00:00:00 |
CM: Und läuft. |
00:00:00 |
IV: Okay. Ja. |
00:00:03 |
CD: Also, während der Periode, wo wir Waldbeeren gepflückt haben.. |
00:00:07 |
Wir brachten die Waldbeeren immer ins Lager rein, außer dem Kübel von der SS, der wurde außerhalb dem Lager schon abgegeben. |
00:00:19 |
Aber der für den Kapo, den mussten wir rein bringen. |
00:00:23 |
Und eines Tages kommen wir ans Tor, die Zählung fängt an und da bleibt der stehen. Ich und ein Russe hatten den Kübel zwischen uns. |
00:00:39 |
"Aufmachen!" Der.. aufmachen.. haben wir aufgemacht. {lacht} Halb voll oder dreiviertel voll Waldbeeren. |
00:00:50 |
Und da schreit der, der, der hat wahrscheinlich den, den äh äh Dingsnamen von, von dem Kapo.. |
00:00:57 |
Da schreit der auf den hin, da ruft der dann auch noch einen Kollegen von ihm. Da fangen die an, den zu verprügeln.. den Kapo zu verprügeln. |
00:01:10 |
Was da gewesen ist, da muss irgendwo etwas mit den Waldbeerengeschichten.. wa.., was gewesen sein. |
00:01:15 |
Wa.., was die anderen äh so wütend gemacht hat. Überhaupt.. Es wurde an sich gar nicht kontrolliert die anderen. |
00:01:21 |
Nur, nur an dem Tag äh wurde sowas getan. |
00:01:26 |
Und während die auf den eindreschen, kommen andere Kommandos rein am Tor und da, da wird Stau. |
00:01:35 |
Und da kommt ein anderer SS und sagt er: "Also hier.. weiter, weitermarschieren!" |
00:01:41 |
Abgezählt waren wir sowieso.. mussten wir weitermarschieren mit dem Kübel. |
00:01:48 |
Und wo wir halbwegs auf dem Appellplatz sind, da sage ich dem Iwan.. Die heißen ja alle Iwan, diese Russen. Da sage ich dem Iwan.. ich sage: |
00:01:56 |
"Geh zu.. schon mal zum Block. Ich bringe das zur Küche." Normalerweise mussten wir den in der Küche abstellen. |
00:02:03 |
Ich sage, ich bringe das zur Küche. Der geht. Wo er auf die Treppen schon rauf ist.. Richtung Küche.. zack, zu Block 4. |
00:02:15 |
Und bringe den Kübel, den Kübel äh auf, auf den Flügel an Erich. Ich sage: "Erich, ich habe etwas für dich." - "Ja?" |
00:02:27 |
"Waldbeeren." - "Von woher?" Erkläre ich ihm, was passiert ist. |
00:02:33 |
"Ja", sagt er, "also du musst, du musst dabei bleiben, du hast es an der Küche abgestellt, ne, ne?" |
00:02:40 |
Ich sage: "Kannst du da.." - "Ja, das ist schon gut, schon gut, ich werde mich darum kümmern." |
00:02:46 |
Was der gemacht hat: Hat der sich mit anderen von der Küche irgendwo einbestanden, |
00:02:51 |
dass die da was gebacken haben oder sonst was getan haben. Weiß ich gar nicht. |
00:02:55 |
Aber jedenfalls äh es, es hat ihm an sich Spaß gemacht, dass äh, dass.. Der, die, die sitzen schon Jahre da drin. |
00:03:03 |
Also Waldbeeren so in Hülle und Fülle, das, das war eine Ausnahme.. Ausnahmefall. |
00:03:10 |
Und äh ja, der, der, der hat, der hat sowieso immer mal ein halbes äh Portion Brot äh zu, zu.. Da bekam ich ab und zu mal sowas so zwischen. |
00:03:23 |
Aber die Geschichte mit diesem Kübel.. Ich nehme an, am nächsten Morgen da kam der an.. |
00:03:29 |
Da war, da war er zuge... genauso wie ich damals äh. |
00:03:36 |
"Wo e.. wo, wo, wo, wo sind die Waldbeeren?" - Ich sage: "Die Waldbeeren ha.., haben wir, haben wir an der Küche abgestellt. |
00:03:44 |
Da kannst du den, den, den, den Iwan fragen." |
00:03:48 |
Der hat den Iwan gar nicht gefragt, ne? Also, der hat gemeint: "Ja, die haben.." |
00:03:53 |
Aber ich denke, dass er so im Hinterkopf w.., wahrscheinlich den Gedanken gehabt hat.. |
00:03:57 |
Ich weiß nicht, wie das im Lager zuging, aber so äh dreiviertel Kübel, der, der auf einmal irgendwie gegessen werden.. |
00:04:07 |
Unter dieser Prominenz wird da irgendwo äh schon gewesen sein äh.., dass die gewusst haben, von wo es herkam. |
00:04:18 |
Aber wie es, wie es dann äh zum Schluss ging, da.., da.., das ist dann.. |
00:04:23 |
