File "AGFl_AV.22.0707.mp4"

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Sources KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Signatur: AGFl AV.22.0707
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00:00:00 CM: Und läuft.
00:00:00 IV: Okay. Ja.
00:00:03 CD: Also, während der Periode, wo wir Waldbeeren gepflückt haben..
00:00:07 Wir brachten die Waldbeeren immer ins Lager rein, außer dem Kübel von der SS, der wurde außerhalb dem Lager schon abgegeben.
00:00:19 Aber der für den Kapo, den mussten wir rein bringen.
00:00:23 Und eines Tages kommen wir ans Tor, die Zählung fängt an und da bleibt der stehen. Ich und ein Russe hatten den Kübel zwischen uns.
00:00:39 "Aufmachen!" Der.. aufmachen.. haben wir aufgemacht. {lacht} Halb voll oder dreiviertel voll Waldbeeren.
00:00:50 Und da schreit der, der, der hat wahrscheinlich den, den äh äh Dingsnamen von, von dem Kapo..
00:00:57 Da schreit der auf den hin, da ruft der dann auch noch einen Kollegen von ihm. Da fangen die an, den zu verprügeln.. den Kapo zu verprügeln.
00:01:10 Was da gewesen ist, da muss irgendwo etwas mit den Waldbeerengeschichten.. wa.., was gewesen sein.
00:01:15 Wa.., was die anderen äh so wütend gemacht hat. Überhaupt.. Es wurde an sich gar nicht kontrolliert die anderen.
00:01:21 Nur, nur an dem Tag äh wurde sowas getan.
00:01:26 Und während die auf den eindreschen, kommen andere Kommandos rein am Tor und da, da wird Stau.
00:01:35 Und da kommt ein anderer SS und sagt er: "Also hier.. weiter, weitermarschieren!"
00:01:41 Abgezählt waren wir sowieso.. mussten wir weitermarschieren mit dem Kübel.
00:01:48 Und wo wir halbwegs auf dem Appellplatz sind, da sage ich dem Iwan.. Die heißen ja alle Iwan, diese Russen. Da sage ich dem Iwan.. ich sage:
00:01:56 "Geh zu.. schon mal zum Block. Ich bringe das zur Küche." Normalerweise mussten wir den in der Küche abstellen.
00:02:03 Ich sage, ich bringe das zur Küche. Der geht. Wo er auf die Treppen schon rauf ist.. Richtung Küche.. zack, zu Block 4.
00:02:15 Und bringe den Kübel, den Kübel äh auf, auf den Flügel an Erich. Ich sage: "Erich, ich habe etwas für dich." - "Ja?"
00:02:27 "Waldbeeren." - "Von woher?" Erkläre ich ihm, was passiert ist.
00:02:33 "Ja", sagt er, "also du musst, du musst dabei bleiben, du hast es an der Küche abgestellt, ne, ne?"
00:02:40 Ich sage: "Kannst du da.." - "Ja, das ist schon gut, schon gut, ich werde mich darum kümmern."
00:02:46 Was der gemacht hat: Hat der sich mit anderen von der Küche irgendwo einbestanden,
00:02:51 dass die da was gebacken haben oder sonst was getan haben. Weiß ich gar nicht.
00:02:55 Aber jedenfalls äh es, es hat ihm an sich Spaß gemacht, dass äh, dass.. Der, die, die sitzen schon Jahre da drin.
00:03:03 Also Waldbeeren so in Hülle und Fülle, das, das war eine Ausnahme.. Ausnahmefall.
00:03:10 Und äh ja, der, der, der hat, der hat sowieso immer mal ein halbes äh Portion Brot äh zu, zu.. Da bekam ich ab und zu mal sowas so zwischen.
00:03:23 Aber die Geschichte mit diesem Kübel.. Ich nehme an, am nächsten Morgen da kam der an..
00:03:29 Da war, da war er zuge... genauso wie ich damals äh.
00:03:36 "Wo e.. wo, wo, wo, wo sind die Waldbeeren?" - Ich sage: "Die Waldbeeren ha.., haben wir, haben wir an der Küche abgestellt.
00:03:44 Da kannst du den, den, den, den Iwan fragen."
00:03:48 Der hat den Iwan gar nicht gefragt, ne? Also, der hat gemeint: "Ja, die haben.."
