Media Collection "Interview Michal Salomonovic 2005"

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Originator/Copyright holder Medienwerkstatt Franken
Source(s) KZ-Gedenkstätte Flossenbürg / Medienwerkstatt Franken
Usage conditions Nur mit Einverständnis und Nennung von Archiv bzw. Urheber
Display format Interview, Rohmaterial
Interviewer Michael Aue
Camera Günter Wittmann

Subtitles for "AGFl_AV.22.0674.mp4"

00:00:00 MS: Da haben sie sie in, in, ähm, ein Lager.
00:00:02 IV: In Lager.
00:00:03 MS: In Lager nach Sibirien geschickt, aber die meisten kamen dann in die Armee, in die, in die tschechische Armee, denn es waren Ostrauer Juden.
00:00:13 IV: Ja.
00:00:15 MS: Und die kamen in die, in die tschechische Armee.
00:00:18 Und dann kamen sie teilweise N.., äh, zum Nahen Osten und teilweise zurück mit der Rote Armee, man...
00:00:27 IV: Gut, ja, dann fangen wir {unverständlich}.
00:00:29 MS: Ja, fangen wir an.
00:00:30 IV: Wir haben ja schon, Sie haben ja ein bisschen zugehört wie Ihr Bruder...
00:00:31 MS: Ja.
00:00:32 IV: So aus seiner noch viel jüngeren kindlichen...
00:00:34 MS: Ja.
00:00:35 IV: Warte diesen Weg geschildert hat.
00:00:37 Äh, Sie waren ja fünf Jahre älter als Ihr Bruder.
00:00:42 MS: Ich, ich war älter, aber ich hab' einen Vater, ich hab's schon vorher gesagt, ich merk' mir sehr wenig.
00:00:49 Ich habe eine Sklerose, vielleicht ist das ein Vorteil von den schlimmen Jahren, weiß ich nicht viel.
00:00:55 Ich erzähl' davon auch nicht sehr gerne, aber wenn man, wenn jemand etwas wissen will, vor allem jüngere Leute oder Studenten, dann bin ich bereit es zu erzählen.
00:01:09 Damit sie wissen, dass es wirklich so war und dass es schlimm war.
00:01:14 Und dass es nicht, dass es sollte sich nicht wiederholen.
00:01:18 Damit es sich nicht wiederholt we.., we.., ist es gut, dass man weiß wie, wie der Anfang war.
00:01:25 Denn der Anfang war so, dass man gesagt hat, also wir wollen, dass ihr gut, äh, leben könnt, aber nicht hier in diesem Land.
00:01:35 Sondern in einem anderen Land.
00:01:38 Wir liefern die Juden nach Osten.
00:01:40 Und das war auch das, der Grund v.., warum der Eichmann einen K.., einen Konzentrationslager vorbereitet hat in Nisko, in Polen.
00:01:49 Und dort, von dort hat man die jüdische Männer aus Ostrau genommen als Aufbaukommando.
00:01:57 Aber sie mussten alles mitnehmen.
00:02:00 Also Pflege, Küche, Ärzte, und sie haben das Lager, äh, dort in Nisko im Jahre '39 gebaut.
00:02:09 Und dann haben sie das Lager liquidiert.
00:02:13 Ein Teil der Männer wurde nach Russland gejagt und ein Teil wurde eine Bewilligung bekommen, dass sie zurückkommen können.
00:02:23 Die Ostrauer Behörden wollten, dass Ostrau judenrein womöglich bald ist.
00:02:31 Und da hat man uns gesagt, also in Prag wird es viel besser sein.
00:02:35 Aber wir dürften ja nicht mit dem Zug fahren, d.., mussten wir illegal, wir hatten keine Bewilligung von der Gestapo bekommen.
00:02:43 Da mussten wir illegal über Dörfer nach Prag, dann hat man, man hat uns gesagt, also in Prag wird es viel besser sein.
00:02:52 Hier sind die Behörden nicht sehr, wie sagt man das, nicht sehr brav, in Prag werden sie dies, Prag ist die Hauptstadt.
00:03:03 Dort werden alle Synagogen bleiben, in Ostrau wurden alle Synagogen verbrannt.
00:03:09 Man hat gesagt, also die Leute wollen es vernichten und sie wollen nicht die Juden hier haben.
00:03:15 Man hat gesagt, die Bevölkerung will es nicht.
00:03:18 Es war vor allem die deutsche Propaganda und die SS oder die Gestapo hat es ge.., organisiert.
00:03:26 Auch den Brand von den Synagogen.
00:03:29 Da sind wir nach Prag.
00:03:30 Dort waren wir noch ohne den Vater.
00:03:32 Aber der V.., Vater kam von Nisko zurück.
00:03:35 Und er wusste, dass wir in Prag sind und da waren wir in Prag.
00:03:39 Aber in Prag wurde es wieder so, die jüdische Kultusgemeinde war beauftragt Transporte zu vorbereiten.
00:03:49 Und wir, das waren die erste fünf Transporte, die von Prag mit Juden immer für rund tausend Leute, äh, von Prag nach, äh, Lotsch, Litzmannstadt geliefert wurden.
00:04:06 Und von dort sind wir noch mit normalen Waggons, wie ich vorher gesagt habe, gefahren.
00:04:12 Und da mussten wir nur 50 Kilo mitnehmen, alles andere abgeben.
00:04:19 Auch die Wohnungen abgeben.
00:04:21 Und da kamen wir, äh, im Zug hat man uns noch gesagt, was wir machen sollen.
00:04:27 Dass wir Schuhe putzen müssen, dass wir sauber sein sollen, dass wir brav sein sollen.
00:04:33 Wenn wir ausgestiegen sind war bis zu den Knien Kot.
00:04:38 Aber die Schuhe waren geputzt.
00:04:42 Und da kamen wir ins, äh, Ghetto.
00:04:46 In Litzmannstadt und dort waren wieder, das hat man so organisiert, dass wir in, in einen, zu einem Kontakt mit der SS nicht, äh, gekommen sind.
00:04:58 Das hat der Judenrat und der älteste der Juden war Chaim Rumkowski und der wollte beweisen, dass das Ghetto nutzbar ist.
00:05:07 Und dass es, äh, gut ist, wenn man, wenn jeder arbeitet.