Und der hat dann wahrscheinlich schon gedacht, also.. "Der, den krieg ich schon." Nicht? "Den krieg ich schon." |
00:04:31 |
Und wenn die Geschichte mit dem Wetten kam.. Das ist ja alles so kurze Zeit nach diesem Geschehen im Lager gewesen. Also, es.. |
00:04:40 |
IV: Das kann so ein Zusammenhang gewesen sein. |
00:04:42 |
CD: Ja, ja. |
00:04:42 |
IV: Also Rache oder so. Ich gebe Ihnen einfach mal ein Neues. Das ist jetzt schon.. Ich nehme das auch noch einfach.. |
00:04:54 |
CD: Da musste, da musste.. Da kann man sich schon mal vorstellen, dass ich schon äh auf, auf diesen Moment schon äh |
00:05:02 |
so ein, so ein alter Drauf.., Draufgänger war. Um sich sowas zu leisten, da musst du schon was im Kopf haben, ne? |
00:05:12 |
IV: Und nach einiger Zeit sind Sie aber auch wieder von dem Waldkommando wieder weggekommen. |
00:05:16 |
CD: Da bin ich ja.. ja.. na, an dem.. Was da, was da geschehen ist, wo ich na.. zum Block.. nach dem Appell zum Block kam, nicht? |
00:05:26 |
Das, das waren ein paar Tage nach der Geschichte mit den Waldbeeren. |
00:05:32 |
Das ist der Tag, wo, wo ich so verprügelt wurde, nicht? Da, da, da musste ich, da musste ich zum Revier. |
00:05:38 |
Aber bevor ich zum Revier ging, bin ich zuerst nach dem Erich gewesen. |
00:05:42 |
Denn wenn, wenn unsereiner zum Revier kam, der bekam nur ein bisschen Papier draufgeklebt und, und fertig, nicht? Also das war gar kein.. |
00:05:50 |
Aber ich habe den Erich gefragt und der Erich hat gesagt: "Ich gehe mit dir." |
00:05:55 |
Und da bin ich so ein bisschen versorgt worden, wie, wie es an sich äh mit den Deutschen hätte äh gemacht werden. |
00:06:04 |
Nicht? Richtiges äh äh Pflaster und, und äh De.., Desinfektionsmittel, so so.. Da.., das.. was fertig, alles gut. |
00:06:13 |
Und am nächsten Morgen bin ich dann zum Leichenkommando. Da hat der Erich auch für gesorgt, dass ich war. |
00:06:21 |
Ich war nicht mehr im Stande, noch die schweren Arbeiten oder Steinbruch noch durchzuführen in dem Zustand, wo ich da war. |
00:06:29 |
Hatte wohl alles abgeschirmt, aber ich war kei.., kei.. jedenfalls so, so ganz durcheinander. Und hatte Weh an allen Ecken. |
00:06:39 |
Und da habe ich dann drei Wochen im Lager.. im Lagerkommando.. du, du wurdest für alles eingesetzt, nicht? |
00:06:47 |
Leichentragen, aber du, du wurdest ab und zu mal gerufen äh irgendwelche Arbeiten im Lager zu.. durchzuführen. |
00:06:54 |
Das kam, das kam da schon. Aber drei Wochen sind wir dann da gewesen. |
00:06:59 |
Da haben wir meistens die Leichen, die auf dem Appellplatz nach dem Appell lagen.. die haben wir dann zuerst zum Revier geschafft. |
00:07:09 |
Im Revier haben die die, die Leiche äh alles abgenommen. |
00:07:17 |
Und nachdem sie nackt waren, da haben wir die dann auf so einer Handbarre zu Fuß, zu Fuß zum Krematorium gebracht. |
00:07:26 |
Da haben wir nur abgeladen und wieder zurück. |
00:07:31 |
Zwischendurch äh hatte der Krematorium-Kapo, der hat uns dann da auch mal für, für äh, für die Koks-Zufuhr.. |
00:07:41 |
Da mussten wir dann da äh etwas abladen oder, oder aufladen. Da zwischendurch mussten wir dann auch für den was tun. |
00:07:52 |
Und nach drei Wochen, nach drei Wochen, da ging's einigermaßen gut, da hat er dann für gesorgt, dass ich zum äh.. |
00:08:07 |
Zu Messerschmitt-Werke kam. |
00:08:12 |
IV: Ich frage Sie jetzt einfach nochmal: Sie sind.. das war.. Wie war denn das? Ich meine, wenn man plötzlich so, so.. |
00:08:18 |
Tod gehört ja wahrscheinlich auch schon bald zum Alltag. Man sieht das. Aber wie ist das, wenn man plötzlich dann, |
00:08:25 |
ja, selber drei Wochen lang jeden Tag zum Leichenkommando gehört. Wie war das für Sie? Was war das auch für ein Gefühl? Was war das für.. |
00:08:32 |
CD: Ja, also, die ersten, die ersten zwei, drei Tage, da ist man durcheinander. |