00:03:53 Aber ich denke, dass er so im Hinterkopf w.., wahrscheinlich den Gedanken gehabt hat..
00:03:57 Ich weiß nicht, wie das im Lager zuging, aber so äh dreiviertel Kübel, der, der auf einmal irgendwie gegessen werden..
00:04:07 Unter dieser Prominenz wird da irgendwo äh schon gewesen sein äh.., dass die gewusst haben, von wo es herkam.
00:04:18 Aber wie es, wie es dann äh zum Schluss ging, da.., da.., das ist dann..
00:04:23 Und der hat dann wahrscheinlich schon gedacht, also.. "Der, den krieg ich schon." Nicht? "Den krieg ich schon."
00:04:31 Und wenn die Geschichte mit dem Wetten kam.. Das ist ja alles so kurze Zeit nach diesem Geschehen im Lager gewesen. Also, es..
00:04:40 IV: Das kann so ein Zusammenhang gewesen sein.
00:04:42 CD: Ja, ja.
00:04:42 IV: Also Rache oder so. Ich gebe Ihnen einfach mal ein Neues. Das ist jetzt schon.. Ich nehme das auch noch einfach..
00:04:54 CD: Da musste, da musste.. Da kann man sich schon mal vorstellen, dass ich schon äh auf, auf diesen Moment schon äh
00:05:02 so ein, so ein alter Drauf.., Draufgänger war. Um sich sowas zu leisten, da musst du schon was im Kopf haben, ne?
00:05:12 IV: Und nach einiger Zeit sind Sie aber auch wieder von dem Waldkommando wieder weggekommen.
00:05:16 CD: Da bin ich ja.. ja.. na, an dem.. Was da, was da geschehen ist, wo ich na.. zum Block.. nach dem Appell zum Block kam, nicht?
00:05:26 Das, das waren ein paar Tage nach der Geschichte mit den Waldbeeren.
00:05:32 Das ist der Tag, wo, wo ich so verprügelt wurde, nicht? Da, da, da musste ich, da musste ich zum Revier.
00:05:38 Aber bevor ich zum Revier ging, bin ich zuerst nach dem Erich gewesen.
00:05:42 Denn wenn, wenn unsereiner zum Revier kam, der bekam nur ein bisschen Papier draufgeklebt und, und fertig, nicht? Also das war gar kein..
00:05:50 Aber ich habe den Erich gefragt und der Erich hat gesagt: "Ich gehe mit dir."
00:05:55 Und da bin ich so ein bisschen versorgt worden, wie, wie es an sich äh mit den Deutschen hätte äh gemacht werden.
00:06:04 Nicht? Richtiges äh äh Pflaster und, und äh De.., Desinfektionsmittel, so so.. Da.., das.. was fertig, alles gut.
00:06:13 Und am nächsten Morgen bin ich dann zum Leichenkommando. Da hat der Erich auch für gesorgt, dass ich war.
00:06:21 Ich war nicht mehr im Stande, noch die schweren Arbeiten oder Steinbruch noch durchzuführen in dem Zustand, wo ich da war.
00:06:29 Hatte wohl alles abgeschirmt, aber ich war kei.., kei.. jedenfalls so, so ganz durcheinander. Und hatte Weh an allen Ecken.
00:06:39 Und da habe ich dann drei Wochen im Lager.. im Lagerkommando.. du, du wurdest für alles eingesetzt, nicht?
00:06:47 Leichentragen, aber du, du wurdest ab und zu mal gerufen äh irgendwelche Arbeiten im Lager zu.. durchzuführen.
00:06:54 Das kam, das kam da schon. Aber drei Wochen sind wir dann da gewesen.
00:06:59 Da haben wir meistens die Leichen, die auf dem Appellplatz nach dem Appell lagen.. die haben wir dann zuerst zum Revier geschafft.
00:07:09 Im Revier haben die die, die Leiche äh alles abgenommen.
00:07:17 Und nachdem sie nackt waren, da haben wir die dann auf so einer Handbarre zu Fuß, zu Fuß zum Krematorium gebracht.
00:07:26 Da haben wir nur abgeladen und wieder zurück.
00:07:31 Zwischendurch äh hatte der Krematorium-Kapo, der hat uns dann da auch mal für, für äh, für die Koks-Zufuhr..
00:07:41 Da mussten wir dann da äh etwas abladen oder, oder aufladen. Da zwischendurch mussten wir dann auch für den was tun.