00:05:11 Die Losung "Arbeit macht frei", sie war schon dort, äh, organisiert.
00:05:18 Und da hat man jeden, der arbeiten konnte, in verschiedene Fabriken oder Werkstätte gebracht.
00:05:27 Und dort hat man mehr Essen bekommen.
00:05:29 Das, es waren in, im Ghetto waren es Karten, also Lebensmittelkarten und auch Ghettogeld.
00:05:36 Man hat also verdient.
00:05:38 Aber man konnte dafür nichts, viel kaufen.
00:05:41 Und da hat mich der Vater auch in das Werk gebracht und ich hab' als Schlosserlehrling dort gearbeitet.
00:05:48 Und man hat sich bemüht, also die, der Judenrat hat sich bemüht, das Ghetto zu erhalten.
00:05:55 Aber auch die deutsche Behörden wollten, dass man die Arbeitskräfte und die, die Potential f.., für die Wehrmacht womöglichst gut ausnützen darf.
00:06:07 Und dadurch haben sie gesagt, also der, wer arbeiten wird, wird eine Möglichkeit haben, dass die ganze Familie zusammenbleibt.
00:06:16 Und das war vor allem die, äh, der, die Abfabriken.
00:06:23 Die für die, äh, Rüstungs.., äh...
00:06:27 IV: Industrie.
00:06:27 MS: Industrie, etwas vorbereitet hat oder gemacht hat.
00:06:31 Und da war mein Vat.., mein Vater war ein Ingenieur, ein guter Ingenieur, er hat, äh, s.., auch teilweise in Deutschland studiert.
00:06:40 In der Schweiz und da war, äh, sehr gut daran und der hat, mich musste er nicht verstecken.
00:06:49 Aber den Bruder, äh, den musste man verstecken.
00:06:52 Denn der hat nicht gearbeitet, der war ein Kind.
00:06:56 Und die Mutter hat auch gearbeitet.
00:06:58 Und da hatten wir eine Suppe mehr bekommen.
00:07:02 Aber es war, so und so war sehr viel Hunger, Durst, Kälte, aber im Ghetto war es noch zum... es war nicht zum Leben, aber es war nicht auch zum S.., Sterben.
00:07:15 Also, wir haben so gearbeitet, dass wir noch arbeiten konnten, die Arbeitszeit war viel länger.
00:07:21 Man hat, äh, jeden Tag gearbeitet.
00:07:25 Jeden Tag eine Suppe bekommen und dadurch hat man das überlebt.
00:07:29 Aber später war es so, dass man die Kinder vom Ghetto weggenommen hat und die alte Leute w.., weggenommen hat.
00:07:36 Und da war es, man hat gesagt, also im Ghetto sind es keine Arbeitslose, alle arbeiten.
00:07:44 Und das wollten auch die deutsche Behörden also beweisen, dass sie irgendwie sehr notwendig für die Wehrmacht sind.
00:07:52 Und da haben sie uns immer als eine ganze Gruppe für den, für den Metallressort, das war dann der Ressort, der für die Rüstung gearbeitet hat, zusammengelassen.
00:08:03 Und da haben sie gesagt, also die Familien, bleiben zusammen, wenn ihr gute Ergebnisse in der Arbeit haben wird.
00:08:11 Und der Vater hat das geglaubt, denn er hat den Deutschen sehr geglaubt.
00:08:17 Und da hat er uns in, ins Metallab.., in die Metallabteilung, Metallressort heißt es, hereingeschrieben.
00:08:28 IV: Auch die Mutter?
00:08:29 MS: Auch die Mutter.
00:08:31 Und dadurch sind wir mit der ganze Familie auch über Auschwitz gegangen.
00:08:35 Denn normalerweise war es in Auschwitz so, dass man die Frauen und Männer immer getrennt hat.
00:08:43 Und die Kinder und die ältere Leute gingen gleich in die Gaskammer.
00:08:47 Und wir gingen in die Duschen, also wir müssten die Kleider wieder abgeben.
00:08:52 Bekamen neue Kleidung, nur der Bruder hat keine gehabt.
00:08:57 Aber sie haben es irgendwie durchgesetzt, dass unsere Famil.., dass die Familien...
00:09:02 Das waren meistens Polen, polnische Juden oder deutsche Juden oder tschechische Juden.
00:09:08 Die dort gearbeitet haben.
00:09:10 Und die blieben, äh, zusammen, d.h. es waren die Frauen getrennt und die Männer getrennt.
00:09:17 Dort waren wir, in Auschwitz waren wir sehr kurz und sie haben es reklamiert.
00:09:21 Sie wollten gleich, dass wir gleich wieder arbeiten.
00:09:24 Ein Teil von den, von den Meisters und, und von dem Leuten waren, äh, zurück nach Lotsch geschickt.
00:09:31 Und sie haben die Maschinen in die Kisten gepackt.
00:09:34 Und zuerst haben sie gesagt, also wir werden in Posen arbeiten.
00:09:38 Aber dann kam die russische Front schon näher.
00:09:40 Und da haben sie gesagt also, nein, das wird in Dresden sein.
00:09:43 Und die Zeit haben wir im Konzentrationslager Stutthof, äh, übergelebt sozusagen.
00:09:51 Aber es war so, wie ich gesagt hab', also der Vater hat den, den Deutschen sehr g.., er sagte die, die Deutschen sind korrekt.
00:10:01 Äh, sie sind keine Verbrecher.
00:10:03 Und damals in Stutthof kam es dazu, dass sie gesagt hatten, also wer fühlt sich, äh, schlecht oder wer fühlt sich nicht ganz in Ordnung, kann in die K.., Krankenstube kommen.
00:10:16 Wir haben von Bayern, äh, Aspirin bekommen.
00:10:20 Und der Vater war schon schwach und hat gesagt:
00:10:23 "Also ich bin irgendwie verkältet, ich geh' hin."
00:10:26 Ist hingegangen, aber dort haben sie ihm eine Spritze gegeben und er wurde getötet.
00:10:32 Und das war, für mich war das eine Katastrophe.
00:10:36 Aber später wurden wir wieder als eine ganze Gruppe nach Dresden geliefert.
