im Programm und das war mir schon auffällig, weil so viele deutsche Gruppen gehen nicht nach Theresienstadt.![]() |
00:04:46 | Die gehen nach Prag und ich weiß nicht wo, aber das war mir schon irgend.. da hab' ich ihr nur gesagt:![]() |
00:04:51 | "Also ich komm nach Prag und äh wenn ihr Platz habt, so komm ich mit nach Theresienstadt."![]() |
00:04:56 | Denn ich war eindreiviertel Jahre in Theresienstadt in was.. zu Theresienstadt als Erlebnis besser erzählen, als jemand, der aus Deutschland kommt, als Reiseleiter.![]() |
00:05:06 | Keine Ahnung gehabt, was das für eine Reisegruppe ist natürlich.![]() |
00:05:10 | Na und so war es auch.![]() |
00:05:12 | Ich bin nach Prag gefahren, ich habe meine Tochter in Prag (???), die lebt dort.![]() |
00:05:16 | Und wir haben uns gleich den Tag kontaktiert und wir sind zusammen noch ins Theater gegangen und..![]() |
00:05:22 | IV: {hustet}![]() |
00:05:23 | LH: ..nächsten Tag hatten wir uns abgesprochen äh dass ich mitkommen soll nach Theresienstadt, also dass der Reiseleiter damit einverstanden ist.![]() |
00:05:33 | Und da war ich halt.. Jae er hat mich sogar zum Frühstück eingeladen, sag' ich: "Ja, das brauche ich nicht."![]() |
00:05:37 | Und äh so bin ich wirklich äh um halb acht da im Parkhotel gewesen und die haben natürlich keine Ahnung gehabt, dass gerade dort, wo heute das Parkhotel steht.. war das Sammellager äh für die Transporte.![]() |
00:05:53 | Und es ist sogar an diesem Hotel, unten an der Front eine, äh ein Relief angebracht, was die Frau Hošková gemacht hat.![]() |
00:06:08 | Sehr, sehr eindrucksvoll.![]() |
00:06:14 | Es ist so grau und wird immer dunkler und dann wie so ein, wie so ein Zug.. da gehen gebückte Menschen so und verschwinden einfach.![]() |
00:06:27 | Dort ist dann nurmehr schwarz und das hat sie gleich irgendwie nach dem Krieg dort anbringen lassen und das steht auch dort.![]() |
00:06:34 | Und die haben dort fünf Tage gewohnt und haben das nicht gewusst. Natürlich.![]() |
00:06:40 | Und jetzt bin ich in der Früh hingekommen, hab' mich vorgestellt, der Reiseleiter hat sich auch vorgestellt.![]() |
00:06:45 | Und ich hab' halt geglaubt ich kann mich unterwegs mit dieser Ruth unterhalten.![]() |
00:06:50 | Und wir gingen dann zum Bus, um nach Theresienstadt zu fahren und er hat sich kurz vorgestellt und so wie das mit dem Vorstellen war.. ist halt.. hab' den Namen nicht mitgekriegt.![]() |
00:07:00 | Und wie wir in.. zum Bus kamen, da hat er so den Reiseleiterstuhl zurückgeschlagen und gesagt: "Bitte nehmen Sie Platz, Frau Hermanovà."![]() |
00:07:08 | Sag' ich: "Ja, ich möchte mich gerne mit der Ruth unterhalten."![]() |
00:07:11 | Sagt er: "Nein, Sie sind an.. Sie machen das professionell, Sie wissen sicher viel mehr als ich."![]() |
00:07:17 | Na gut, dann habe ich mich halt hingesetzt.![]() |
00:07:20 | Und sind Richtung Theresienstadt gefahren und äh ich hab' gleich gesagt: "Also auf.. 40 km" habe ich gesagt:![]() |
00:07:28 | "hier ist leider.. sind keine Sehenswürdigkeiten, ist nicht viel zu sehen. Ich werde Ihnen lieber etwas über Theresienstadt erzählen, wenn Sie schon hinfahren. Ich war eindreiviertel Jahr.." Und jetzt habe ich das einfach erzählt, was ich gemacht habe und so.![]() |
00:07:40 | Und jetzt kamen wir schon zu den Schanzen.. Ich weiß nicht, ob sie mal da..![]() |
00:07:44 | IV: Ja, klar.![]() |
00:07:45 | LH: Und da sag' ich: "Ja, ich muss das schnell beenden. Wir sind schon gleich in Theresienstadt.![]() |
00:07:50 | Also von Theresienstadt bin ich nach Auschwitz, von Auschwitz nach, nach Christianstadt und von Christianstadt nach Flossenbürg und über Flossenbürg nach Bergen-Belsen."![]() |
