File "AGFl_AV.22.0644.mp4"

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Sources KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
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00:00:00 AB: .. geschickt, nicht? Die kennen Sie.
00:00:00 IV: Genau. Und natürlich, natürlich werden wir dieses Buch jetzt da nicht hinlegen, dass Sie es lesen.
00:00:06 Sondern der Witz an der Sache ist, dass Sie es sozusagen erzählen.
00:00:10 Sie müssen sich also nicht scheuen, wenn Sie jetzt etwas schon geschrieben haben..
00:00:14 AB: Ja.
00:00:14 IV: ..und ich kenne das schon, ja?
00:00:15 AB: Ja.
00:00:16 IV: Sie müssen sich immer vorstellen..
00:00:17 AB: Ja.
00:00:18 IV: Es kommt jemand, der sieht, aha, da läuft ein kleiner Film. Und dann hört er Frau Biedermann..
00:00:23 AB: Ja.
00:00:24 IV: Und die bringt diesem Besucher jetzt nahe, was ist Flossenbürg.
00:00:29 AB: Da bin ich ja schon ein halbes Dutzend Mal gefragt worden, ob das gesendet wird und wann.
00:00:33 IV2: Einfach nochmal loslegen.
00:00:33 IV: Einfach sozusagen nochmal neu loslegen. Es übrigens kein Problem, wenn Sie irgendwie..
00:00:37 AB: Ich mein, von, von Bekannten, also jetzt Frisör und so weiter, nicht?
00:00:40 IV: Genau. Also, Sie müssen sich vorstellen, ich bin Ihr Frisör, und Sie erzählen mir von Flossenbürg 1929.
00:00:47 CM: Wir sind soweit.
00:00:48 AB: Also mit 29, des geht ja noch ein Stückchen weiter zurück, wie wir überhaupt Flossenbürg kennengelernt haben.
00:00:55 Wenn ich das noch erzählen kann, das macht nicht viel aus, aber das würde ich ganz gerne sagen.
00:00:59 Ja, wenn es Ihnen recht ist?
00:01:00 IV: Gerne, gerne. Also, wie haben Sie..
00:01:02 AB: {Räuspert sich} Jetzt fängt der Hals wieder an.
00:01:03 IV:.. Flossenbürg eigentlich kennengelernt?
00:01:04 AB: Also, das ist so. Ich hatte eine alte, eine ältere Klavierlehrerin, die wir alle sehr respektierten.
00:01:10 Und äh das gab es in Flossenbürg noch den alten Pfarrer Schultze, der war Indienmissionar.
00:01:16 Ein sehr gütiger, sehr beliebter alter Herr, ein evangelischer Pfarrer.
00:01:21 Und der sorgte für Kinder und hatte von meiner Klavierlehrerin weg..
00:01:25 Oh mein Hals.. unseren Jüngsten eingeladen als einziges Kind damals erst.
00:01:32 Und mein Putzi, der war so begeistert von Flossenbürg und von alledem, dass er heimkam und erzählt hat:
00:01:40 "Ja, das ist ja eine wundervolle Gegend, und da müsst ihr hin und müsst ihr hin."
00:01:43 Und daher hat meine Mutter entschlossen, mit mir.. sich entschlossen, mit mir im nächsten Jahr äh, raufzufahren.
00:01:51 Die großen Ferien waren ja sechs Wochen damals für uns, nicht?
00:01:55 Raufzufahren und mit mir zusammen da Urlaub zu machen.
00:01:57 Das war das Jahr 1929, wo ich als 16-Jährige Flossenbürg zum ersten Mal kennengelernt hab'.
00:02:04 Und da hab' ich ja so geschrieben, der große See gehörte mir allein.
00:02:07 Und hab' geschwärmt von der Burg, nicht.
00:02:10 Und so weiter. Das müssten Sie ja eigentlich kennen aus der, aus der Trilogie. Und dann hat es..
00:02:14 IV: Sie müssten es mir sozusagen einfach nochmal erzählen.
00:02:17 Wenn Sie sich jetzt mal versuchen zurückzuerinnern.
00:02:20 AB: Ja.
00:02:20 IV: Sie betreten 1929 zum ersten Mal Flossenbürg.
00:02:25 AB: Ja. Da hab' ich die ganze einmalige wunderbare Landschaft kennengelernt.
00:02:29 Und habe auch, weil wir privat ja gewohnt haben als noch, ich würde mal sagen, neueste Urlauber.
00:02:35 Ob da vor uns schon welche da waren..
00:02:37 Bei der Familie Meiler, eine Schreiner.. eine.. ein Schreinerhaus.
00:02:41 Ähm und zwar im großen Wohnzimmer.
00:02:45 Unterher war die Schreinerei.
00:02:47 Und die drei Kinder, die drei kleinen, hab' ich kennengelernt.
00:02:50 Also es war ein herrliches familiäres Zusammensein.
00:02:53 Und äh das war das erste Jahr, sehr sonnig, sehr schön, sehr unternehmungsreich.
00:02:58 Und ich lernte vor allen Dingen den großen Beerenreichtum kennen.
00:03:02 Wir haben unendlich viel gepflückt.
00:03:05 Sogar Himbeeren, so viel, dass wir bei der Frau Meiler in der Küche Himbeersaft kochen konnten und verpackt in Kisten nach Hause schicken.
00:03:12 So war die Ernte damals.
00:03:14 Ja, also kurz und gut. Im zweiten Jahr, das war dann 1930, ich glaube, das war das total verregnete Jahr, nämlich sechs Wochen Regen.
00:03:23 Sechs Wochen Regen.
00:03:25 Man hat nicht gewusst, wie man aus dem Haus kommen soll.
00:03:27 Dann haben wir gesagt, wir setzen noch ein Jahr drauf.
00:03:30 Dann sind wir einund.. Moment.. 29, 30, 31 waren wir dann nochmal da.
00:03:35 Und da waren schon die aller, allerersten, das waren aber nur ein, ein Hochzeitspaar aus Leipzig.