00:10:46 Und das war schon, äh, von Auschwitz nach Stutthof waren es schon Viehwaggons.
00:10:50 Die Viehwaggons waren für fünfzehn, äh, äh, Vieh, äh, also für fünfzehn Pferde.
00:10:59 Aber es waren immer fünfzig Leute hereingeschoben.
00:11:03 Damit man weiß, wie viel, äh, manche sind im unterwegs gestorben.
00:11:09 Man hat wieder gezählt.
00:11:10 Ob niemand weggelaufen ist vom, vom Waggon.
00:11:14 Es, es ging nicht, es war, die Fenster waren zu mit Stacheldraht.
00:11:18 Na, und dann sind wir nach Dresden gekommen.
00:11:22 Und im Dresden war es wieder so, dass die Familien zusammenbleiben konnten.
00:11:29 Und der Bruder und ich war mit den Frauen und, also mich hat die Mutter wieder von den Männern weggenommen.
00:11:38 Und da hat uns der Schreiber aufgeschrieben, also ich bin ein Michaela und der Bruder ist eine Josefa.
00:11:45 Auf der Liste, die dort, äh, von Stutthof nach Flossenbürg, äh, äh, gegangen ist.
00:11:54 Und dann sind wir.. und dann hat man zugeschreiben Kind f.., für den Bruder.
00:11:59 Aber in Dresden hab' ich wieder gearbeitet.
00:12:01 Dann kam es zum Luftangriff.
00:12:04 Da waren wir noch kurz zur Arbeiten, zum Aufräumen.
00:12:10 Denn die Straßen waren voll Trümmer und Ziegeln und, und Leichen.
00:12:15 Und dann sind wir über, äh, en.., en.., entlang der Elbe nach Pirna, nach Zwodau.
00:12:24 Immer in, in ein Lager, aber später sind wir auf dem Todesmarsch schon ohne Lager gegangen, da waren wir in eine Sch.., Scheune.
00:12:34 Ich erinner' mich, einmal waren wir in einem, in einer Fabrik für Ziegel, dort war ein Ofen, das war warm.
00:12:41 Das war ein großer Vorteil.
00:12:44 Äh, eine zweite Nacht waren wir in, in einer Fabriksäge und dort war ein, eine Kammer für, äh, für, für das Holz.
00:12:56 Wo man das Holz irgendwie gewärmt hat, damit es nicht, kein Wasser hat.
00:13:02 Und ich wollte nicht herein.
00:13:04 Ich sagte, ich will in die Gaskammer nicht, das war nur so ein kleines Loch.
00:13:08 Und da haben sie mich überzeugt, dass es keine Gaskammer ist.
00:13:11 Dass es eine Kammer für Holz ist.
00:13:14 IV: Sie haben damals schon gewusst, dass es Gaskammern gab?
00:13:17 MS: Ja, sicher, in Auschwitz hat man uns gesagt, also der einzige Weg von hier ist über die Gaskammer ins Krematorium.
00:13:26 Herauf haben sie gesagt immer, wohin können wir gehen.
00:13:29 Aber da wir ein Arbeits.., e.., eine Arbeitsgruppe waren, hab.., haben wir irgendwie, äh, geschwitzt.
00:13:37 Wenn jemand gestorben ist zum Beispiel, wenn, wenn jemand krank war oder so gingen sie ins Lager.
00:13:43 Und haben gefragt, also sie haben immer gefragt, wer ist gestorben, ein Schlosser.
00:13:48 Da gingen sie ins Lager und haben gerufen, also es waren, ich weiß nicht, in der Baracke, in der Nebenbaracke waren fünfhundert Leute.
00:13:55 Und da hat der Barackenchef oder der Kapo gesagt: "Wer ist hier ein, ein Schlosser?"
00:14:01 Und es haben sich immer zehn gemeldet.
00:14:04 Denn in Auschwitz war es und in Stutthof war es sehr schlimm, nicht wahr.
00:14:08 Und da haben sie einen, der noch fähig war, mitgenommen und der ist zu, zu dem T.., Transport dann zugeteilt.
00:14:16 Und dadurch wurde es so, dass immer die Gruppe komplett war.
00:14:22 Und sie konnte dann produzieren.
00:14:25 Aber auch die Frauen waren irgendwie beschäftigt.
00:14:28 Und sie hatten ihre, ihre Aufgaben gehabt.
00:14:31 Also, Aufräumerinnen oder, oder, oder Hilfsarbeiten oder Transportarbeiten.
00:14:38 Und ich war im Lotsch, war ich in Metallabteilung.
00:14:42 Da habe ich Nadeln repariert.
00:14:44 Und in Dresden hab' ich, hab' ich auf einer Fräse gearbeitet.
00:14:48 Da hat man von Stab so, solche Stücke ge.., äh, mit einer Säge, mit einer Fräsesäge gemacht.
00:14:59 Und das war für die Dum-Dum-Patronen.
00:15:01 Und man hat uns immer gesagt, wenn ihr arbeiten werdet, dann könnt ihr überleben.
00:15:07 Wer nicht arbeiten wird, wird gleich erschossen.
00:15:10 IV: Sie haben das ja sozusagen mit Ihrem Vater erleben müssen.
00:15:16 Äh, war das sozusagen da die Methode, sind alle, die an diesem Tag auf diese Krankenstube gegangen sind, sind die alle dann getötet worden?
00:15:23 MS: Meistens war es so, die, äh, die Nazis haben es so gemacht, dass man, äh, das war der Plan, ent.., äh, äh, Vernichtung durch Arbeit.
00:15:35 Also, wer schon schwach war und wer nicht arbeiten konnte, wurde liquidiert, wie Sie sagen.
00:15:43 Die Aussprache die, die sie verwendet haben, die war sehr, nicht geheim.
00:15:50 Wir hatten, also alle Juden waren RU, das war "Rückkehr Unerwünscht".
00:15:55 Und der, der etwas gemacht hat, war als, äh, auch, auch irgendwo, äh, mit einem Nummer oder mit einem Zettel oder mit einem als Unfähiger oder als Saboteur.
00:16:16 Und die waren alles, immer ausgetauscht, das heißt immer getötet und ein anderer wurde zugebracht.