00:07:59 | Und plötzlich.. wissen Sie, als erfahrener Reiseleiter hat mich das einfach sofort wach gerüttelt.![]() |
00:08:06 | Und es war ein riesen Schum, Krawall und Gespräch und, und eine Unruhe in dem Bus.![]() |
00:08:14 | Und der Reiseleiter saß hinter dem Fahrer und ich habe mich so zu ihm umgedreht und habe gesagt: "Hab' ich was Dummes gesagt?"![]() |
00:08:23 | Und da stand er auf und nahm mich so von rückwärts um meine Schultern und hat gesagt:![]() |
00:08:28 | "Nein Frau Hermanovà, aber, aber Sie sind die Person.. Ich bin der Leiter, der Landeszentrale für politische Bildung und mir untersteht die Gedenkstätte in Bergen-Belsen."![]() |
00:08:41 | Ich kann {lacht} Ihnen sagen, ich wäre bald vom Sessel gefallen.![]() |
00:08:46 | Hab' ich schnell äh zurückgedacht, was ich alles gesagt habe.![]() |
00:08:51 | Das waren nur Historiker, Sozialarbeiter äh Pädagogen, also Leute, die was davon wussten, ja?![]() |
00:09:01 | Und so hat sich dann ein Professor aus Emden, der Universität aus Emden an mich schriftlich gewandt und hat mich angesprochen und...![]() |
00:09:14 | Also er arbeitet.. äh macht so ausgesprochen also Sozialvorträge und di.. bearbeitet besonders dieses Thema.![]() |
00:09:23 | Und wenn er mich einladen würde, also die Hochschule, ob ich kommen würde.![]() |
00:09:28 | Und von dieser Zeit an bin ich, ich weiß nicht wie viele Male, aber alle Zeit lang jedes Jahr nach Emden eingeladen gewesen.![]() |
00:09:36 | Und ich war auch in Dresden und in, in Leipzig.. und in, in verschiedensten Städten.. in Bonn, in Bonn und äh habe halt mit Studenten gesprochen.![]() |
00:09:48 | IV: Also das war der..![]() |
00:09:48 | LH: Hab..![]() |
00:09:49 | IV: ..Einstieg praktisch sozusagen in..![]() |
00:09:51 | LH: Wo ich angefangen..![]() |
00:09:52 | IV:.. anfangen hat..![]() |
00:09:53 | LH: ..hab zu Reden, an da..![]() |
00:09:54 | Ja genau, weil äh, äh wissen Sie, die ersten Jahre.. das ist auch eigentlich sehr interessant.![]() |
00:10:03 | Die ersten Jahre, wie ich zum Beispiel nach Emden kam, ich habe immer...![]() |
00:10:07 | Zu Beginn habe ich immer gesagt: "Äh bitte, haben Sie keine Hemmungen.![]() |
00:10:14 | Ich weiß, dass Sie vieles wissen, dass Ihnen viel gesagt wurde, dass Sie Filme gesehen haben, gelesen haben..![]() |
00:10:22 | IV: {räuspert sich}![]() |
00:10:22 | LH: ..und so weiter.![]() |
00:10:24 | Aber ich weiß nicht, was Sie nicht wissen und was Sie interessiert.![]() |
00:10:29 | Haben Sie keine Hemmungen und fragen Sie."![]() |
00:10:32 | Hat keiner ein Wort gesagt, die sind aufgestanden, sind so {zeigt gebeugte Haltung} hinausgegangen.![]() |
00:10:40 | Und ich habe dann am Abend, wie wir zu Hause waren, habe ich zu dem Professor gesagt, sag' ich:![]() |
00:10:46 | "Ich weiß nicht, habe ich mich nicht gut ausgedrückt oder war ihnen unsympatisch oder warum hat keiner ein Wort gesagt."![]() |
00:10:55 | Sagt er: "Die haben sich geschämt.![]() |
00:10:58 | Die sind das erste Mal mit einem Menschen gegenübergesessen und in die Augen geschaut, und in die Augen schauen müssen, der das erlebt hat.![]() |
00:11:08 | Sie wissen das alle, aber es ist was anderes, wenn ein lebendiges Wesen einfach, der das erlebt hat an eigener Haut und sich überzeugt haben und die Nummer gesehen haben."![]() |
00:11:21 | Zum Beispiel einmal kam.. und komischerweise, das ist ganz typisch.![]() |
00:11:26 | Wie ich in Bonn war, da war ich an einem Gymnasium.![]() |
00:11:32 | Und dann wollte mich noch eine Lehrerin in ein.. ich weiß nicht ob das die dritte Klasse war oder sowas, zweite oder dritte Klasse und ich hab' gesagt:![]() |