00:03:41 Und eigentlich haben wir sonst noch niemanden gesehen.
00:03:43 Das Ganze war außerordentlich dörflich gehalten.
00:03:47 Immer noch, es gab die katholische Kirche und der gegenüber, also am oberen Mittel, Mittelpunkt kann man sagen, äh der gegenüber war ein großer Bauernhauf.
00:03:58 Der Bauernhof des Ortes überhaupt.
00:04:00 Münchmeier, wie sehr viele andere auch hat er geheißen.
00:04:04 Und wenn Sie es jetzt ganz genau wissen wollen:
00:04:05 Das war ein toller äh Bursch, groß gewachsen, und sehr hübsch und wir haben uns verliebt, wir beide.
00:04:12 Insofern bin ich dann zur Kirchweih eingeladen worden, dort mit zu tanzen.
00:04:18 Und da war ich aber schon in etwa ein bisschen verlobt mit dem Forstreferendar, was meine Mutter ja unterbunden hatte.
00:04:25 Weil ich.. weil sie gemeint hat:
00:04:26 "Du bist überhaupt noch nicht reif zu heiraten, mit 16 macht man das nicht." Damals.
00:04:31 Und äh jedenfalls tanzte ich dann wiederum am Stecken mit dem Bauernburschen, und dann kam der Herr Referandar dazu und wollte mal abklatschen.
00:04:40 Und dann hab' ich ihn einfach stehen lassen.
00:04:42 Und am andern Morgen, die haben ja im Haus gewohnt.
00:04:45 Das war eine sogenannte Forsteinrichtung, die da alles vermessen mussten in der Gegend.
00:04:51 Am andern Morgen stand er vor mir und sagt:
00:04:53 "Warum hast du mir das angetan?"
00:04:55 Also ich hab' mit einem Bauernburschen den Herrn Akademiker ausgebuchst nicht.
00:04:59 So war die Situation.
00:05:01 Nun ja, kurz und gut, das ging ja dann später sowieso auseinander, weil meine Mutter mich davon abgehalten hat.
00:05:08 Ja und was haben wir dann noch gemacht? Das war das 31.
00:05:11 Ja und dann waren wir Flossenbürg fern geblieben, denn ich ich ging so allmählich ähm in der Lawolf-Schule auf das Abitur zu.
00:05:24 So ganz langsam.
00:05:25 Mit 20 Jahren hab' ich das Abi gemacht.
00:05:29 Und dann war nix mehr mit Flossenbürg.
00:05:31 Lange Zeit nix mehr.
00:05:33 Und äh da kam.. na da wollen wir mal eins weiter gehen.. äh die Zeit 1942/43..
00:05:40 IV: Können wir nochmal bei den 20er-/30er- Jahren bleiben.
00:05:43 AB: Ja.
00:05:44 IV: Ähm sag.. ähm wenn man an Flossenbürg denkt, denk' ich jetzt, mein erster Eindruck war ein bisschen die Burg.
00:05:51 War das für Sie auch so?
00:05:52 AB: Die..
00:05:53 IV: Die Burg.
00:05:54 An welche Gebäude erinnern Sie sich denn noch in Flossenbürg?
00:05:58 AB: Ja, an die, an die ganze Burg eigentlich.
00:06:00 Die Burg war meine Wonne.
00:06:02 Ich hab' ja auch irgendwie geschrieben, ich bin ja dann etwas dichterisch veranlagt von da oben.
00:06:07 Und hab' also fast jeden Tag, mindestens jeden zweiten Tag äh die Tour da rauf unternommen.
00:06:13 Und fühlte mich allein sehr königlich.
00:06:16 Und ähm dies alles ist mir untertänig, gestehe, dass ich glücklich bin und so weiter.
00:06:22 Das ist mir alles noch aus der Schule auch eingefallen.
00:06:24 Also die Burg A und O.
00:06:27 Und drum.. ich hab's glaub' ich schon erwähnt, später diese Ausstellung in Weiden mit den Häftlingsbildern, die haben also auch alle die Burg als Motiv hergenommen.
00:06:36 Ja, und äh dann musste man über die Burg den ganzen Berg hinunter, und das war alles Steinbruch, Steinbruch, Steinbruch.
00:06:43 Und durch ein bisschen Wald auch.
00:06:46 Und kam endlich unten am großen Gaisweiher an.
00:06:49 Der große Gaisweiher heißt eigentlich Silbersee, aber das ganze Volk hat ihn Gaisweiher genannt.
00:06:55 Und da war eigentlich unten nur noch am vorderen Ende die Mühle, Münchmeier hieß der auch meines Wissens, der Müllner.
00:07:05 Und am hinteren Ende, es ging übrigens eine Forststraße so quer durch, hat die beiden Weiher getrennt.
00:07:11 Und am kleineren Weiher hinten war am Ende, aber um die Ecke rum auch eine ja, ach Gott ganz leichte Wirtschaft.
00:07:19 Man konnte da nicht irgendwie groß äh Quartier nehmen oder was.
00:07:23 Die hießen auch Münchmeier.
00:07:25 Und dann kam die Zeit - jetzt muss ich ein bisschen einen Sprung machen - wo meine Mutter äh, die sich also in ähm sagen wir mal Nürnberg/Erlangen, ja wir waren ja da nach der Flucht nach Erlangen gekommen, nicht halten konnte.
00:07:40 Also die war nie, nirgends zufrieden.
00:07:42 Und hatte aber dieses Holzhaus da oben gekannt aus Balken.
00:07:47 Ich glaube, es steht heute noch.
00:07:49 Das einem der beiden Söhne gehört, die da unten also auch diese Wirtschaft hatten.
00:07:54 Und da hat sie sich das gemietet für ein paar Jahre, lebte da mutterseelenallein.
00:08:00 Hat sich überhaupt nicht gefürchtet, weil ja alles, was Spitzbuben waren, im Gefängnis waren mehr oder weniger.
00:08:06 Wir konnten also seelenruhig alle, eine wie sie wollte nach der andern in den Wald gehen, in die Wälder gehen.