00:16:24 Aber die, äh, Fabrik.., äh, Führung hat sich sehr bemüht, dass sie gut produziert, billig produziert und s.., eine, eine gute Ergebnisse hat.
00:16:41 Und dadurch blieben sie auch nicht, äh, äh, in die, in die Wehrmacht und die sie konnten als Zivilangestellte dort bleiben.
00:16:50 Aber die B.., Bewachung war immer über die SS.
00:16:54 Nur zum Ende hin, wie wir den Marsch gegangen, äh, gegangen sind, dann wollten die SS schon weg und sie wollten auch, äh, irgendwie sich retten.
00:17:04 Und da haben sie uns womöglichst schnell nach Westen, nach Westen heruntergeführt.
00:17:13 Und sie wollten womöglich bald auch irgendwie verschwinden.
00:17:19 Und dadurch, dass wir gegangen sind und wir, es war ein Flugangriff...
00:17:26 Da war das Pf.., erstens das Töt.., das Pferd getötet und am zweiten Tag wieder ein Flugangriff.
00:17:33 Und beim Flugangriff w.., äh, sagten sie immer, also, geht schnell in den Graben neben de.., der Straße nicht wahr.
00:17:41 Und wir waren damals, waren wir z.., zum Schluss des Transports (???) und wer nicht konnte der wurde erschossen und blieb im Graben.
00:17:53 Aber beim Flugangriff blieben wir auch im Graben und die SS haben die Leute weiter gejagt und wir blei.., blieben liegen und dadurch sind wir liegend weggelaufen.
00:18:08 So gesagt.
00:18:09 IV: Also man hat Sie nicht mehr bemerkt, Sie sind.. (???)
00:18:11 MS: Man hat es hier, wir, wir, wir, die Mutter hat uns gesagt: "Wir, bleibt schon hier, bleibt ruhig, bleibt liegen."
00:18:17 Und die: "Schnell, schnell, los, los, weiter, weiter", und wir blieben liegen, zumindest sie dachten, wir sind tot oder...
00:18:24 Sie haben, äh, zum Schluss haben sie keine Zählappells gemacht.
00:18:29 Sie haben immer nur gezählt, wie viel Leute in der Nacht, äh, äh, äh, zum Beispiel in der Zfi.., Ziegelfabrik haben sie uns gezählt.
00:18:37 "Seid ihr alle", un.., also wie viel Tote so und so viel Tote.
00:18:41 Aber dadurch, dass sie die Leute schon unterwegs getötet haben und schon keine Evidenz gehabt haben, da wussten sie nicht, wie viel Leute es weiter gehen.
00:18:51 Und weil wir schon in der, äh, im Protektorat, äh, blieben, da hat die Mutter immer gefragt, die Mutter war perfekt in Deutsch.
00:18:59 Aber sie hatten auch, äh, Straf.., äh, Kleider gehabt.
00:19:05 Also, sie musste eine Decke haben.
00:19:06 Und hat sie auch die Deutschen gefragt, also wohin, wir sind aus Dresden bombardiert.
00:19:13 Wir sind sehr arm, wir sahen schrecklich aus.
00:19:16 Und da haben sie uns und helfen (???):
00:19:18 "Dorthin müsst ihr gehen", äh, die Amerikaner oder die Russen kommen von dieser Seite, da sind wir immer in, in der Fah.., in der andere Richtung gegangen.
00:19:27 Und wir gingen durch den Wald und so haben wir uns gerettet.
00:19:33 IV: Ich möchte nochmal gerne so ein bisschen auch auf die Anfänge, Sie waren, als Sie dann angefangen haben zu arbeiten in Litzmannstadt, waren Sie acht Jahre alt...
00:19:44 MS: Ja.
00:19:44 IV: Wahrscheinlich, gab es denn viele andere sozusagen... das sind, mit acht Jahren ist man auch noch Kind, gab's denn viele Kinder, die da schon gearbeitet haben?
00:19:51 MS: Ja, ja, es, es waren sehr viele Kinder.
00:19:53 Es waren keine Schule.
00:19:55 K.., in, im Ghetto hat man die Kinder, äh, immer ein Jahr gelassen und dann hat man sie liquidiert, also man hat eine Sperre gemacht.
00:20:05 Niemand durfte auf die Straße.
00:20:06 Die Kinder hat man gesammelt.
00:20:08 Und mit den alten Leuten und sie, sie weggeschickt und auf, ins Vernichtungslager.
00:20:14 Meistens Auschwitz, Sobibor, Treblinka.
00:20:19 Und die, die noch, gearbeitet haben, die blieben.
00:20:24 Und wir haben, es sind Bilder davon als, ich war als Schlosserlehrling dort und hab' gearbeitet.
00:20:33 IV: Und es gab auch viele andere so junge Lehrlinge, die...
00:20:36 MS: Ja, ja.
00:20:37 IV: Wo die Familien, das wussten und...
00:20:37 MS: Ja, ja, ja.
00:20:38 IV: Und die hat gesagt, wenn unser Kind arbeiten kann...
00:20:39 MS: Arbeitet kann...
00:20:40 IV: Dann ist es sicher.
00:20:41 MS: Dann ist es, ja, also fast sicher, ja.
00:20:46 Aber wenn, äh, wenn ein Kind auf der Straße war, da haben sie es auch mitgenommen.
00:20:51 Die f.., führende Firmen haben dafür aufgepasst, dass ihre Familien zusammenbleiben.
00:21:03 Denn das war ein größter Vorteil für diejenige, die gearbeitet haben, dass die Familie zusammenblieb.
00:21:12 Sonst haben sie immer die Familien getrennt.
00:21:14 Und nicht gefragt, wer, es gab ja in, in Auschwitz war es meistens so, man hat gesagt:
00:21:21 "Also willst du mit dem Kind gehen, da gehst du auch mit links."
00:21:23 Und das war in die Gaskammer.
00:21:26 "Willst du mit dem alte Mutter gehen, auch links."
00:21:30 IV: Ihr Bruder hat ja erzählt, er war an sich noch so klein, dass er diese Bedrohung und die Gefahr nicht wirklich gespürt hat.
00:21:40 Den Hunger hat er gespürt und die Schmerzen.
00:21:42 MS: Ja.
00:21:43 IV: Aber diese Gefaha.., Gefahr und Bedrohung nicht so.