00:08:39 |
Da, da hat man äh v.., von jedem einen, den, den man da aufnimmt äh äh ve.., versuchen ihn zu, zu, zu äh.. |
00:08:52 |
Wie soll ich sagen? Zu, zu.. nach.., nachzuleben, wie er dazu gekommen ist. Äh Alter nach und, und körper.., körperlicher Verfassung nach und so. |
00:09:08 |
Da, da, da kümmert man sich noch irgendwie darum, um zu wissen, was ist ihm passiert, da.., dass, dass er da liegt und ich an sich ihn tragen muss. |
00:09:17 |
Nicht? In diesem Sinne. Aber nach zwei, drei Tagen, da tut Ihnen das gar nichts mehr. |
00:09:23 |
Das, das ist dann eine Alltagsarbeit äh.. die an sich noch, noch, noch gar nicht so schwer war. |
00:09:32 |
Am meisten haben wir, haben wir nur einen aufgenommen. Ab und zu, wenn es ein bisschen viel war, da haben wir wohl zwei.. |
00:09:39 |
Aber im Großen und Ganzen.. die, die Körper da, die haben so was von, von 35, 40 Kilo gewogen. Mehr, mehr nicht. |
00:09:48 |
Also mit zwei, mit zwei Mann war das an sich zu der Zeit noch zu schaffen. Das war an sich gar nicht so.. |
00:09:55 |
Aber diesen Eindruck mit, mit, mit Leichen so, so tagein, tagaus.. das, das geht dann einem an die Nerven. |
00:10:05 |
Ne? Da kann man an sich äh jung, jung und kräftig sein, aber das geht einem an die Nerven. Da hast du den Eindruck: |
00:10:13 |
Wann bist du an der Reihe? Ne? So ungefähr geht's durch den Kopf. Weil du jeden Tag die, die, die, die, die Leichen siehst. Nicht? |
00:10:23 |
Dann, dann ver.., verfällst du in, in, in, in Gedankengänge, die, die an sich gar nicht, gar nicht so äh.. Wie soll ich sagen? |
00:10:35 |
Mi.., mit Lust leben zu tun hat. Nicht? D.., du, du bist eher auf den negativen äh äh Seiten des Lebens dran. |
00:10:46 |
IV: Ich meine.. Sie haben ja auch vorhin erzählt: "Am Anfang habe ich mir gedacht, hier komme ich nir.., nie wieder raus." |
00:10:51 |
CD: Ja. |
00:10:52 |
IV: Und wenn man das dann sieht, ist das ja an sich eine Bestätigung auch. |
00:10:54 |
CD: Eine Bestätigung von dem, was am, am Laufen war, nicht? |
00:11:00 |
IV: Waren denn die meisten Menschen.. was denken Sie.. an Hunger gestorben, an Schwäche? Oder auch an den Prügeln? Was denken Sie? |
00:11:07 |
CD: Ja, die.. |
00:11:08 |
IV: Woran sind die Leute gestorben? |
00:11:09 |
CD: Also die, die, die meisten sind äh.. Unterernährung. Unterernährung, Schwerarbeit und zusätzlich dann mit diesen äh |
00:11:21 |
Misshandlungen, die dann da stattfanden, die automatisch zu, zu, zum Revier geschoben haben. |
00:11:27 |
Und wer im Revier war, der, der hatte auch nur eine kürzere Zeit, be.., bevor er in den Totenbaracken.. die zwei Totenbaracken da waren. |
00:11:36 |
Und der da rein kam, kam nie mehr raus. Nie, nie. Die Totenbaracken waren abgeschlossen, die Fenster wurden nie geöffnet. |
00:11:45 |
Also das war wirklich ein, eine Totenbaracke. Ne? Da waren zwei Stück. |
00:11:50 |
IV: Also das waren noch Art Krankenreviere, aber für die, die, wo man nichts mehr gemacht hat. |
00:11:55 |
CD: Wo, ne, ne. Wo man nichts mehr für getan hat und äh die an sich.. Pf.. Wer weiß, wer weiß. |
00:12:03 |
Wenn da irgendwo einer abgeschoben wurde in die Menge, da, da, da konnte man gar nicht äh so richtig sagen äh |
00:12:11 |
weshalb, wofür ist er da und, und ein anderer nicht. Ne? |
00:12:17 |
Aber Unterernährung, Schwerarbeit und Misshandlung. Das, das sind an sich die, die drei Faktoren, die fast für alle.. |
00:12:27 |
Und alleding.. vor allen Dingen äh Leute die, die Familie hatten. |
00:12:34 |
Und die sich, die sich da abends noch über o.. Die haben sich untereinander noch unterhalten. |
00:12:43 |
Äh haben das Ganze noch vor, vor, vor die Augen äh gehabt. Haben schlecht geschlafen, schlecht ausgeruht. Am nächsten Tag idem. |
00:12:53 |
Und so ein, eine Ansammlung von, von schlaflosen Nächten, harter und schwerer Arbeit am Tag. |