00:08:13 Und manchmal auch mit einigen, mit einem Förster oder mit zweien aus der Forsteinrichtung, die waren ein paar Jahre da.
00:08:21 Und dann äh kam die Zeit, wo wir ähm zwischendurch mal entweder ich oder mein Bruder mit Frau - er war ja dann verheiratet - meiner Mutti Urlaub gemacht haben.
00:08:34 Das hab' ich auch geschrieben noch, wie ich äh da auf dem Sack hab' schlafen müssen.
00:08:40 Das Haus hat uns begeistert alle miteinander, weil es etwas höher lag.
00:08:43 Und man hatte den wundervollen Blick auf den kleinen Gaisweiher.
00:08:46 IV: Ja.
00:08:47 AB: Nicht, der da abgetrennt war.
00:08:48 Und wo Mutti auch mal drin steht und zu baden zu versucht. Ja, kurz und gut..
00:08:52 IV: Wenn Sie, wenn Sie an ihre ersten Besuche nochmal zurück in Flossenbürg denken.
00:08:56 AB: Ja.
00:08:57 IV: Ich hab' jetzt den Eindruck, dass Sie so zu den ersten Touristen gehörten.
00:09:02 Gab es denn noch andere Gäste, oder..?
00:09:05 AB: Ja ich war.. also wir waren die ersten, noch einmal, äh Mutter und ich.
00:09:10 Also mein jüngster Bruder der allererste, und wir drauf ja die nächsten, Mutti und ich.
00:09:15 Und dann ein weiteres Jahr später dieses junge Rechtsanwaltpaar aus Leipzig waren die gekommen.
00:09:21 Aber von wegen touristisch hat sich da überhaupt noch nichts gezeigt.
00:09:25 Es gab die Forststraßen bis zur Silberhütte rauf.
00:09:28 Die Silberhütte war ja ein bestimmter Punkt, den man ganz gerne anmarschiert hatte, nicht.
00:09:34 Aber es tat sich wenig da droben.
00:09:36 War also so ziemlich der höchste Punkt.
00:09:38 Wenn es nicht noch einen höheren gab.
00:09:40 Und äh da hat man höchstens mal einen Spaziergang hinauf unternommen.
00:09:43 Und so ein bisschen Jause gemacht.
00:09:46 Aber nicht viel weiter, denn man hatte ja auch einen wunderbaren Rundblick oder noch viel mehr von der Burg aus über das ganze Land, nicht.
00:09:53 Wenn man von Nürnberg herfuhr, nicht Auto, mein Gott nein, in, in der Zuckelbahn,
00:09:59 und irgendwo tauchte plötzlich ganz in der Ferne diese Burg auf, das war immer ein Gefühl, das kann man einfach nicht beschreiben, nicht.
00:10:06 Man wusste, wenn man jetzt runterfährt so allmählich über Vilseck und so weiter und so weiter bis nach Floß.
00:10:12 Floß war die Umsteige bzw. Aussteigen.
00:10:15 Von da aus musste man laufen.
00:10:17 Da ging's nicht weiter.
00:10:19 Ja. Weiden war dazwischen, aber irgendwie doch ein bisschen sehr abgelegen.
00:10:24 Ja von wem oder was möchten Sie da noch wissen aus der Z..?
00:10:27 IV: Ich hätte da jetzt nochmal eine Frage. Wenn man sich an die 20er-/30er- Jahre erinnert..
00:10:31 AB: Ja.
00:10:31 IV: Was gab es denn da für Gaststätten? Ist man da in Gaststätten gegangen?
00:10:36 AB: J.. Stätten ist zu viel gesagt.
00:10:39 Ich kannte eine bei der Kirche oben in der Nähe.
00:10:41 Der Jahreis hat der geheißen, sehen Sie, ich weiß sogar den Namen.
00:10:45 Da war man gut versorgt.
00:10:47 Und eine in der Mitte der Straße, den Namen weiß ich jetzt im Moment nicht.
00:10:52 In der Mitte der Straße, die heißt ja heut Hohenstaufenstraße.
00:10:55 Wie's damals geheißen hat, weiß ich nicht.
00:10:57 In der Mitte dieser Straße, wenn man von unten raufkam äh da, das war auch ein gutes Gasthaus.
00:11:03 Da war man ganz gut versorgt.
00:11:04 Da konnte man einkehren.
00:11:06 Aber irgendein anderes ist mir eigentlich nicht bekannt.
00:11:08 IV: Also der Jahreis heißt heute auch noch Jahreis.
00:11:11 AB: Ja.
00:11:12 IV: Wird auch noch von einem Herrn Jahreis betrieben.
00:11:13 AB: Ja.
00:11:14 IV: Dem Sohn oder..
00:11:15 AB: Ja. In der Nähe der Kirche, nicht?
00:11:17 IV: Genau neben der Kirche.
00:11:18 AB: Ja.
00:11:19 IV: Heißt "Zum Schlossberg", aber die Einheimischen sagen Jahreis.
00:11:22 AB: Jahreis, ja.
00:11:22 IV: Wenn Sie an Flossenbürg denken damals.
00:11:25 Was hat denn den Ort geprägt? War das das Bäuerliche oder waren es..
00:11:31 AB: Nein.
00:11:31 IV: ..die Steine? Der Granit? Oder was war es?
00:11:34 AB: Es, es war eine bettelarme Bevölkerung, weil es eigentlich im Wesentlichen Steinhauer waren.
00:11:40 Die haben ja den schönen Granitstein da oben.
00:11:43 Und das war ihr Beruf, nicht.
00:11:44 Und ich kann gleich dran äh mal anknüpfen.
00:11:48 Wir hatten ja zwei Schubert.
00:11:49 Einen, der die Sache oben leitete, und der andere war der Max Schubert, der ein bisschen weiter unten wohnte, aber der Steinhauer von Beruf.
00:11:57 Und den wurde, der wurde später von der SS dafür hergenommen, den Häftlingen das Steinhauen, das Steinklopfen zu lernen, nicht.