00:07:52 Und nach drei Wochen, nach drei Wochen, da ging's einigermaßen gut, da hat er dann für gesorgt, dass ich zum äh..
00:08:07 Zu Messerschmitt-Werke kam.
00:08:12 IV: Ich frage Sie jetzt einfach nochmal: Sie sind.. das war.. Wie war denn das? Ich meine, wenn man plötzlich so, so..
00:08:18 Tod gehört ja wahrscheinlich auch schon bald zum Alltag. Man sieht das. Aber wie ist das, wenn man plötzlich dann,
00:08:25 ja, selber drei Wochen lang jeden Tag zum Leichenkommando gehört. Wie war das für Sie? Was war das auch für ein Gefühl? Was war das für..
00:08:32 CD: Ja, also, die ersten, die ersten zwei, drei Tage, da ist man durcheinander.
00:08:39 Da, da hat man äh v.., von jedem einen, den, den man da aufnimmt äh äh ve.., versuchen ihn zu, zu, zu äh..
00:08:52 Wie soll ich sagen? Zu, zu.. nach.., nachzuleben, wie er dazu gekommen ist. Äh Alter nach und, und körper.., körperlicher Verfassung nach und so.
00:09:08 Da, da, da kümmert man sich noch irgendwie darum, um zu wissen, was ist ihm passiert, da.., dass, dass er da liegt und ich an sich ihn tragen muss.
00:09:17 Nicht? In diesem Sinne. Aber nach zwei, drei Tagen, da tut Ihnen das gar nichts mehr.
00:09:23 Das, das ist dann eine Alltagsarbeit äh.. die an sich noch, noch, noch gar nicht so schwer war.
00:09:32 Am meisten haben wir, haben wir nur einen aufgenommen. Ab und zu, wenn es ein bisschen viel war, da haben wir wohl zwei..
00:09:39 Aber im Großen und Ganzen.. die, die Körper da, die haben so was von, von 35, 40 Kilo gewogen. Mehr, mehr nicht.
00:09:48 Also mit zwei, mit zwei Mann war das an sich zu der Zeit noch zu schaffen. Das war an sich gar nicht so..
00:09:55 Aber diesen Eindruck mit, mit, mit Leichen so, so tagein, tagaus.. das, das geht dann einem an die Nerven.
00:10:05 Ne? Da kann man an sich äh jung, jung und kräftig sein, aber das geht einem an die Nerven. Da hast du den Eindruck:
00:10:13 Wann bist du an der Reihe? Ne? So ungefähr geht's durch den Kopf. Weil du jeden Tag die, die, die, die, die Leichen siehst. Nicht?
00:10:23 Dann, dann ver.., verfällst du in, in, in, in Gedankengänge, die, die an sich gar nicht, gar nicht so äh.. Wie soll ich sagen?
00:10:35 Mi.., mit Lust leben zu tun hat. Nicht? D.., du, du bist eher auf den negativen äh äh Seiten des Lebens dran.
00:10:46 IV: Ich meine.. Sie haben ja auch vorhin erzählt: "Am Anfang habe ich mir gedacht, hier komme ich nir.., nie wieder raus."
00:10:51 CD: Ja.
00:10:52 IV: Und wenn man das dann sieht, ist das ja an sich eine Bestätigung auch.
00:10:54 CD: Eine Bestätigung von dem, was am, am Laufen war, nicht?
00:11:00 IV: Waren denn die meisten Menschen.. was denken Sie.. an Hunger gestorben, an Schwäche? Oder auch an den Prügeln? Was denken Sie?
00:11:07 CD: Ja, die..
00:11:08 IV: Woran sind die Leute gestorben?
00:11:09 CD: Also die, die, die meisten sind äh.. Unterernährung. Unterernährung, Schwerarbeit und zusätzlich dann mit diesen äh
00:11:21 Misshandlungen, die dann da stattfanden, die automatisch zu, zu, zum Revier geschoben haben.
00:11:27 Und wer im Revier war, der, der hatte auch nur eine kürzere Zeit, be.., bevor er in den Totenbaracken.. die zwei Totenbaracken da waren.
00:11:36 Und der da rein kam, kam nie mehr raus. Nie, nie. Die Totenbaracken waren abgeschlossen, die Fenster wurden nie geöffnet.