00:13:02 |
Da, das zusammen hat dann getaugt, da.., dass die schneller eingingen.. wie man sagt, als wie ein junger Bursche, der sagt: |
00:13:12 |
"Also jetzt kümmere ich mich nur..", wie ich gemacht habe, "äh ob ich morgen was anschaffen kann. Äh wie ich morgen was anschaffen kann." |
00:13:20 |
Und versuche damit, damit äh meine ganze Konzentration und Energie zu, zu, zu bewahren. |
00:13:29 |
IV: Auf das Überleben aufzuwenden. |
00:13:31 |
CD: Auf.. ja. Auf das Überleben, auf das Überleben. |
00:13:34 |
Trotz das, was ich gesagt hatte. Aber da habe ich mich nur noch von Tag auf Tag was vorgenommen. Tag auf Tag. |
00:13:44 |
IV: Es sind ja aber auch Menschen sozusagen auch "aktiv" getötet worden. Es gab Hinrichtungen, Menschen sind auch mal erschossen worden. |
00:13:51 |
Es sind Leute wohl auch manchmal in den Draht gelaufen. Was haben Sie da gesehen in diesen 13 Monaten? |
00:13:56 |
CD: Ja, im, im Draht, im Draht ist es meistens am Sonntag passiert. Am Sonntag.. |
00:14:03 |
Hat es ja auch welche, die sind freiwillig hinein, aber es ist auch von Kapos her und der SS auf den Wachtürmen.. |
00:14:12 |
Ist ja auch mitgeholfen worden, hier und da auch einen hinzutreiben. |
00:14:17 |
Der an sich gar keine mehr.. gar, gar keine Ausflucht hatte, was, was anderes zu tun und sich zu verkriechen. |
00:14:24 |
Nein, der saß zwischen zwei, drei Kapos äh.. Die, die, die von da oben zielten auf den. Und äh die, die sind dann regelrecht in diesen.. |
00:14:35 |
Und die haben dann den Stacheldraht ansetzen müssen, denn normalerweise, normalerweise am Sonntagnachmittag war der nicht angesetzt. |
00:14:44 |
IV: Nicht unter Strom. |
00:14:45 |
CD: Ja, der war nie unter Strom. Ne? Und äh an dem Tag.. Das sind alles so Sachen, wo.., womit ein Außenstehender, wie, wie ich war.. |
00:14:56 |
Und trotz dem ich schon mit der Sprache und so schon mehr Verbindung hatte als ein Franzose, eine Russe oder ein Pole. |
00:15:02 |
Der.. mit dem.. mit, mit keiner reden konnte. Aber ich, ich bin nie dahinter gekommen, wie, was, wo, wann es diese Fälle immer gegeben hat. |
00:15:13 |
Aber das, das hat in Hülle und Fülle. In Hülle und Fülle zu.. |
00:15:16 |
Es ist eine Zeit, bis, bis da die.., dieses Dekret von Himmler kam und hieß, also man soll jetzt krepieren durch Arbeit. |
00:15:26 |
Nicht? Da, da, da, da hat's, da hat's weniger gegeben. |
00:15:29 |
Aber hier in Flossenbürg hat es noch äh ei.., ein Jahr nach dem Dekret, da hat es noch immer äh.. war, war nichts, nichts geändert worden. |
00:15:38 |
Also es blieb bei denen, wofür, weshalb. Das, das ist etwas, was wir, was wir nicht wussten. |
00:15:46 |
Aber gesehen haben wir's, das Hängen. Da.., das Hängen ist, ist ja zu meiner Zeit.. zu meiner Zeit ist.. Es wurde jede 14 Tage mindestens einer gehängt. |
00:16:01 |
Und da gab es zwei verschiedene, verschiedene Methoden. Einmal wurde nach dem Appell aus dem Bunker ein oder zwei herausgeholt. |
00:16:15 |
Die kamen dann auf den Appellplatz. Da hat der Lagerführer Stäubchen.. da, da hat der dann da so ein, einen Schein von, von Berlin abgelesen. |
00:16:25 |
Aber es hieß immer äh zu, zu, zu hängen. |
00:16:30 |
Ich muss aber sagen, dass von all denjenigen, die da gehängt wurden, nie einer, der sich da äh erbärmlich benommen hat. |
00:16:40 |
Nie einer. Die sind alle stramm.. Manch einer hat geschrien. In, in, in, in, in, sein, sein, seiner Sprache.. Der hat geschrien irgendwo etwas. |
00:16:53 |
Aber die meisten gingen stur zum Galgen, als wie ein Erlösmittel. |
00:17:01 |
Die hatten wahrscheinlich.. die da aus dem Bunker kamen.. |
00:17:04 |
Die hatten im Bunker wahrscheinlich schon so vieles hinter sich gebracht, dass die äh sich danach sehnten vielleicht, ans Ende zu kommen. |
00:17:14 |