00:12:05 Also, der war ein richtiger Steinhauer.
00:12:06 Aber der war mit uns persönlich nicht so sehr bekannt.
00:12:10 Ähm was mir immer wieder gefallen hat, das war die Einfachheit und die Ehrlichkeit dieser Menschen.
00:12:17 Trotz ihrer großen Armut und ähm deshalb ist mir das eigentlich unvergessen.
00:12:22 Die Zeit der Beeren, wo einer dem andern gesagt hat, jetzt kommen die, dann kommen die.
00:12:27 Und dann gab's noch äh wie hieß denn der Ort, ein Stück weit da hinten naus.
00:12:32 Fällt mir vielleicht später wieder ein, wo die Preiselbeeren so gewachsen sind.
00:12:36 Himbeeren und alles und alles war da.
00:12:37 IV: Georgenberg, glaube ich.
00:12:39 AB: Georgenberg. Genau.
00:12:40 Sie haben das..
00:12:41 Da war auch die Forsteinrichtung zuerstmal festgesessen, bis sie zu uns nach Flossenbürg kam.
00:12:46 Die wohnten übrigens zum großen Teil.. wie viele waren es überhaupt?
00:12:50 Vier oder fünf, wohnten sie bei Meilers auch im oberen Stockwerk.
00:12:54 Das war sehr schön.
00:12:56 Ja kurz und gut, und da war immer ein Mords Leben in der Küche selber, die war groß genug.
00:13:00 Und äh die Kinder waren da auch mit untergebracht mit viel Geschrei oder.
00:13:05 Irgendwie war es menschlich ganz einfach, anders als heute, nicht.
00:13:10 Es gab keinerlei irgendwelche Ansprüche, die man in irgendeinem vornehmen Lokal hätte erfüllen können.
00:13:17 Danach suchten wir auch nicht.
00:13:19 Das Urige von Flossenbürg, das war mir so gelegen.
00:13:22 Und da haben wir uns auch ewig später dann darüber unterhalten und immer wieder daran gedacht.
00:13:27 Ich hab' ja auch damals schon einige Fotos gemacht mit der Schwarzweißkamera.
00:13:31 Hatte noch gar keine.. da gab's noch gar nicht so die Farbbilder.
00:13:35 Und später ja auch viele andere Fotos wie Sie ja sehen auf dem Titelbild von dem Dings da, vom..
00:13:42 IV: Mir fällt auf, dass eigentlich Flossenbürg, hab' ich das Gefühl, so von Nürnberg aus entdeckt wurde.
00:13:48 AB: Ja.
00:13:49 IV: Also dass es sozusagen einen ersten Besucherstrom von Nürnberg, von Franken..
00:13:54 AB: Ja.
00:13:54 IV: .. Richtung Flossenbürg gab, und dass Sie sozusagen zu den ersten gehörten.
00:14:00 AB: Ja genau.
00:14:00 IV: Ich hab' mal gelesen, einen Betriebsausflug gab's auch mal der Firma Siemens-Schuckert aus Nürnberg nach Flossenbürg.
00:14:08 Sind Ihnen solche Gruppen auch mal begegnet?
00:14:11 AB: Also in dem S.. in diesem Sinne nicht.
00:14:14 Also wir haben schon Flossenbürg von Nürnberg aus entdeckt.
00:14:17 Aber eben immer nur in diesem jugendlichen Alter mit der Bahn da hintergefahren.
00:14:21 Und ähm wo ich später da aus Österreich und so weiter und so weiter zurückkam, war ja Siemens Reiniger da, also nicht Schuckert, und zwar in Erlangen.
00:14:30 Da hab ich Siemens Reiniger kennengelernt.
00:14:32 Aber Siemens Schuckert, das war wohl bekannt, aber hat uns nicht weiter berührt, nicht.
00:14:37 Wir sind als alleinige Familie dorthin gefahren.
00:14:41 Wie gesagt, immer wieder der Anfang bei Pfarrer Schulze, der ja später dann sowieso weggegangen ist nach Indien und dort verblieben offenbar.
00:14:49 Und äh der neue Pfarrer, der hat uns nicht so sehr interessiert.
00:14:52 Interessant war die Kirchweih, denn in diesem Dreieck Bauernhof - Kirche, also Jahreis meinetwegen noch mit, Kirche, war auf der Seite eine Schiffschaukel gestanden.
00:15:02 Das war für uns ein.. damals schon ein großes Ereignis nicht, dass man da äh schiffschaukeln konnte.
00:15:09 Und da war auch der eine Meiler, der Bruder vom Herrn Meiler, war da und hat mich da mächtig in die Höhe getrieben.
00:15:16 Ja, kurz und gut, es sind halt alles so Einzelerinnerungen, äh die mich immer wieder..
00:15:20 IV: Flossenbürger Kirchweih, gab's.. wenn Sie die beschreiben, was gab's da so im Ortszentrum?
00:15:25 AB: Da, da gab's erstens einmal.. ja, das war wunderschön, ob in andern Häusern auch, aber ich nehme es an.
00:15:31 Es war die Sitte, äh, bei so manchen, nicht nur bei Meilers, stand ja nebendran ein Backofen außen, wo man auch Brot gebacken hat.
00:15:40 Und zur Kirchweih, da haben Sie dann diese berühmten flachen und billigen Kuchen mit einem ganz dünn gestrichenen äh gelblichen Käse..
00:15:50 Ob das nun ein, ein echtes Ei war oder da gab's ja so was Besonderes, das man wie hieß denn das..
00:15:56 Safran glaub ich, wo man das Ei gelb machen konnte.
00:16:00 Und da wurden große ähm Käsekuchen sowas Ähnliches gebacken, mit viel Beeren drauf.
00:16:07 Und auf's Brett und reingeschoben in den Backofen.
00:16:10 Also der Backofen war ein großes Ereignis, also auch beim Brotbacken.
00:16:14 Und der lag ein ganz kleines bisschen tiefer also zwei Stufen rauf.