00:11:45 Also das war wirklich ein, eine Totenbaracke. Ne? Da waren zwei Stück.
00:11:50 IV: Also das waren noch Art Krankenreviere, aber für die, die, wo man nichts mehr gemacht hat.
00:11:55 CD: Wo, ne, ne. Wo man nichts mehr für getan hat und äh die an sich.. Pf.. Wer weiß, wer weiß.
00:12:03 Wenn da irgendwo einer abgeschoben wurde in die Menge, da, da, da konnte man gar nicht äh so richtig sagen äh
00:12:11 weshalb, wofür ist er da und, und ein anderer nicht. Ne?
00:12:17 Aber Unterernährung, Schwerarbeit und Misshandlung. Das, das sind an sich die, die drei Faktoren, die fast für alle..
00:12:27 Und alleding.. vor allen Dingen äh Leute die, die Familie hatten.
00:12:34 Und die sich, die sich da abends noch über o.. Die haben sich untereinander noch unterhalten.
00:12:43 Äh haben das Ganze noch vor, vor, vor die Augen äh gehabt. Haben schlecht geschlafen, schlecht ausgeruht. Am nächsten Tag idem.
00:12:53 Und so ein, eine Ansammlung von, von schlaflosen Nächten, harter und schwerer Arbeit am Tag.
00:13:02 Da, das zusammen hat dann getaugt, da.., dass die schneller eingingen.. wie man sagt, als wie ein junger Bursche, der sagt:
00:13:12 "Also jetzt kümmere ich mich nur..", wie ich gemacht habe, "äh ob ich morgen was anschaffen kann. Äh wie ich morgen was anschaffen kann."
00:13:20 Und versuche damit, damit äh meine ganze Konzentration und Energie zu, zu, zu bewahren.
00:13:29 IV: Auf das Überleben aufzuwenden.
00:13:31 CD: Auf.. ja. Auf das Überleben, auf das Überleben.
00:13:34 Trotz das, was ich gesagt hatte. Aber da habe ich mich nur noch von Tag auf Tag was vorgenommen. Tag auf Tag.
00:13:44 IV: Es sind ja aber auch Menschen sozusagen auch "aktiv" getötet worden. Es gab Hinrichtungen, Menschen sind auch mal erschossen worden.
00:13:51 Es sind Leute wohl auch manchmal in den Draht gelaufen. Was haben Sie da gesehen in diesen 13 Monaten?
00:13:56 CD: Ja, im, im Draht, im Draht ist es meistens am Sonntag passiert. Am Sonntag..
00:14:03 Hat es ja auch welche, die sind freiwillig hinein, aber es ist auch von Kapos her und der SS auf den Wachtürmen..
00:14:12 Ist ja auch mitgeholfen worden, hier und da auch einen hinzutreiben.
00:14:17 Der an sich gar keine mehr.. gar, gar keine Ausflucht hatte, was, was anderes zu tun und sich zu verkriechen.
00:14:24 Nein, der saß zwischen zwei, drei Kapos äh.. Die, die, die von da oben zielten auf den. Und äh die, die sind dann regelrecht in diesen..
00:14:35 Und die haben dann den Stacheldraht ansetzen müssen, denn normalerweise, normalerweise am Sonntagnachmittag war der nicht angesetzt.
00:14:44 IV: Nicht unter Strom.
00:14:45 CD: Ja, der war nie unter Strom. Ne? Und äh an dem Tag.. Das sind alles so Sachen, wo.., womit ein Außenstehender, wie, wie ich war..
00:14:56 Und trotz dem ich schon mit der Sprache und so schon mehr Verbindung hatte als ein Franzose, eine Russe oder ein Pole.
00:15:02 Der.. mit dem.. mit, mit keiner reden konnte. Aber ich, ich bin nie dahinter gekommen, wie, was, wo, wann es diese Fälle immer gegeben hat.
00:15:13 Aber das, das hat in Hülle und Fülle. In Hülle und Fülle zu..
00:15:16 Es ist eine Zeit, bis, bis da die.., dieses Dekret von Himmler kam und hieß, also man soll jetzt krepieren durch Arbeit.
00:15:26 Nicht? Da, da, da, da hat's, da hat's weniger gegeben.
00:15:29 Aber hier in Flossenbürg hat es noch äh ei.., ein Jahr nach dem Dekret, da hat es noch immer äh.. war, war nichts, nichts geändert worden.