IV: Und, und alle mussten zuschauen? Das war öffentlich oder wie war das mit den Hinrichtungen? |
00:17:19 |
CD: Das war, das war öffentlich. Die Hinrichtungen waren öffentlich und auch äh mit den Bock.. äh schlägen war auch öffentlich. |
00:17:30 |
Passierte alles nach dem letzten Appell abends. Passierte alles.. |
00:17:34 |
Bevor man auseinander ging zum Block, wurde das Hängen und das Bestrafen mit den, mit den äh Bockschlägen da. |
00:17:44 |
Das war alles nach dem Appell.. und musste jeder.. jeder musste da zuschauen. |
00:17:52 |
Äh wenn einer schwach wurde und, und, und eine Träne fallen ließ und auffiel, der bekam dann noch mehr Schläge als wie der, der auf dem Bock war. |
00:18:06 |
Also man musste dauernd, dauernd, mit allem, allem äh äh rechnen und, und Obacht geben und, und gar nichts merken lassen. |
00:18:18 |
Ich habe, ich habe ein, ein, einen Kollegen, einen kleinen Polen, der bei mir im äh Steinbruch gearbeitet hat. |
00:18:27 |
Da habe ich nie gewusst, dann das ist ja, wa.., wa.., was der, was der da, da, da ablas, da konnte man gar nicht so richtig verstehen, weshalb der da raus.. |
00:18:38 |
Aber der, der war schon ein paar Wochen mit mir und da waren wir am, am Lorenarbeiten.. Laden und Abladen und Verladen. |
00:18:50 |
Und äh je, je nachdem.. Wir haben uns ein bisschen abgesprochen: Der hat aufgepasst und ich habe mich ausgeruht. |
00:19:00 |
Und ich habe dann mal aufgepasst und er hat sich ausgeruht. |
00:19:04 |
Also Kapo und SS.. Sobald irgendwo etwas sie bewogen hatte, dann hatte man den anderen, also.. |
00:19:14 |
Äh bei, bei diesem Zusammenhang, da, da, da wirst du schnell Freund und, und, und, und wie Brüder sozusagen, nicht? |
00:19:22 |
Dann.. Der eine passt auf, auf das Wohlsein vom anderen.. Wenn man von "Wohlsein" reden kann in so, in so einem Fall. |
00:19:29 |
Da passt der andere dafür auf. Und da wirst du an sich.. trotz wir uns mit der Sprache.. |
00:19:35 |
Aber der hat ein bisschen Deutsch gesprochen und ja ich kam auch zurecht. Äh viel Gesprä.., Gespräche haben wir gar nicht geführt. |
00:19:44 |
Aber ma.., man fühlten, dass man sich auf den anderen verlassen konnte. |
00:19:49 |
Und da ist eines Abends, wo wir zurück von der Arbeit kamen.. nach dem Appell.. wird ausgerufen und das ist so ein Fall. |
00:19:59 |
Da kommt einer, der an sich gar nicht im Bunker war. Wofür? Der wurde auch nicht auf den Bock.. |
00:20:06 |
Der kam regelrecht aus dem Arbeitskommando und wurde von dort aufgerufen. |
00:20:12 |
Dem hat man dann d.. äh die, die, die Ärmel ge.., geschnürt. Womit, weiß ich nicht, weil das waren keine Handschellen. Irgendwie fest. |
00:20:22 |
Und der wurde gehängt in, in z.., alles in zehn Minuten. Ablesen, zum, zum, zum äh Galgen.. in.. alles in zehn Minuten war vorbei. |
00:20:35 |
IV: Und er hat vorher nichts geahnt. |
00:20:37 |
CD: Und der hat gar nichts geahnt. Gar nichts, gar nichts, gar nichts. Deswegen, da.., das ist.. eine Art von, von Tortur.. kann man sagen. |
00:20:48 |
Eine Art Tortur, die von, von fast allen, die irgendwie mit dem Lagerleben mit.. äh, mitgelebt haben, irgendwie schon empfunden wurde, nicht? |
00:21:00 |
Also äh das kann dir morgen passieren. Nicht? Das, was du jetzt äh mitmachst und, und siehst, das kann dir. |
00:21:07 |
Der, der, der wusste auch nicht, wie.. der.. Noch im Lauf des Nachmittags haben wir noch ein paar Worte gewechselt. |
00:21:13 |
Da, da hat der vo.., von gar nichts.. Hat sich.., ha.., war auch nicht so ängstlich.. von wegen, dass er irgendwo im Hinterkopf was hatte. |
00:21:21 |
War nicht ängstlich.. gar nichts, gar nichts. |
00:21:23 |
Und ich habe an sich nur gesehen, wo er vorbeimarschierte zum Galgen, dass er es war. |
00:21:28 |
Die Nummer, die Nummer kannte ich äh auswendig sozusagen. Aber wenn die so schreien und du.. da, da, da hört man kaum, kaum Richtiges. |