00:16:17 Ich hatte eine Aufnahme von Frau Meiler gemacht, die existiert noch als Ölbild in meinem Keller unten, wie so manches andere auch.
00:16:25 Und äh das hat mich natürlich äh begeistert auch.
00:16:30 Was mich von der Familie Meiler, wo wir da ja gewohnt haben alle die drei Jahre, äh sehr begeistert hat auch, das war im Grunde genommen erstmal die Armut.
00:16:40 Die konnten ja nicht einmal was Gescheites im Garten pflanzen, weil Steine, Steine, Steine überall nicht.
00:16:45 Und da stand aber ein Kirschbaum, und unter demselben hat der Schreiner Seppel, haben wir immer gesagt, er selber, eine Bank gezimmert gehabt und einen Tisch davor.
00:16:55 Und gegen Abend, also das war das besonders Romantische.
00:16:58 Gegen Abend saßen wir dann auf der Bank, er und meine Mutter und ich, und kam noch jemand dazu.
00:17:05 Und dann hat er sein sogenanntes Grammoler da herausgeholt, das war ein stehendes Grammophon, vom Boden auf.
00:17:11 Und er hatte wunderschöne Platten.
00:17:14 Und wir saßen da, und dann kam der Herr Kommissär.
00:17:16 Also nämlich unten, wenn man von unten rauf kam, war links das große naja Kommissärhaus haben wir halt einfach gesagt.
00:17:24 Da war die.. irgend so 'ne Grenzpolizei oder irgendwas drinnen.
00:17:28 Und der Herr Kommissär, ein sehr äh guter und großartiger Mann, mit vier Töchtern und so weiter.
00:17:35 Der kam dann auch rüber und hat zugehört.
00:17:37 Und aus der unmittelbaren Nachbarschaft auch noch jemand.
00:17:40 Es war immer ein sehr, sehr nettes Treffen da.
00:17:42 Und was mich neulich also wirklich in Erinnerung fast zurückgerissen hat, muss ich sagen:
00:17:48 Da habe ich von Ihrer Sekretärin gehört, dass mich eine aus der Meiler-Familie, und zwar die jüngste, auf einem Bild erkannt hat.
00:17:57 Und die hat auch, die, die Anni war das, hat äh gefragt nach meiner Adresse und so weiter, hat aber noch nichts hören lassen.
00:18:04 Und die ähm hat damals zwar noch nichts davon gehabt von diesen Treffen.
00:18:09 Aber ich wusste von den schönen Schallplatten, die es.. also heute noch so zum Teil zwischendrin mal aufgelegt werden im Bayern.. ne Bayern 2 eher als Bayern 4.
00:18:20 Und da kam an diesem Tag am Sonntag Früh der Faust-Walzer von Gounod.
00:18:25 Den hat der Meiler auch gehabt.
00:18:26 Also ich war direkt wie umgeworfen.
00:18:29 Eine Erinnerung an diese Zeit ohnegleichen.
00:18:31 Denn das war so unglaublich gemütlich bei aller Armut, nicht.
00:18:36 Äh da war nichts besonderes Fashionnable oder was.
00:18:39 Man war einfach ähm der einfache Mensch war man da geblieben durchaus.
00:18:44 Hat aber viel erzählt, nicht.
00:18:46 Jeder hat was zu erzählen gehabt.
00:18:48 Das war eine der gemütlichsten und äh goldigsten Zeiten.
00:18:52 Ja was gibt es noch..
00:18:53 IV: Eine letzte Frage würde ich gern noch zu den 20ern stellen.
00:18:56 Welche Rolle hat denn so die Kirche gespielt in dem Ort?
00:19:00 Sind alle am Sonntag in die Kirche gegangen? Wie, wie..
00:19:02 AB: Also da muss ich ganz ehrlich sein, eine Zeitlang war ich der Kirche äh mehr oder weniger fern geblieben.
00:19:09 Das kam auch durch äußerliche Ereignisse.
00:19:12 Ich bin evangelisch und natürlich so getauft und konfirmiert.
00:19:17 Und hab' meinen Mann, der auch evangelisch war, hab' ich evangelisch bereits in Laufamholz dann geheiratet und getraut.
00:19:25 Und auch der ähm Trauergottesdienst hat da noch stattgefunden.
00:19:30 Und seit wir dann weg waren von Laufamholz, also von Laufamholz nach Flossenbürg gezogen..
00:19:35 Das ist ja glaub' ich extra beschrieben in dem Blatt, das da mit drinnen liegt in der braunen Geschichte, was ich Ihnen geschickt habe.
00:19:41 Ähm da war's dann aus mit der Kirche.
00:19:45 Pfarrer Schulze war weg.
00:19:46 Der nachkommende junge Pfarrer hat uns nicht interessiert.
00:19:49 Und äh katholisch war zwar meine Mutter, aber die hat schon gleich mehr äh zu dem Protestantismus zugeneigt, nicht.
00:19:58 Also mit katholisch war eigentlich da mehr oder weniger gar nichts los.
00:20:02 Aber wir haben gesehen zum Beispiel irgendeine Prozession.
00:20:06 Die kam eines Tages von Nord nach Süd, also ging runter.
00:20:10 Und da war der Exposi haben sie ihn genannt, der Herr Expositus, der war mit dabei.
00:20:15 Und der guckte immer mit großen Augen auf uns da rüber, ob wohl wir da dazugehören oder nicht.
00:20:20 Das sind also so Kleinigkeiten, die man da trotzdem registriert hat, und ich schon vor allem, weil ich halt dafür ein visuelles Gedächtnis auch habe.
00:20:28 Ja, das waren die beiden Kirchen, und da hat jede für sich irgendwie existiert nicht.
00:20:35 Das war wahrscheinlich in der Hauptsache auch katholisch, nehme ich an.
00:20:38 IV: Ja, Flossenbürg ist ja so ein besonderer Fall, weil es ja Protestanten und Katholiken vor Ort gibt.