00:11:41 | "Nein ,das möchte ich nicht, denn diese Kinder die wissen noch zu wenig und können das auch schwer verarbeiten.![]() |
00:11:49 | Und ich würde mich zwar bemühen, dass irgendwie nur kurz und verständlich zu sagen, a.. für dieses Alter, aber ich denke das hat keinen Sinn.![]() |
00:11:59 | Das belastet die Kinder und sie können das noch nicht so verarbeiten."![]() |
00:12:04 | "Nein die Kinder sind vorbereitet." Und die Lehrerin hat...![]() |
00:12:08 | Ich kann Ihnen sagen.![]() |
00:12:10 | Die Hände waren nur oben, weil diese kleinen Kinder haben keine Hemmungen.![]() |
00:12:14 | IV: Und keine Scham? Weil sie auch keine Schuld so empfinden.![]() |
00:12:16 | LH: Wie gesagt, keine Hemmungen.![]() |
00:12:17 | IV: Ja.![]() |
00:12:18 | LH: Und da war zum Beispiel in dieser Klasse eine Frage:![]() |
00:12:23 | "Warum gehen Sie nicht nach Israel?"![]() |
00:12:26 | Das ist eigenartig, dass solche Kinder so intelligente Fragen stellen.![]() |
00:12:31 | IV: Mhm.![]() |
00:12:31 | LH: "Warum gehen Sie nicht nach Israel?"![]() |
00:12:34 | Das hat mich..![]() |
00:12:34 | IV: Frau Hermanovà. Wir müssen jetzt aufhören. Es ist interessant, auch spannend für mich, aber..![]() |
00:12:41 | LH: Ja?![]() |
00:12:41 | IV: Ich will Ihnen danken für das Gespräch.![]() |
00:12:43 | LH: Ist in Ordnung.![]() |
00:12:44 | IV: Und ich, ich glaube es war eine gute Entscheidung, dass Sie sich irgendwann entschieden haben, das noch einmal zu machen.![]() |
00:12:50 | Ich glaube es war für viele Leute wirklich angenehm..LH: Ja wissen Sie, ich bin schon in einem Alter {lacht}, wo ich das wirklich äh so.. wir werden immer weniger, so.![]() |
00:13:00 | Und äh ich habe zum Beispiel eine die ist so ähm zwölf Jahre jünger, die war zwölf oder 14-jährig.![]() |
00:13:07 | Und äh die will überhaupt nicht reden.![]() |
00:13:09 | Nicht nur, dass sie nicht Deutsch kann, sie versteht es zwar, aber sie will nicht einmal in Tschechisch darüber reden.![]() |
00:13:15 | Die fängt so an zu Zittern.![]() |
00:13:21 | Es ist äh...![]() |
00:13:23 | Trotzdem äh dass sie mit ihrer Mutter überlebt hat, die war in der Hamburger Hälfte, ja?![]() |
00:13:28 | Die haben äh.. dort waren wie gesagt viele Franzosen und die haben ja ein kleines Kind.. Mädel da gesehen.![]() |
00:13:33 | Die haben ihr ab und zu mal ein Stück Schokolade auch zugesteckt oder Sardinen, das.. davon konnten wir nur träumen.![]() |
00:13:41 | Also wenn ich Ihnen ein bisschen irgendwas gesagt habe, was sie noch nicht gewusst haben.![]() |
00:13:48 | IV: Da gibt es immer viel, was man noch nicht weiß.![]() |
00:13:50 | LH: Weil Sie wissen sicher sehr vieles.![]() |
00:13:52 | IV: Aber jede Geschichte, also man..![]() |
00:13:54 | LH: Ich..![]() |
00:13:54 | IV: .. weiß ja Theorie und das Andere ist die persönliche Erfahrung, die jemand gemacht hat.![]() |
00:13:58 | LH: Is äh.. wie gesagt ich habe es überwunden und ich kann jetzt Gott sei Dank darüber sprechen.![]() |
00:14:05 | Aber meine Tochter, das ist eigenartig, meine Tochter will nichts hören.![]() |
00:14:11 | Die hat dieses Mal sogar sich nicht geärgert.. Sie ärgert sich immer, wenn ich in irgendeine solche äh.. Aufgabe übernehme.![]() |
00:14:19 | Aber diesmal war sie still, weil sie {lacht}, weil sie äh sehr eng.. das ist die zweite Mutter, die Frau Miková.![]() |
00:14:27 | Wir sind jahrelang Jahre lang befreundet, viele Jahre und mit meinem Mann war sie von Kind auf...![]() |
00:14:33 | Die Eltern waren befreundet.. die Eltern von der Frau Miková und meines Mannes Eltern.![]() |
00:14:39 | Das heißt, die kannten sich als Kinder.![]() |
00:14:42 | Und äh meine Tochter ist so irgendwie das zweite Kind von ihr {lacht}.![]() |