00:21:38 |
Nur beim Vorbeimarschieren. Ja und da habe ich, da habe ich dann gebetet. |
00:21:48 |
Äh da habe ich an sämtliche Götter: "Tu was!" |
00:22:00 |
Es ist aber nichts passiert. Und seitdem ist für mich die Religion abgeschafft. |
00:22:13 |
Ja das sind so Momente, die, die, die an der Tagesordnung waren zu der Zeit, nicht? |
00:22:20 |
Mir ist es so ergangen, aber anderen ist es noch schlimmer ergangen. Denn ich bin ja noch hier, nicht? Und andere sind nicht mehr da. |
00:22:35 |
IV: Sie haben ja vorhin geschildert, genau das, was jetzt mit Ihnen passiert: Dass Sie Gefühle haben und Gefühle zeigen, war an sich verboten. |
00:22:43 |
Man musste das ankucken und durfte nicht weinen, durfte nicht schreien. |
00:22:47 |
CD: Nein, nein, nein. |
00:22:50 |
IV: Äh das ist ja für mich.. |
00:22:51 |
CD: Nee, die, die haben, die haben.. |
00:22:52 |
IV: Auch wie eine Art von Folter, dass man das nicht darf. Wie war das gewesen, dass man nichts zeigen durfte? |
00:22:56 |
Dass man nicht schwach sein durfte, dass man kein Mitgefühl haben durfte? |
00:23:00 |
CD: Ja, aber das war nicht nur bei, bei diesen äh, bei diesen Auf.., Auftakten da. Sondern das, das war das tägliche Leben. |
00:23:09 |
Man, man.. das tägliche Leben von morgens, wenn du aufgestanden bist äh.., bis du dich in deine Koje wieder reingelegt hast.. |
00:23:16 |
Äh hast du nie etwas zeigen dürfen. |
00:23:21 |
Und noch weni.., weniger äh äh.. Wie soll ich sagen? Da, da, da irgendwie auf, auf Mit.., Mit.., Mitleid zu hoffen. |
00:23:30 |
Das, das gab es nicht. Also die Leute waren so abgebrüht. |
00:23:35 |
Die meisten, die schon längere Zeit da waren, ne? Die waren so abgebrüht, dass vom menschlichen Empfinden kaum noch die Rede sein konnte. |
00:23:43 |
Kaum. |
00:23:45 |
IV: Auch untereinander. |
00:23:47 |
CD: Auch untereinander. Untereinander. Ich habe also.. die.. |
00:23:53 |
Es gab noch äh ein, eine, eine Klasse auch noch mal äh.. die, die Tschechen, die regelmäßig was bekamen. |
00:24:04 |
Die haben sich schon unterhalten untereinander. Haben schon aus.., ausgewechselt, was die in ihren Paketen hatten. |
00:24:11 |
So.. da gab's das schon. Ir.., irgendein, ein, eine freundschaftliche äh Zusammenarbeit.. wie, wie man sagen kann. |
00:24:21 |
Unter denen.. aber nur unter denen, die im Stande waren, irgendwo etwas zu wechseln, das die regelmäßig bekamen. |
00:24:31 |
Und äh da ist dann von menschlichen Gefühlen ab und zu.. konnte man hören, dass es da noch etwas gab. |
00:24:40 |
Aber bei den anderen, die vor Hunger krepierten.. An dem Moment sind alle Gefühle.. die, die, die, die existieren nicht mehr. |
00:24:52 |
Denn du hast nur, nur ein, eins im, im Gedanken, das ist.. also: "Wie kriege ich jetzt noch etwas zu fressen?" |
00:25:00 |
Außer das, was ich bekomme. |
00:25:04 |
Und da hört das, das Empfinden auf. An dem Moment äh, da hast, da hast du noch äh nur, nur noch einen Gedanken: |
00:25:17 |
"Wie kann ich noch was bekommen?". |
00:25:22 |
Und da bist du zu allem fähig. Zu allem fähig. |
00:25:26 |
Nur nicht dein bisschen erbärmliches Leben einzusetzen. Das tust du nicht. Aber du hörst an sich alles auf. |
00:25:51 |
IV: Wie kann man das hinterher wiedergewinnen, wenn man das überlebt hat? Wieder zu fühlen und.. |
00:25:58 |
CD: Ja, das, das braucht seine Zeit.. braucht seine Zeit. Also ich habe, ich habe äh schreiben wollen. |
00:26:09 |
Ich war immer so.. in Schreibkunst und so.. war ich sehr, sehr gut. Und dann habe ich schreiben wollen. Habe ich.. |
00:26:17 |
Also.. ich bin in Sachsenhausen zum letzten gewesen, aber bei mir blieb nur die Geschichte von Flossenbürg im Kopf. |
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Da oben hatte ich äh sozusagen nie gelitten. Also, das, das bisschen was.. ab und zu mal ein Tritt und so was. |