00:20:44 Und es also sozusagen nicht wie sonst in der Oberpfalz eindeutig katholisch dort ist.
00:20:49 AB: Ja.
00:20:49 IV: Sondern gemischt.
00:20:49 AB: Ja es ist gemischt, nicht.
00:20:50 IV: Gemischt. Und was auch ein bisschen mit dieser Granitindustrie, mit den Steinhauern und so zu tun hat, die ja auch von woanders dann herkamen.
00:20:59 AB: Ja.
00:20:59 IV: Ähm, erinnern Sie sich so an Steinbrucharbeit in dieser Zeit, also bevor Sie bei der DESt waren, sondern wie Sie so ein junges Mädchen war, waren?
00:21:07 Äh, hat man das gesehen, sind da Steine durch den Ort gefahren worden, oder wie war das?
00:21:13 AB: Nein, nein das nicht.
00:21:13 Das gar nicht.
00:21:14 Aber ich erinner' mich daran, dass ich also da und dort mal um diese Riesenblöcke oder was rumgegangen bin.
00:21:20 Und es gab Folgendes, das betrifft mich auch persönlich leider.
00:21:24 Äh es gab äh verschiedene Steine, die sich aushöhlen ließen.
00:21:30 Da konnte man, bevor der Krieg zu Ende ging, also man hat ja dann versucht zu verstecken, was nur irgendwie ging.
00:21:36 Ich hatte zwar mein kleines Zimmer im untersten Forsthaus.
00:21:39 Aber ich hab' gedacht, nun ja, wer weiß wie es da läuft.
00:21:43 Und hab' auch eine solche Höhle in solch einem großen Stein äh gefunden, wo ich ein paar sehr kostbare Sachen an Stoffen reingesteckt hab'.
00:21:53 Eine wundervolle große, von mir selbst entworfene ähm Feinleinen weiße Tischdecke für zwölf Personen und zwölf Servietten dabei.
00:22:03 Die wollte ich doch retten.
00:22:04 Und grade die schönen Sachen, die ich da rein gebracht hab, die sind während wir weg waren, alle gestohlen worden.
00:22:11 Und ich weiß auch von wem.
00:22:12 Das wurde mir aber viel zu spät gesagt, ich habe mich dann nicht mehr gemeldet.
00:22:15 Ausgerechnet mit der schönen Leinendecke in einem Gasthaus, das ist ja nun nicht das Schönste gewesen.
00:22:21 Ganz unten übrigens am Fuß von Flossenbürg fällt mir ein, war ja auch noch ein Gasthaus, in dem ich als erste eingezogen war, bevor ich Wohnung bekam, nicht.
00:22:29 Ja kurz und gut, die Sachen sind da gestohlen worden und äh dann waren uns die Steine nichts mehr wert. Aber was noch?
00:22:38 IV: Wenn wir heutzutage, wenn ich jetzt in Flossenbürg bin und arbeite, dann hör' ich ab und zu so richtige Sprengungen.
00:22:44 Und dann ist wieder irgendwas im Steinbruch passiert.
00:22:48 Hat man das damals auch gehört, oder..?
00:22:50 AB: Nein, das waren.. Wissen Sie, das waren Häftlingssachen.
00:22:53 Und das hat sich halt alles für unser Ohr hinter dem ganzen Trakt Kommandanturgebäude und was da sonst noch war, abgespielt, so dass man gar nichts gehört hat.
00:23:02 Was ich eher gesehen habe, das war ab und zu so ein kleiner Trupp von fünf, sechs Mann, die durften ausrücken in den Wald mit einem SS-Mann und Hund natürlich.
00:23:12 Die haben da Waldarbeiten verrichten dürfen und wurden auch abends wieder dann, wenn es Zeit war, zurück geführt.
00:23:18 Was ich aber erzählungsweise vielleicht weitergeben kann:
00:23:22 Wie ich dort ankam, war der Erste Kommandant, den ich hätte kennen lernen sollen, Gott sei Dank nicht, der Künstler, der hat Künstler geheißen und sein Adjutant Baumgartner.
00:23:32 Äh dieser Künstler war einer der Üblen.
00:23:35 Und das wurde mir vom Förster erzählt in dessen Haus.
00:23:39 Also das Forsthaus war nur für Wohnungen gedacht, hat nichts mit Forstamt zu tun.
00:23:45 Aber da gehörte eine Wohnung dem Förster Weber, und da konnte ich ein Zimmer abbekommen von der ganzen Geschichte.
00:23:51 Und dieser Förster Weber war amtlich abgestellt als Begleiter für den Künstler, der ein äh Jagdfan war, nicht, also ein begeisterter Jäger, und da musste der Weber immer mitgehen.
00:24:05 Und er war selber sehr witzig und hat dann abends, wenn wir bei Tisch saßen, saß übrigens nur seine Frau und der kleine Junge mit dabei, hat er solche Sachen erzählt, wo ich ja gesagt hab', furchtbar.
00:24:15 Der Künstler zum Beispiel war einer, der die Häftlinge spät hat raustreten lassen, barfuß natürlich wo es geschneit hat und winterlich kalt.
00:24:24 Und es war ihm völlig egal, wenn da einer nach dem anderen umgefallen war.
00:24:28 Also der war so richtig einer von den ganz Schlimmen, nicht.
00:24:31 Der hat sich aber dann weggemeldet, Gott sei Dank.
00:24:34 Ist zum Heer gekommen.
00:24:37 Und es folgte der Koegel, der Bäckermeister Koegel mit dem dicken Kopf nicht und so.
00:24:42 Es war also eine äh massive Figur.
00:24:45 Der war von Anfang bis Ende, wie ich ihn überhaupt kennengelernt hab' dann, war der Kommandant.
00:24:52 Er hat sich übrigens später, hab' ich aus der Zeitung mal entnommen, paar Jahre später oder paar.. weiß ich wann, hat er sich aufgehängt, weil er damit rechnen musste, dass er ja auch zu den Nürnberger Prozessen oder was äh gemusst hätte.