00:15:38 Also es blieb bei denen, wofür, weshalb. Das, das ist etwas, was wir, was wir nicht wussten.
00:15:46 Aber gesehen haben wir's, das Hängen. Da.., das Hängen ist, ist ja zu meiner Zeit.. zu meiner Zeit ist.. Es wurde jede 14 Tage mindestens einer gehängt.
00:16:01 Und da gab es zwei verschiedene, verschiedene Methoden. Einmal wurde nach dem Appell aus dem Bunker ein oder zwei herausgeholt.
00:16:15 Die kamen dann auf den Appellplatz. Da hat der Lagerführer Stäubchen.. da, da hat der dann da so ein, einen Schein von, von Berlin abgelesen.
00:16:25 Aber es hieß immer äh zu, zu, zu hängen.
00:16:30 Ich muss aber sagen, dass von all denjenigen, die da gehängt wurden, nie einer, der sich da äh erbärmlich benommen hat.
00:16:40 Nie einer. Die sind alle stramm.. Manch einer hat geschrien. In, in, in, in, in, sein, sein, seiner Sprache.. Der hat geschrien irgendwo etwas.
00:16:53 Aber die meisten gingen stur zum Galgen, als wie ein Erlösmittel.
00:17:01 Die hatten wahrscheinlich.. die da aus dem Bunker kamen..
00:17:04 Die hatten im Bunker wahrscheinlich schon so vieles hinter sich gebracht, dass die äh sich danach sehnten vielleicht, ans Ende zu kommen.
00:17:14 IV: Und, und alle mussten zuschauen? Das war öffentlich oder wie war das mit den Hinrichtungen?
00:17:19 CD: Das war, das war öffentlich. Die Hinrichtungen waren öffentlich und auch äh mit den Bock.. äh schlägen war auch öffentlich.
00:17:30 Passierte alles nach dem letzten Appell abends. Passierte alles..
00:17:34 Bevor man auseinander ging zum Block, wurde das Hängen und das Bestrafen mit den, mit den äh Bockschlägen da.
00:17:44 Das war alles nach dem Appell.. und musste jeder.. jeder musste da zuschauen.
00:17:52 Äh wenn einer schwach wurde und, und, und eine Träne fallen ließ und auffiel, der bekam dann noch mehr Schläge als wie der, der auf dem Bock war.
00:18:06 Also man musste dauernd, dauernd, mit allem, allem äh äh rechnen und, und Obacht geben und, und gar nichts merken lassen.
00:18:18 Ich habe, ich habe ein, ein, einen Kollegen, einen kleinen Polen, der bei mir im äh Steinbruch gearbeitet hat.
00:18:27 Da habe ich nie gewusst, dann das ist ja, wa.., wa.., was der, was der da, da, da ablas, da konnte man gar nicht so richtig verstehen, weshalb der da raus..
00:18:38 Aber der, der war schon ein paar Wochen mit mir und da waren wir am, am Lorenarbeiten.. Laden und Abladen und Verladen.
00:18:50 Und äh je, je nachdem.. Wir haben uns ein bisschen abgesprochen: Der hat aufgepasst und ich habe mich ausgeruht.
00:19:00 Und ich habe dann mal aufgepasst und er hat sich ausgeruht.
00:19:04 Also Kapo und SS.. Sobald irgendwo etwas sie bewogen hatte, dann hatte man den anderen, also..
00:19:14 Äh bei, bei diesem Zusammenhang, da, da, da wirst du schnell Freund und, und, und, und wie Brüder sozusagen, nicht?
00:19:22 Dann.. Der eine passt auf, auf das Wohlsein vom anderen.. Wenn man von "Wohlsein" reden kann in so, in so einem Fall.
00:19:29 Da passt der andere dafür auf. Und da wirst du an sich.. trotz wir uns mit der Sprache..
00:19:35 Aber der hat ein bisschen Deutsch gesprochen und ja ich kam auch zurecht. Äh viel Gesprä.., Gespräche haben wir gar nicht geführt.
00:19:44 Aber ma.., man fühlten, dass man sich auf den anderen verlassen konnte.
00:19:49 Und da ist eines Abends, wo wir zurück von der Arbeit kamen.. nach dem Appell.. wird ausgerufen und das ist so ein Fall.