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Das war alles gar nichts gegen das, was hier passierte. |
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Und da habe ich angefangen, so.. ich weiß nicht.. hatte ich 80, 80, 100 Seiten äh schon in ein paar Tagen zusammen. |
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Und da hat die Mutter den Arzt kommen lassen. Ich betrüge mich anormal, anormal. |
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Ich war dauernd äh im Lager, benahm mich ki.., ki.., kirre. |
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Und der ist gekommen und der hat gesagt: "Augustin, er, er muss weg hier, aber aufhören, vor allen Dingen aufhören mit seiner Geschichte." |
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Und da bin ich.. da habe ich damit aufgehört, habe alles weggeschmissen. |
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Und dann bin ich na.., nach Frankreich, nach der Schwester von meiner Mutter, die in Frankreich gewohnt hat, in der Umgebung von, von Nantes. |
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Und da bin ich da sechs Wochen geblieben. Und während der sechs Wochen hat sich alles normalisiert. |
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Aber es hat immerhin ein paar Monate.. hat's gebraucht. |
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IV: Und später gab's dann ja viele Jahre, wo sie nicht mehr darüber geredet haben, nicht? |
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CD: Ja, da habe ich äh, da habe ich überhaupt nicht mehr.. bis, bis '89. Bis '89. |
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IV: Und dann war so der Zeitpunkt, wo sie gedacht haben, jetzt.. |
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CD: Ja, da war ich.. also '89, da.. mit 67 habe ich aufgehört zu arbeiten. |
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Also zwei Jahre nach, nach meinem Aufhören, ne? Wo ich in die Rente gegangen bin. Zwei Jahre danach. |
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Da habe ich, da habe ich dann angefangen. Aber auch zufälligerweise. |
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Da hat es eine Ausstellung gegeben in meiner Umgebung.. eine Ausstellung gegeben von Sachsenhausen. |
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Und da habe ich meiner Frau Nelly.. da habe ich gesagt: "Komm, wir gehen jetzt mal hin, vielleicht treffen wir da einen von denen da oben." |
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Das alles nur so, nur einfach so, also.. Vorher war gar nichts mehr und dann äh hatte ich auch mehr Zeit. |
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Und da war's mit der Arbeit äh getan und so. Und äh ich sage: "Da gehen wir dahin." Und dann äh äh.. |
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Haben wir da die Tochter vom äh Direktor vom Grenzecho kennengelernt. |
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Und der Direktor vom Grenzecho, Henri Michel, der war fünf Jahre in Sachsenhausen. Und äh der war schon verstorben unterdessen. |
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Aber der hat ein paar Bücher geschrieben, da habe ich dann von ihr ein paar Bücher bekommen. |
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Und die hat mir dann gesagt, also: "Es wäre vielleicht an der Zeit, dass du dich auch mal um das, was die, die nicht das Glück hatten äh, |
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da raus zu kommen, äh dass man an die denkt und äh für die etwas versucht zu schaffen." |
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Die Gedenkstätte, das war an sich das, was in äh, in äh Sachsenhausen schon alles so weit war. |