00:25:05 Und da hat er lieber vorher Schluss gemacht.
00:25:07 Also Koegel lebte da nicht mehr.
00:25:09 Ja und kurz und gut..
00:25:11 IV: Wenn wir jetzt mal nen Schnitt machen, die 20er Jahre passé.. Sie sind ja dann..
00:25:15 AB: Ja.
00:25:16 IV: (???) Sie sind ja 1942 aus persönlichen Gründen dann nochmal nach Flossenbürg gekommen.
00:25:26 AB: Ja.
00:25:26 IV: Sie wollten beginnen mit dem Malen..
00:25:29 AB: Ja.
00:25:30 IV: Sie wollten sich in der Stille Flossenbürgs..
00:25:33 AB: Ja.
00:25:33 IV: ...weil Sie es gut kannten aus den 20er Jahren..
00:25:36 AB: Genau.
00:25:36 IV: ...nochmal vorbereiten.
00:25:37 AB: Ja es..
00:25:37 IV: Wenn Sie jetzt an Flossenbürg da denken, wie Sie '42 nochmal kommen..
00:25:41 AB: Da gibt's.. Da muss ich ja die Vorgeschichte erzählen.
00:25:44 Der Krieg kam ja immer näher, die waren ja schon in Würzburg.
00:25:50 Und ich hatte die Vorahnung, ich muss wirklich sagen, manchmal hab ich einen 7. Sinn oder was.
00:25:54 Ich hatte absolut die Vorahnung, dass wir dran kommen.
00:25:57 Und da hat meine Mutter und wer sonst auch gesagt:
00:25:59 "Ich glaub, du spinnst. Die wollen doch Nürnberg, was wollen denn die mit Laufamholz."
00:26:03 Wir waren ungefähr einen halben Meter von Nürnberg-Mögeldorf weg nach Osten gelegen.
00:26:09 Also ein hübscher Ort, der aber auch so etwas zerstreut bäuerlich da und dort und dies und das.
00:26:14 Und links und rechts der Bahnlinie, die ging da auch durch.
00:26:18 Das muss die Ringbahn gewesen sein.
00:26:20 Ja, und da hab' ich gesagt:
00:26:22 "Ich bleibe hier nicht, denn wir werden was herkriegen, ihr werdet euch wundern."
00:26:27 Und meine Mutter wollte da bleiben, und da hab' ich gesagt:
00:26:29 "Na gut, dann geh' ich einmal alleine rauf und werde das Gelände sondieren."
00:26:33 Und ich hab' dann gleich eben dieses Zimmer im Forsthaus bekommen.
00:26:37 Und habe da schon besuchsweise die Sekretärin vom, von Schubert, also von der wie sie das heute Gefolgschaft nennen.
00:26:47 Also von der zivilen Gesellschaft gekannt.
00:26:50 Und die hat gesagt, ich äh, da war ja mein Mann schon gefallen, ja natürlich.
00:26:54 "Frau Biedermann, ich stell Ihnen einen Wagen zur Verfügung, dass Sie Möbel raufbringen."
00:27:00 Und da kriegte ich so einen kleinen Lastwagen, und mit dem konnte ich also meine Couch, dann meine zwei Sessel, meine Kommode, einen Schrank, ein kleines Tischchen..
00:27:09 Also so das Allernötigste konnte ich verladen und wunderschön dieses kleine Zimmer damit ausstatten.
00:27:16 Das war also schon einmal der Anfangspunkt.
00:27:19 Und dann kam dazwischen, dass mein jüngster Bruder in Russland gefallen war.
00:27:24 Und da hat mich die Gemeinde angerufen, ich solle doch nach äh Laufamholz zurückkommen und das meiner Mutter mitteilen.
00:27:31 Es war kein Mensch, ihr das zu sagen.
00:27:33 Nicht einmal die Gemeinde.
00:27:35 Hab' ich also gemacht, und es war natürlich fürchterlich.
00:27:37 Ich mein', es war vorher schon für mich fürchterlich, wie mein Mann gefallen war.
00:27:40 Jetzt also der Putzi auch noch.
00:27:42 Dann gab es nur noch den mittleren, der in Danzig studiert hat.
00:27:46 Also Hoch- und Tiefbau und was weiß ich sonst wie.. Diplom-Ingenieur.
00:27:49 Und dann hab' ich zu meiner Mutter gesagt:
00:27:52 "Schau mal, du siehst ja wohl ein: Du kannst hier nicht allein bleiben.
00:27:54 Und du wirst sehen, es geschieht hier Fürchterliches.
00:27:57 Bitte, bitte komm also auch mit nach Flossenbürg."
00:27:59 Hat sich dann überreden lassen, hat in.. auch im unteren Flossenbürg aber auf der anderen Straßenseite ein Zimmer bekommen bei der Christl hat die geheißen.
00:28:10 Und hat da allerdings sehr viel weniger mit raufnehmen können.
00:28:13 Aber sie war gut untergebracht dort.
00:28:16 Und dann waren wir also alle beide in Sicherheit.
00:28:18 Und ein paar vielleicht waren es Wochen, vielleicht zwei oder drei Monate.
00:28:24 '43 jedenfalls wurde ich wieder angerufen, wir sollen kommen und schauen, was noch übrig geblieben ist.
00:28:30 Laufamholz ist vollkommen zerdeppert worden.
00:28:32 Also verschiedene Häuser jedenfalls, nicht.
00:28:35 Und da sie da keinen richtigen Luftschutzkeller hatten, nirgends, weil sie gar nicht damit gerechnet hatten, war irgendein Bauernhof in der Mitte des Ortes ungefähr dafür umfunktioniert, aber wie.
00:28:46 Nicht in die Tiefe, nicht in die Breite oder sonst was.
00:28:48 Haben einfach da so, so, so ein Haus, ein Blockhaus oder was hingestellt.
00:28:53 Und da sind viele Menschen draufgegangen dabei.
00:28:56 Und die Mutti und ich, wir wären zweifellos in unserm Keller erwischt worden, was anders wäre uns gar nicht eingefallen.