00:19:59 Da kommt einer, der an sich gar nicht im Bunker war. Wofür? Der wurde auch nicht auf den Bock..
00:20:06 Der kam regelrecht aus dem Arbeitskommando und wurde von dort aufgerufen.
00:20:12 Dem hat man dann d.. äh die, die, die Ärmel ge.., geschnürt. Womit, weiß ich nicht, weil das waren keine Handschellen. Irgendwie fest.
00:20:22 Und der wurde gehängt in, in z.., alles in zehn Minuten. Ablesen, zum, zum, zum äh Galgen.. in.. alles in zehn Minuten war vorbei.
00:20:35 IV: Und er hat vorher nichts geahnt.
00:20:37 CD: Und der hat gar nichts geahnt. Gar nichts, gar nichts, gar nichts. Deswegen, da.., das ist.. eine Art von, von Tortur.. kann man sagen.
00:20:48 Eine Art Tortur, die von, von fast allen, die irgendwie mit dem Lagerleben mit.. äh, mitgelebt haben, irgendwie schon empfunden wurde, nicht?
00:21:00 Also äh das kann dir morgen passieren. Nicht? Das, was du jetzt äh mitmachst und, und siehst, das kann dir.
00:21:07 Der, der, der wusste auch nicht, wie.. der.. Noch im Lauf des Nachmittags haben wir noch ein paar Worte gewechselt.
00:21:13 Da, da hat der vo.., von gar nichts.. Hat sich.., ha.., war auch nicht so ängstlich.. von wegen, dass er irgendwo im Hinterkopf was hatte.
00:21:21 War nicht ängstlich.. gar nichts, gar nichts.
00:21:23 Und ich habe an sich nur gesehen, wo er vorbeimarschierte zum Galgen, dass er es war.
00:21:28 Die Nummer, die Nummer kannte ich äh auswendig sozusagen. Aber wenn die so schreien und du.. da, da, da hört man kaum, kaum Richtiges.
00:21:38 Nur beim Vorbeimarschieren. Ja und da habe ich, da habe ich dann gebetet.
00:21:48 Äh da habe ich an sämtliche Götter: "Tu was!"
00:22:00 Es ist aber nichts passiert. Und seitdem ist für mich die Religion abgeschafft.
00:22:13 Ja das sind so Momente, die, die, die an der Tagesordnung waren zu der Zeit, nicht?
00:22:20 Mir ist es so ergangen, aber anderen ist es noch schlimmer ergangen. Denn ich bin ja noch hier, nicht? Und andere sind nicht mehr da.
00:22:35 IV: Sie haben ja vorhin geschildert, genau das, was jetzt mit Ihnen passiert: Dass Sie Gefühle haben und Gefühle zeigen, war an sich verboten.
00:22:43 Man musste das ankucken und durfte nicht weinen, durfte nicht schreien.
00:22:47 CD: Nein, nein, nein.
00:22:50 IV: Äh das ist ja für mich..
00:22:51 CD: Nee, die, die haben, die haben..
00:22:52 IV: Auch wie eine Art von Folter, dass man das nicht darf. Wie war das gewesen, dass man nichts zeigen durfte?
00:22:56 Dass man nicht schwach sein durfte, dass man kein Mitgefühl haben durfte?
00:23:00 CD: Ja, aber das war nicht nur bei, bei diesen äh, bei diesen Auf.., Auftakten da. Sondern das, das war das tägliche Leben.
00:23:09 Man, man.. das tägliche Leben von morgens, wenn du aufgestanden bist äh.., bis du dich in deine Koje wieder reingelegt hast..
00:23:16 Äh hast du nie etwas zeigen dürfen.
00:23:21 Und noch weni.., weniger äh äh.. Wie soll ich sagen? Da, da, da irgendwie auf, auf Mit.., Mit.., Mitleid zu hoffen.
00:23:30 Das, das gab es nicht. Also die Leute waren so abgebrüht.
00:23:35 Die meisten, die schon längere Zeit da waren, ne? Die waren so abgebrüht, dass vom menschlichen Empfinden kaum noch die Rede sein konnte.
00:23:43 Kaum.
00:23:45 IV: Auch untereinander.
00:23:47 CD: Auch untereinander. Untereinander. Ich habe also.. die..
00:23:53 Es gab noch äh ein, eine, eine Klasse auch noch mal äh.. die, die Tschechen, die regelmäßig was bekamen.