00:21:45 Sie waren (???)
00:21:46 MS: Ich hab' sie sehr, ich hab' sie sehr gefühlt.
00:21:48 Und ich f.., hab' sich sehr gefürchtet, und war sehr brav.
00:21:54 Und wollte alles erfüllen, was die Mutter oder der Vater gesagt hat.
00:21:59 Und dadurch haben wir es auch überlebt.
00:22:04 IV: Haben Sie denn so was wie Angst oder so dann schon gespürt oder Sie, ich denk', Sie haben ja auch mehr schon gesehen, was ringsrum passiert.
00:22:12 MS: Eigentlich weiß ich nicht, ich hab' alles vergessen.
00:22:15 Also, ich, die, die schlimme Sachen...
00:22:17 Also, ich hab' immer Hunger gehabt.
00:22:18 Ich hab' immer Durst gehabt.
00:22:19 Ich war immer, es war immer kalt.
00:22:22 Ich hab' die (???), aber ich musste mich immer, äh, anpassen.
00:22:27 Also, bereit sein, das zu tun, was, was man verlangt hat.
00:22:32 Obwohl dort viele Leute waren, die gesagt haben, also jetzt heute arbeiten wir nicht.
00:22:40 Und hat man ihn genommen und hat man ihm (???) erschossen.
00:22:44 Oder wenn jemand gesagt die, die:
00:22:48 "Heute haben wir nichts zu essen bekommen", hat man dasselbe gemacht.
00:22:51 Also, man hat ihm genommen... aber zum Schluss in Dresden war es schon besser.
00:22:55 Denn nach dem Bombardement haben auch die SS und die Aufseherinnen oder die Aufseher gesehen, dass es zum Schluss kommen kann.
00:23:05 Aber es waren, man kann nicht sagen, Idioten.
00:23:09 Es waren so, die Nazis waren auch gegen den Deutschen.
00:23:14 Wenn jemand jemanden von den Häftlingen geholfen hat, hat man ihm auch entweder ent.., ge.., erschossen oder zum Gericht gebracht.
00:23:23 Und das Gericht war, es war nur ein Urteil, Todesurteil.
00:23:29 IV: Haben Sie denn jemals so in Ihrem...

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00:00:00 IV: Sie hatten gerade, als wir noch im Gespräch waren, erzählt, dass auch die Deutschen, die jemand geholfen haben...
00:00:06 Dass die auch gefährdet waren, dass die auch bestraft wurden, erschossen worden sind.
00:00:10 MS: Ja.
00:00:10 IV: Oder verurteilt, zum Tode verurteilt.
00:00:11 MS: Ja, ja.
00:00:12 IV: Haben Sie in der ganzen Zeit, wo Sie mit Ihrer Familie auf dieser Odyssee waren...
00:00:16 Haben Sie denn mal erlebt, dass Ihnen Deutsche geholfen haben in der Zeit?
00:00:20 MS: Ja, ich glaube doch, äh, zum Beispiel bei der Arbeit wollten die Deutschen, dass wir gut arbeiten.
00:00:25 Und haben sie uns geholfen, wie man das machen soll, wie man das besser machen soll.
00:00:29 Manchmal haben sie die geprügelt, manchmal haben sie geholfen.
00:00:33 Aber meistens war es so, dass, äh, es, wir kamen i.., in den direkten Kontakt mit den SS nicht.
00:00:42 Wer in den direkten Kontakt kam, der war getötet.
00:00:46 Und da waren Meister oder, oder V.., Vorarbeiter oder so etwas, das waren meistens Juden.
00:00:53 Oder deutsche Zivilarbeiter.
00:00:56 Oder waren es, äh, Arbeiter, die aus anderen Ländern gekommen sind, zum Beispiel Holländer.
00:01:02 Und die haben uns geholfen, denn wir konnten, äh, nach Dresden konnten wir illegal auch ein Paket bekommen.
00:01:10 Und das hat uns die Tante aus, aus Ostrau geschickt, das hat sie den Holländern geschickt.
00:01:19 Aber die waren auch arm oder sie, sie hatten auch nicht viel, äh, zu essen, aber sie waren viel besser daran, denn sie waren in, in der, in der Reihe, äh...
00:01:32 IV: In der Hierarchie.
00:01:33 MS: In der Hierarchie viel höher als wir.
00:01:36 Sie waren nicht als, al.., sie waren als Arbeiter dort, als Zwangsarbeiter.
00:01:43 Aber nicht als Häftlinge.
00:01:45 Und die Tante hat ihnen immer etwas Tabak geliefert.
00:01:50 Und der war ein Raucher und hatte uns zwei-, oder dreimal ein Paket haben wir bekommen und hat uns das gegeben, also der hat uns zum Beispiel sehr geholfen.
00:01:59 Denn es war auch Hunger in, in Dresden war es auch nicht viel zu essen.
00:02:04 IV: Und dann hat die Tante, wusste wo Sie sind, d.h. es gab irgendwie immer noch...
00:02:08 MS: Äh.
00:02:09 IV: Kontakt?
00:02:09 MS: Ja, ja, so, so einen, so einen illegalen Kont.., Kontakt.
00:02:13 Man hat immer, äh, die Mutter hat also einen Brief über die Holländer geschickt auf eine Adresse für eine Frau, die schon tot war.
00:02:21 Aber das, d.., die, da wusste sie, dass die, mmhh, äh, dass die Post es übergibt.
00:02:29 Und da wusste sie die Adresse.
00:02:31 Und sie hat immer geschickt, also schickt uns etwas, schickt uns das Brot oder so.
00:02:37 IV: Ich wollte noch mal ein bisschen zurück und auch fragen, als, äh, Ihr Vater getötet wurde, vorher war die Familie ja immer zusammen.
00:02:46 MS: Ja.
00:02:47 IV: Was hat sich da geändert oder ich meine, das ist ja ein sehr einschneidender Punkt.
00:02:51 Und es war sicher ja alles dann plötzlich anders.
00:02:53 Weil auch die Hauptarbeitskraft war ja erstmal...
00:02:55 MS: Ja, es, es kam ein anderer Ingenieur in die Gruppe.
00:02:59 Man fragt mich manchmal f.., welcher Tag der schlimmste war.