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Und da bin ich dann einmal hierher gekommen und hier war an sich alles noch zu tun. |
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IV: Und dann haben Sie angefangen, mit das zu unterstützen und aufzubauen. |
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CD: Und da habe ich damit angefangen, ja. Und auch in Belgien, die, die, den Freundeskreis da wiederaufzubauen. |
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Denn der lief da alles ein bisschen kreuz und quer: der eine kam, der andere ging nie. |
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Und äh das alles äh bisschen äh.. dass wir an sich in kürzester Zeit.. in ein paar Jahren Zeit dann.. |
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Da hat es sich schon gelohnt.. nachdem äh die, die Sache von Alcatel fertig war, da hat es sich schon gelohnt. |
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Wo der Platz frei war und die Zukunft an sich.. |
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Bei dem Fachbeirat äh hatte man schon Idee so, wie und was g.. gemacht werden konnte.. geleistet werden konnte. Und das war der Anfang. |
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Und solange, bis das Ding hier klar ist.. ich denke, in 2009.. Bis dahin sind wir noch immer dabei. |
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IV: Ja, sind Sie dabei. |
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CD: Ja. |
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IV: Ich habe jetzt gerade noch.. Sie haben ja gerade eben noch mal so gesagt, also.. Dann ging es nach Sachsenhausen. |
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Aber immer, an sich, wenn Sie dann daran denken, das Schlimmste von allem war Flossenbürg. |
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Was war für Sie das Schlimmste in diesen 13 Monaten? |
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CD: Ja, das Schlimmste.. Also das Hängen von meinem Kollegen war schon schlimm. Ist eine ganz andere Angelegenheit. |
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Die Knüppelei von, von, von den äh Kapo vom äh Waldkommando.. |
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Das war an sich die, die, die heftigsten Schläge in der kürzesten Zeit, das ich da zu ertragen hatte. |
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Und dann die Zeit, wo ich gelernt habe, mich im, im Lager so, als wie ein alter Häftling zu benehmen. |
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Nicht arbeiten wollen.. wenn anders geht, wenn es anders geht. |
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Also.. man, man braucht eine Zeit, man braucht eine Zeit, sich als Häftling zu benehmen. |
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Denn die Arbeit muss.. und sonst noch und so, und so weiter. Aber man braucht eine Zeit, sich das anzugewöhnen. |
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Und dann genau wie die, wie die Alten.. D.. die.. du bekamst die gleichen Schläge. Also weshalb dich noch anstrengen und dich müde machen. |
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Das.. aber da braucht man eine Zeit für, das geht nicht von heute auf morgen. |
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Und da, wo ich zum ersten Mal da geknüppelt wurde für, für, für das Beste, was ich hergebe. Das war ... |
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IV: Also man musste praktisch sich so verändern, um zu über.., zu überleben. |
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CM: Band wechseln. |
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CD: Man musste.. Der, der nicht.. |