00:24:04 Die haben sich schon unterhalten untereinander. Haben schon aus.., ausgewechselt, was die in ihren Paketen hatten.
00:24:11 So.. da gab's das schon. Ir.., irgendein, ein, eine freundschaftliche äh Zusammenarbeit.. wie, wie man sagen kann.
00:24:21 Unter denen.. aber nur unter denen, die im Stande waren, irgendwo etwas zu wechseln, das die regelmäßig bekamen.
00:24:31 Und äh da ist dann von menschlichen Gefühlen ab und zu.. konnte man hören, dass es da noch etwas gab.
00:24:40 Aber bei den anderen, die vor Hunger krepierten.. An dem Moment sind alle Gefühle.. die, die, die, die existieren nicht mehr.
00:24:52 Denn du hast nur, nur ein, eins im, im Gedanken, das ist.. also: "Wie kriege ich jetzt noch etwas zu fressen?"
00:25:00 Außer das, was ich bekomme.
00:25:04 Und da hört das, das Empfinden auf. An dem Moment äh, da hast, da hast du noch äh nur, nur noch einen Gedanken:
00:25:17 "Wie kann ich noch was bekommen?".
00:25:22 Und da bist du zu allem fähig. Zu allem fähig.
00:25:26 Nur nicht dein bisschen erbärmliches Leben einzusetzen. Das tust du nicht. Aber du hörst an sich alles auf.
00:25:51 IV: Wie kann man das hinterher wiedergewinnen, wenn man das überlebt hat? Wieder zu fühlen und..
00:25:58 CD: Ja, das, das braucht seine Zeit.. braucht seine Zeit. Also ich habe, ich habe äh schreiben wollen.
00:26:09 Ich war immer so.. in Schreibkunst und so.. war ich sehr, sehr gut. Und dann habe ich schreiben wollen. Habe ich..
00:26:17 Also.. ich bin in Sachsenhausen zum letzten gewesen, aber bei mir blieb nur die Geschichte von Flossenbürg im Kopf.
00:26:30 Da oben hatte ich äh sozusagen nie gelitten. Also, das, das bisschen was.. ab und zu mal ein Tritt und so was.
00:26:38 Das war alles gar nichts gegen das, was hier passierte.
00:26:42 Und da habe ich angefangen, so.. ich weiß nicht.. hatte ich 80, 80, 100 Seiten äh schon in ein paar Tagen zusammen.
00:26:54 Und da hat die Mutter den Arzt kommen lassen. Ich betrüge mich anormal, anormal.
00:27:02 Ich war dauernd äh im Lager, benahm mich ki.., ki.., kirre.
00:27:08 Und der ist gekommen und der hat gesagt: "Augustin, er, er muss weg hier, aber aufhören, vor allen Dingen aufhören mit seiner Geschichte."
00:27:20 Und da bin ich.. da habe ich damit aufgehört, habe alles weggeschmissen.
00:27:24 Und dann bin ich na.., nach Frankreich, nach der Schwester von meiner Mutter, die in Frankreich gewohnt hat, in der Umgebung von, von Nantes.
00:27:32 Und da bin ich da sechs Wochen geblieben. Und während der sechs Wochen hat sich alles normalisiert.
00:27:41 Aber es hat immerhin ein paar Monate.. hat's gebraucht.
00:27:48 IV: Und später gab's dann ja viele Jahre, wo sie nicht mehr darüber geredet haben, nicht?
00:27:52 CD: Ja, da habe ich äh, da habe ich überhaupt nicht mehr.. bis, bis '89. Bis '89.
00:28:04 IV: Und dann war so der Zeitpunkt, wo sie gedacht haben, jetzt..
00:28:07 CD: Ja, da war ich.. also '89, da.. mit 67 habe ich aufgehört zu arbeiten.
00:28:17 Also zwei Jahre nach, nach meinem Aufhören, ne? Wo ich in die Rente gegangen bin. Zwei Jahre danach.
00:28:25 Da habe ich, da habe ich dann angefangen. Aber auch zufälligerweise.
00:28:34 Da hat es eine Ausstellung gegeben in meiner Umgebung.. eine Ausstellung gegeben von Sachsenhausen.
00:28:45 Und da habe ich meiner Frau Nelly.. da habe ich gesagt: "Komm, wir gehen jetzt mal hin, vielleicht treffen wir da einen von denen da oben."