00:03:04 Es war immer so, dass der nächste Tag der schlimmste war, bis zum Tode des Vaters.
00:03:09 Als wir von Ostrau kamen, in Ostrau hat man gesagt, also die Juden dürfen nicht in der erste, äh, Klasse fahren oder in dem ersten Wagen von der T.., Straßenbahn.
00:03:19 Sie dürfen nur zwischen vier und sechs Uhr einkaufen, sie dürfen nicht in jedes Geschäft gehen.
00:03:26 Sie haben extra Lebensmittelkarten bekommen, sie haben einen Je.., als Jude in, in der Ker.., Kennkarte bewiesen, dann mussten sie einen Stern tragen.
00:03:38 Da hat man uns gesagt, in Prag wird es viel besser sein, aber es war schlimmer.
00:03:43 Denn in Prag hatten wir ja schon keine Wohnung selbstständig.
00:03:47 Wir, es sollte die jüdische Kultusgemeinde, sollte sich kümmern, dass wir arbeiten und dass wir etwas verdienen, denn wir hatten d.., der Vater hat schon keine Arbeit gehabt.
00:03:58 Da musste er zur Zwangsarbeiten gehen zum... und wir waren kleine Kinder.
00:04:03 Und da hat, äh, die jüdische, äh, Gemeinde einen Befehl bekommen, also übermorgen müssen 1000 Leute sich melden.
00:04:12 Und da hat sie gesagt, also wer soll sich melden, die, vor allem diejenigen, die hier keinen Hintergrund haben.
00:04:19 Und das waren wir.
00:04:20 Und das, also es war in Prag schlimmer.
00:04:24 Und da hat man uns gesagt, also nach, ihr fahrt nach Osten und dort wird es besser sein.
00:04:29 Da kamen wir ins Ghetto, in Lotsch.
00:04:31 Da wird, war es viel schlimmer als in Prag.
00:04:33 Von Lotsch kamen wir nach Auschwitz und das war schon sehr schlimm.
00:04:39 Aber das Schlimmste war in Stutthof.
00:04:41 Stutthof war ein Waldtier.., äh, Lager.
00:04:44 Dort haben die Leute auch gearbeitet.
00:04:47 Also, es war teilweise ein Arbeitslager.
00:04:49 Aber wir waren immer vor, b.., bereit, damit wir die Fabrik, äh, wieder aufbauen und wieder produzieren.
00:04:56 Und da kamen wir nach Dresden.
00:04:59 In Dresden war es schon im Jahre '45 und da war es schon ein wenig besser.
00:05:07 IV: Was war jetzt das Schlimme, Sie haben an sich gesagt...
00:05:09 MS: Ja, das Schlimmste war in Stutthof.
00:05:10 IV: An sich (???) war jeder Tag immer schlimmer.
00:05:12 MS: Schlimmer, schlimmer bis der, äh, Vater getötet war, das war am Schlimmsten.
00:05:16 IV: Und in Ihrer Familie selber, was hat sich dadurch dann verändert?
00:05:21 MS: Sehr viel, die M.., Mutter hat sich um uns gekümmert.
00:05:24 Aber sie war ja nicht, äh, fähig, ich erinner' mich, wenn sie Brot geschmiert hat mit Marmelade zum Beispiel, da haben wir immer ein, ein Zuteil von einer Schnitzelbrot gehabt.
00:05:40 Wenn sie für sich geschmiert hat, da hat sie auf dem Messer oder auf, auf dem, äh, Löffel wenn sie, den sie geschmiert hat...
00:05:48 Die Marmelade hat sie mehr von, von sich für uns gebracht, den Bruder und für mich, als sie alleine gegessen hat.
00:05:57 Das war so eine Marmelade, man hat so Witze gesagt, das ist ein Ersatz für Ersatz für Ersatz.
00:06:04 Denn es war eine Rübenmargarine.
00:06:08 Und das war mit, mit, wahrscheinlich mit einem Kunststoff und süß und Stup.., Kunststoff gemacht.
00:06:15 Hunger hatten wir immer, fast immer.
00:06:18 IV: Sie waren ja der ältere Bruder.
00:06:23 MS: Ja.
00:06:23 IV: Wie ist denn das so, an sich ist man als älterer Bruder ja auch immer noch verantwortlich für den kleinen.
00:06:28 MS: Ich, ich war ein wenig verantwortlich und ich war sehr brav.
00:06:31 Die Mutter hat mir gesagt, jetzt musst du dich kümmern.
00:06:33 Jetzt gehe ich hin oder her.
00:06:35 Oder bleib mit ihm und da blieb ich mit ihm.
00:06:39 Und ich hab' ihm, ich hab' aufgepasst, dass er brav ist.
00:06:42 Aber wenn er alleine blieb, dann war es schlimm {lachend}.
00:06:45 Dann, zum Beispiel, er ging manchmal heraus im Ghetto noch und als wir nach Hause kamen, hat die Mutter gefragt:
00:06:57 "Wo warst du heute?"
00:06:58 "Heute war ich am Zaun."
00:06:59 "Was hast du am Zaun getan?
00:07:01 Du, du, du weißt ja d.., an, an den Zaun darfst du nicht hingehen, sie können dich erschießen."
00:07:07 Im Ghetto war es nicht so schlimm, das hat die Wehrmacht be.., also als, als bewacht.
00:07:13 "Was hast du am Zaun gemacht?"
00:07:16 "Ich habe die Zunge auf, auf den Wachmann ausgestreckt."
00:07:21 "Das, er kann dich doch erschießen."
00:07:23 "Nein, er hat, ich hab es so gemacht, ich hab die Zunge ge.., verdeckt, also ich habe (???) die Zunge."
00:07:30 Er wusste schon, dass das {lachend} sein Feind ist.
00:07:35 O.., dass, dass er die Zunge herausstrecken kann.
00:07:38 IV: Äh, Sie haben vorhin ja erzählt, dass Sie plötzlich durch einen Schreiber zum Mädchen gemacht wurden.
00:07:45 MS: Ja.
00:07:45 IV: Gibt’s dafür 'ne Erklärung?
00:07:46 MS: Ja, ja, ja, wir, ich war, äh, mit, zu den Frauen zugeteilt, zu der Mutter.