00:29:02 Aber wir waren zum Glück nicht da.
00:29:04 Die ganze Straße hat gebrannt, nämlich hat die Flak, diese ganzen Alliierten, die da Nürnberg im Osten treffen wollten, äh ab, weggeschoben.
00:29:15 Und dadurch haben sie ihren ganzen Mist über Laufamholz runtergeschüttet.
00:29:19 Das war der Urgrund, dass ich gesagt habe:
00:29:21 "Gott sei Dank, dass wir das nicht miterleben mussten."
00:29:25 Dadurch habe ich mir zig, zig Lebensjahre gerettet und meiner Mutter auch.
00:29:30 Durch diese Vorahnung.
00:29:31 Und da begann dann in Flossenbürg unser neues Leben sozusagen, nicht.
00:29:36 IV: Wenn Sie jetzt Flossenbürg äh jetzt 1942/43, sich an dieses Flossenbürg erinnern, wie hat es sich denn verändert zu der ersten Begegnung?
00:29:48 Es gab ja viel mehr Uniformen zum Beispiel im Ort.
00:29:50 AB: Ja, ja, ja. Das hat..
00:29:52 IV: Gab es denn Veränderungen?
00:29:53 AB: Ja. Denn das ist so, '29 und die SS kam '38, das steht in meinem Ding nur irgendwie ziemlich klein gedruckt.
00:30:01 Äh 1938 kam die SS und hat den Flossenbürgern für ein Butterbrot diese ganzen Steinbrüche abgenommen und was damit zusammenhing.
00:30:11 Und äh von denen wir also gar nichts gesehen hatten.
00:30:13 Wir haben nur gemerkt oder gehört und erzählt gekriegt, oh Gottes Willen, die SS ist da.
00:30:18 Und die haben da angefangen mit dem Aufbau des Konzentrationslagers.
00:30:23 Was nun also Prinzessin Irmengard ja auch beschreibt, die es gesehen hat hinter den Gebäuden und so weiter.
00:30:30 Und äh da wurde das Leben irgendwie ein bisschen anders.
00:30:34 Ich war bereits da dann untergebracht '43, im März '43 hab ich anfangen müssen.
00:30:40 Bis zum Kriegsende, am 20. April.
00:30:43 Es waren also genau zwei Jahre.
00:30:45 Und da sind wir dann, das ist aber auch beschrieben glaube ich, auf Anraten unseres Werkzeugsmeisters, der alte Hummel, der war auch Flossenbürger eingesessener, äh..
00:30:55 Wir hatten ans Gebäude, ans Verwaltungsgebäude, hinten dran waren da noch so Hütten oder was.
00:31:02 Und da war die Werkzeughütte {räuspert sich}, die der Herr Hummel verwaltet hatte.
00:31:07 Und der hat, weil wir die letzten waren, mein Mitarbeiter und ich, den hatte ich ja inzwischen, das habe ich jetzt vergessen zu sagen..
00:31:13 IV: Wir kommen da noch hin.
00:31:15 AB: Ja.
00:31:15 IV: Wir kommen da noch hin.
00:31:15 AB: Für die Buchhaltung hatte ich den beantragt.
00:31:17 IV: Also Sie sind sozusagen dann nach Flossenbürg gekommen.
00:31:20 AB: Ja.
00:31:21 IV: Was schätzen Sie denn, wie viele SS-Leute gab's denn in dem Ort?
00:31:25 AB: Das kann man schlecht schätzen. Denn das..
00:31:28 IV: Fielen die auf in der Straße? Liefen die äh..
00:31:30 AB: Ne.
00:31:31 IV: Hat man die beim Bäcker getroffen oder wie war das?
00:31:33 AB: Das war ah.. Die ließen sich im Ort sehr wenig sehen.
00:31:36 Das war ganz anders.
00:31:37 Da mussten - ich glaube alles mit Häftlingen, da müsste ich nochmal bei der Frau Dingsda rückfragen - wurden die SS-Häuser gebaut da oben.
00:31:45 Extra für die SS-Familien.
00:31:48 Und äh ich weiß jetzt im Moment nicht auswendig, wie die heißen..
00:31:51 Da ist ja der, der Heimatpfleger, Bieber hießen die, die Biebers, ja, bei denen war ich mal untergebracht mit meiner Freundin, aber das war später dann.
00:31:59 Ähm durch die hab' ich dann erfahren, dass die SS-Häuser da bezogen wurden von der, den SS-Familien.
00:32:06 Und im Ort eigentlich keine äh derjenigen sichtbar geworden ist.
00:32:11 Die lebten ihr Leben so und wir lebten unser Leben im Ort selber da unten.
00:32:16 Nur mit dem Unterschied, dass ich dann ja ähm, als ich da oben dann angestellt wurde im März '43, gesagt hab':
00:32:25 "Jeden Tag den Weg von ganz da unten bis ganz nach oben, das mache ich nicht."
00:32:29 Vor allen Dingen das Heimgehen, wenn es geschneit hat, das wäre ein ewiges Rutschen und Hinfallen gewesen.
00:32:34 Ich hab mir oben im Verwaltungsgebäude, mmh ich weiß aber nicht mehr genau in welchem Trakt, ein Zimmer geben lassen.
00:32:40 Nur zum Schlafen und dort Bleiben.
00:32:42 Ein bisschen was habe ich mit raufgenommen, aber kein Mobiliar.
00:32:45 Und die Sekretärin des Hauses, als Sekretärin vom Schubert Alois, die hat oben, also wohnlich ein Zimmer gehabt.
00:32:54 Da war vielleicht noch ein Bad und sonst was dabei.
00:32:56 Das weiß ich nicht mehr.
00:32:58 Aber mit der hab' ich mich zu der Zeit dann ganz gut verstanden.
00:33:01 Und so begann mein Leben äh zwischen Flossenbürg ganz unten und Flossenbürg ganz oben.
00:33:08 IV: Wir machen dann sozusagen..
00:33:09 CM: Ja.