00:28:55 Das alles nur so, nur einfach so, also.. Vorher war gar nichts mehr und dann äh hatte ich auch mehr Zeit.
00:29:04 Und da war's mit der Arbeit äh getan und so. Und äh ich sage: "Da gehen wir dahin." Und dann äh äh..
00:29:14 Haben wir da die Tochter vom äh Direktor vom Grenzecho kennengelernt.
00:29:20 Und der Direktor vom Grenzecho, Henri Michel, der war fünf Jahre in Sachsenhausen. Und äh der war schon verstorben unterdessen.
00:29:29 Aber der hat ein paar Bücher geschrieben, da habe ich dann von ihr ein paar Bücher bekommen.
00:29:35 Und die hat mir dann gesagt, also: "Es wäre vielleicht an der Zeit, dass du dich auch mal um das, was die, die nicht das Glück hatten äh,
00:29:46 da raus zu kommen, äh dass man an die denkt und äh für die etwas versucht zu schaffen."
00:29:57 Die Gedenkstätte, das war an sich das, was in äh, in äh Sachsenhausen schon alles so weit war.
00:30:09 Und da bin ich dann einmal hierher gekommen und hier war an sich alles noch zu tun.
00:30:18 IV: Und dann haben Sie angefangen, mit das zu unterstützen und aufzubauen.
00:30:20 CD: Und da habe ich damit angefangen, ja. Und auch in Belgien, die, die, den Freundeskreis da wiederaufzubauen.
00:30:28 Denn der lief da alles ein bisschen kreuz und quer: der eine kam, der andere ging nie.
00:30:33 Und äh das alles äh bisschen äh.. dass wir an sich in kürzester Zeit.. in ein paar Jahren Zeit dann..
00:30:41 Da hat es sich schon gelohnt.. nachdem äh die, die Sache von Alcatel fertig war, da hat es sich schon gelohnt.
00:30:49 Wo der Platz frei war und die Zukunft an sich..
00:30:55 Bei dem Fachbeirat äh hatte man schon Idee so, wie und was g.. gemacht werden konnte.. geleistet werden konnte. Und das war der Anfang.
00:31:07 Und solange, bis das Ding hier klar ist.. ich denke, in 2009.. Bis dahin sind wir noch immer dabei.
00:31:18 IV: Ja, sind Sie dabei.
00:31:19 CD: Ja.
00:31:20 IV: Ich habe jetzt gerade noch.. Sie haben ja gerade eben noch mal so gesagt, also.. Dann ging es nach Sachsenhausen.
00:31:25 Aber immer, an sich, wenn Sie dann daran denken, das Schlimmste von allem war Flossenbürg.
00:31:32 Was war für Sie das Schlimmste in diesen 13 Monaten?
00:31:38 CD: Ja, das Schlimmste.. Also das Hängen von meinem Kollegen war schon schlimm. Ist eine ganz andere Angelegenheit.
00:31:47 Die Knüppelei von, von, von den äh Kapo vom äh Waldkommando..
00:31:53 Das war an sich die, die, die heftigsten Schläge in der kürzesten Zeit, das ich da zu ertragen hatte.
00:32:02 Und dann die Zeit, wo ich gelernt habe, mich im, im Lager so, als wie ein alter Häftling zu benehmen.
00:32:11 Nicht arbeiten wollen.. wenn anders geht, wenn es anders geht.
00:32:21 Also.. man, man braucht eine Zeit, man braucht eine Zeit, sich als Häftling zu benehmen.
00:32:27 Denn die Arbeit muss.. und sonst noch und so, und so weiter. Aber man braucht eine Zeit, sich das anzugewöhnen.
00:32:36 Und dann genau wie die, wie die Alten.. D.. die.. du bekamst die gleichen Schläge. Also weshalb dich noch anstrengen und dich müde machen.
00:32:46 Das.. aber da braucht man eine Zeit für, das geht nicht von heute auf morgen.
00:32:50 Und da, wo ich zum ersten Mal da geknüppelt wurde für, für, für das Beste, was ich hergebe. Das war ...
00:33:03 IV: Also man musste praktisch sich so verändern, um zu über.., zu überleben.
00:33:05 CM: Band wechseln.
00:33:06 CD: Man musste.. Der, der nicht..