00:07:51 Die Mutter hat gesagt, also jetzt komm' mit mir und den Bruder auch.
00:07:56 Und da hat der Schreiber zum Michael A zugeschrieben und dem Josef, Josefa.
00:08:03 Und wir waren als Frauen.
00:08:05 Und dann haben wir das sich wieder umgewandelt a.., als, als Bu.., Buben.
00:08:10 IV: Aber der Schreiber hat gewusst, dass Sie an sich Jungen sind?
00:08:12 MS: Ja, sicher.
00:08:12 IV: Insofern war das eine Gefälligkeit oder wollte er Ihnen helfen damit?
00:08:15 MS: Ich, ich glaub', er wollte uns helfen, er wollte, dass wir mit der Mutter bleiben.
00:08:19 Wahrscheinlich, ja sicher.
00:08:21 IV: Weil wenn es nicht so gewesen wäre er vielleicht...
00:08:26 MS: Die Schreiber waren meistens Häftlinge.
00:08:29 Schreiber waren keine deutsche Beamten.
00:08:33 Es waren Blockschreiber, ein Oberschreiber.
00:08:40 IV: Jetzt würde ich Sie gerne noch, da hat der Herr Schmidt ja noch mal gesagt, er wüsste gerne noch so ein bisschen was zu diesen Lagern äh, Zwodau und Pirna, vielleicht wenn Sie...
00:08:51 MS: Ja, also, also, als wir, äh, nach dem Flugangriff von Dresden, äh, kamen, waren wir in einem Lager in Pirna.
00:09:00 Das war, dort waren wieder Baracken.
00:09:03 Aber wir wurden zurückgeholt, damit wir Aufräumungsarbeiten noch machen.
00:09:08 Und dann sind wir wieder nach Pirna gegangen.
00:09:12 Und von Pirna nach Zwodau.
00:09:15 Das war schon i.., im Sudetenland.
00:09:19 Im Sudeten... dort war wieder ein Lager.
00:09:22 Der Vorteil von diesen Lagern war der, dass ein Stacheldraht dort war und dass die Häftlinge im Baracken blieben.
00:09:32 Aber dann im Hungermarsch war es so, dass schon keine Baracken waren und entweder war es eine Ziegelfabrik oder eine Scheune oder, oder eine Holzwerk oder eine Wiese.
00:09:44 Und das war am Schlimmsten, es, es war ziemlich kalt und wir hatten auch kein Kleid.
00:09:49 Keine Decke oder sehr wenig.
00:09:52 Und dadurch waren wir froh, dass wir in einem Lager übernachten können.
00:09:59 Aber wir, äh, gingen immer sehr schnell.
00:10:04 Ich kann es bis heute nicht begreifen, wie wir aus Dresden, äh, nach, äh, Domažlice, das ist Taus, das ist in, in, in Böhmen.
00:10:14 Wie wir in den Tagen herumgegangen sind, ich möchte es einmal ausprobieren.
00:10:20 Denn in Flossenbürg muss ein, eine Route sein, die die SS ein Befehl bekommen hat, wo man gehen soll mit dem, mit dem Abmarsch, nicht wahr.
00:10:33 Aber weil wir alle im, in den Dokumenten hatten "Rückkehr Unerwünscht" oder Sonderbehandlung, da war es sehr oft dazu, dass die Leute gestorben sind oder erschossen wurden.
00:10:49 IV: Weil sich niemand um sie gekümmert hat oder war das an sich, an sich war es eine Flucht..
00:10:54 MS: Ei, ei, ei, ei, d.., ei.
00:10:55 IV: ..der SS und der Wehrmacht.
00:10:57 MS: Ja, ja, ja, ja.
00:10:58 IV: Sie waren sozusagen der Anhang.
00:10:59 MS: Ja, ja, und es war schon kein Zug, es war kein, kein Auto.
00:11:05 Es, es war so, dass geh' ich zu Fuß.
00:11:09 IV: Ihr Bruder hat ja gesagt, er war so schwach, er konnte oft nicht gehen.
00:11:12 MS: Er konnte oft nicht gehen, ja, ja, ja.
00:11:13 IV: Musste getragen werden.
00:11:14 Und wie ging es Ihnen?
00:11:15 MS: Ich, ich bin gegangen, wenn, wenn es ging, bin ich gegangen.
00:11:20 IV: Gab es so, dann schon auch so Bewusstsein oder so 'ne Hoffnung überhaupt noch?
00:11:29 MS: Na, es war, es, es war ein, ein Bewusstsein, wir wollen ü.., den nächsten Tag überleben oder die nächste Stunde.
00:11:37 Damit wir überleben, müssen wir gehen.
00:11:40 Am Ende bekommen wir etwas zum Essen, vielleicht.
00:11:45 Und hat man gegessen oder vielleicht hat man etwas gefunden.
00:11:52 Oder im sch.., oder ein Ei bei einem Bauer, hat man gefunden oder so etwas.
00:11:59 Aber es war sehr, es war schlimm.
00:12:01 Aber die Deutschen waren schon nicht so streng, also streng.
00:12:06 Der, der nicht gehen konnte war erschossen, aber sonst haben sie uns, man musste schon nicht arbeiten, man musste nur laufen, gehen, gehen, gehen.
00:12:20 IV: Und durch diese Bombardierung von Dresden, Sie haben ja gesehen, wie Dresden aussieht, gab es so ne Hoffnung vielleicht auch, dass man eine Chance jetzt hat?
00:12:26 Weil der Krieg bald zu Ende geht oder die anderen kommen.
00:12:31 Für Sie auch in dem Alter oder war das gar nicht...?
00:12:32 MS: Äh, äh, nein, vielleicht war es, äh, manche Häftlinge haben es, also als eine gute Sache erkannt, dass man den Deutschen auch gezeigt hat, dass es, das der Krieg nicht so leicht ist.
00:12:48 Der Bruder hat es darum überlebt.
00:12:51 Es ist passiert, dass, äh, ein, eine Frau weggelaufen ist und hat sich nackt gemacht.
00:12:59 Und, äh, hat gesagt: "Also mir ist alles verbrannt, ich bin verrückt.
00:13:02 Gib mir etwas z.., zu essen", aber den deutschen Behörden.
00:13:06 Und sie haben s..: "Wo, wohin wollen Sie?"
00:13:09 Sie, al.., sie war perfekt Deutsch: "Ich will nach Prag, dort habe ich Verwandte."
00:13:12 Und sie haben sie nach Prag geschickt.
00:13:14 Dadurch hat sie es überlebt.
00:13:16 Aber ich hatte es so, ich hab' gestottert, denn die Bomben sind, sind in das Haus gekommen.
00:13:22 Und ich hab' mit den Augen so gemacht und das war irgendwie nerv.., so vom, vom Bombenangriff.
00:13:31 Und das dauerte eine Weile.
00:13:35 IV: Und haben Sie an so was wie Befreiung...{bricht ab} Und die haben eben manchmal gesagt:
00:13:43 "Also irgendwie, wir haben plötzlich wieder Hoffnung gekriegt, weil wir gedacht haben vielleicht..."
00:13:46 MS: Das war bei uns auch.
00:13:47 IV: Also auch so...
00:13:48 MS: Ja.
00:13:51 IV: Also, man b.., hatte auch erzählt, es gab Gerüchte oder...
00:13:55 MS: Ja.
00:13:56 IV: Das hat ja vielleicht auch so Ihrer Mutter nochmal die Kraft gegeben einfach noch...
00:14:05 MS: Sicher.
00:14:05 IV: Zum Durchhalten.
00:14:06 MS: Ja, wir haben immer geglaubt, dass wir das überleben, dass wir die nächste Stunde überleben, dadurch überleben wir den nächsten Tag.
00:14:14 Und dadurch überleben wir auch das Ende des Krieges.
00:14:17 Und nach dem Krieg werden wir etwas zum Essen bekommen und etwas zum Trinken bekommen.
00:14:23 Und vielleicht werden auch spielen oder etwas machen oder irgendetwas und...
00:14:29 Vielleicht werden wir auch in einem normalen Bett einmal schlafen, nicht nur auf der Wiese, im Winter.
00:14:36 Und die Hoffnung immer war, immer so, dass das uns sehr geholfen hat.
00:14:42 Denn wir haben die amerikanische Flugzeuge gesehen.
00:14:47 Wir wussten, auch in Dresden wussten wir die Front kommt näher und näher.
00:14:52 Die Holländer haben uns auch, äh, Nachrichten übergegeben.
00:14:56 Aber das war, äh, zwischen den Häftlingen war es immer so.
00:15:01 Auch wenn sie erzählt haben.
00:15:03 Zum Beispiel in Auschwitz war eine Baracke, dort waren lauter Löcher und das war n.., La.., das war eine Latrine.
00:15:11 Und hat man gesagt, also morgen bekommen wir wieder frische Latrinennachrichten.
00:15:15 Und das waren die Nachrichten, die nicht von, von den, äh, Kapos oder von denen zugehört waren.
00:15:24 Denn wenn jemand eine Nachricht gehört hat, da hat man sie dort schnell von einem Loch zu dem zweiten übergegeben.
00:15:34 Und hat un.., das hat den Leuten sehr geholfen.
00:15:38 Denn die Front nähert sich auch in, in Auschwitz schon im Jahre '44.
00:15:46 IV: Wenn Sie nochmal zurückdenken an die ganze Zeit, auch so Sie waren zwischen acht und zwölf am E.., am Kriegsende waren Sie...
00:15:56 MS: Ja, ja, ja.
00:15:57 IV: Zwölf Jahre wahrscheinlich, was denken Sie, was war das Schwierigste für Sie persönlich jeden Tag, was war das Schwierigste?
00:16:04 MS: Ich, ich sag', das Schwierigste war in Stutthof als man den Vater getötet hat.
00:16:09 Aber jeder Tag war schlimmer und schlimmer und da gewöhnt man sich wahrscheinlich auf die {lachend}, auf den Schlag, den man bekommt.
00:16:18 Und das war, es war unbegreiflich und da.., darum erinnere ich mich, ich mich sehr schlecht daran und man erzählt davon auch nicht sehr gerne.
00:16:32 Aber wenn jetzt jemand fragt, dann wiederhole ich, also ich hab' es überlebt, bin froh, dass ich es überlebt hab'.
00:16:40 Ich möchte alles tun, damit es sich nicht wiederholt.
00:16:44 Damit keine Chance denen zu geben, den, die es irgendwie wiederholen möchten oder dazu arbeiten.
00:16:57 Oder dazu, äh, organisieren oder dazu jemand überzeugen, dass es nicht wahr ist.
00:17:03 Es ist wahr, darum kommen wir auch nach Flossenbürg, darum kommen wir t.., nach Auschwitz.
00:17:10 Wir waren jetzt in Dresden.
00:17:12 Dort treffen wir uns.
00:17:14 Es ist jetzt eine, äh, so eine Mitarbeit oder so ein, eine Partnerschaft zwischen Schul.., Schüler vom Gymnasium in Ostrau und einem Gymnasium in Dresden.
00:17:28 Es ist eine Partnerschaft von Städten.
00:17:31 Und das hilft, glaub' ich, auch.
00:17:34 Dass, wir, wir sind schon Rentner, haben viel Zeit, also {lachend} erinnern wir uns schlecht, aber wenn, wenn es Fragen gibt und, und man hat ja Literatur.
00:17:45 Man hat Ergebnisse, man hat Dokumente.
00:17:48 Wir sind sehr froh, dass wir das Buch hier zeigen konnten.
00:17:52 Die Leute machen jetzt sehr viel dafür.
00:17:57 Damit man es nicht vergisst.
00:17:59 Und damit, äh, Flossen.., auch Flossenbürg und die Außenlager irgendwie eine Dokumentation haben.
00:18:06 Und die Außenlager sind ja auch die, in Dresden und auch in Pirna und in Zwodau und die Lager, die bei den Todesmarsch dann es organisiert haben.
00:18:19 IV: Gut, dann bedanke ich mich jetzt.
00:18:24 MS: Ich auch, vielen Dank.
00:18:25 IV: Für die, die Zeit und auch die Energie sich noch mal zu erinnern.
00:18:29 MS: Nein, das, das...
00:18:29 IV: Und meine Fragen zu beantworten.