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File "AGFl_AV.22.0773.mp4"
Actual file name | AGFl_AV.22.0773.mp4 |
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Folder name | |
Sources | KZ-Gedenkstätte Flossenbürg Signatur: AGFl AV.22.0773 |
File size | 205.65 MB |
Size | 640px × 360px |
Preview | ![]() |
Referenced by | |
Duration | 00:33:21 |
Aspect ratio | 16:9 |
Subtitles for "AGFl_AV.22.0773.mp4"
00:00:00 | IV: Ich nehm' mir nochmal, obwohl es unhöflich ist, noch so ein Hustenbonbon, damit mein..![]() |
00:00:06 | LW: Nicht unhöflich..![]() |
00:00:07 | IV: Damit ich nicht immer da rein huste.. Handys abgeschalten? Vorsichtshalber alle..![]() |
00:00:16 | LW: Meins hab' ich a.. Meins ist nicht abgeschaltet. Kann ich auch machen.![]() |
00:00:19 | IV: Ja, es wäre gut, wenn Sie's ganz ausschalten, weil das gibt dann so 'nen Störton, auch wenn es nicht klingelt oder so..![]() |
00:00:36 | LW: So..![]() |
00:00:45 | IV: Also am Samstag haben wir mit dem Herrn Nasch gesprochen und interviewt..![]() |
00:00:51 | Gut, Herr Weintraub, dann fangen wir an.![]() |
00:00:53 | Wir hatten uns vorgenommen, wir gehen gleich sozusagen "in medias res" hier.![]() |
00:00:57 | Sie sind mit einem Transport von Groß-Rosen hier nach Flossenbürg gekommen.![]() |
00:01:03 | Vielleicht fangen Sie da mal an, auch in Ihrer Erinnerung, woran Sie sich erinnern können.![]() |
00:01:08 | Vielleicht noch den Transport und wie Sie hier ankamen, was Sie noch über Flossenbürg wissen.![]() |
00:01:13 | LW: Nach dem langen Winter in Groß-Rosen, das heißt, in einem Außenkommado von Groß-Rosen waren mehrere![]() |
00:01:24 | und da war ich zuletzt in Dörnhau.![]() |
00:01:28 | Im Februar wurden wir gesammelt und, es war Mitte Februar, wurden wir in den Weg gebracht zu Fuß.![]() |
00:01:43 | Und es war ein, man kann ruhig es Todesmarsch nennen.![]() |
00:01:49 | Selbstverständlich wie immer keine Erklärung, warum und wohin, einfach raus aus den Baracken.![]() |
00:01:57 | Wir hatten kein Gepäck, nur die Kleider, die wir an uns hatten, sonst nichts.![]() |
00:02:04 | Und wir kamen eine riesige Kolonne, das Bild, das ich sich eingeprägt hat in meinem Gehirn ist weiß.![]() |
00:02:20 | Es war ja zweite Hälfte Februar, Schnee.![]() |
00:02:26 | Und eine.. nach vorne eine unendliche Schlange von Punkten, Menschen.![]() |
00:02:34 | Und nach hinten blickend genau so.![]() |
00:02:36 | Müssen paar tausend Menschen gewesen sein.![]() |
00:02:40 | Ab und zu hörte man einen Schuss.![]() |
00:02:45 | Kopf gewendet.![]() |
00:02:47 | Ein Soldat mit dem Gewehr, ein Hingefallener nicht mehr im Stande zu gehen.![]() |
00:02:55 | Und den Gnadenschuss gegeben und liegen gelassen.![]() |
00:02:58 | Dann, in gewissen Abständen, Soldaten in grünen Uniformen.![]() |
00:03:06 | War schwer zu sagen, welchen Rang, welche Schale sie hatten, ob es SS war oder Wehrmacht.![]() |
00:03:12 | Das konnten wir nicht unterscheiden, mit Schäferhunden.![]() |
00:03:18 | In Erinnerung ist auch deutlich, wie wir abends in eine Scheune gepfercht werden, vollgepackt.![]() |
00:03:25 | Und nach zweimal Nacht und am dritten Tag am Bahnhof angelangt.![]() |
00:03:33 | Ich bin sicher, dass es Görlitz gewesen ist, heute Zgorzelec.![]() |
00:03:39 | Und da in Zug. Von der Zugreise, die auch für mich, ich kann es nicht beschreiben, wie lange das gedauert hat.![]() |
00:03:51 | Aber die ganze Zeit kein Essen, kein Trinken, nichts bekommen. Bisschen Schnee konnten wir..![]() |
00:03:57 | Um die Lippen anzufeuchten und der Mund wie ausgetrocknet war.![]() |
00:04:03 | Ein Bild hab' ich in Erinnerung, dass jemand mich in Arm nimmt und mich bisschen tröstet.![]() |
00:04:11 | Ich muss also sehr erschöpft gewesen sein und am Ende meiner Kräfte.![]() |
00:04:17 | Und das, was geblieben ist, der Name Nikolaj oder Nikolai, ein Russe.![]() |
00:04:23 | Und da sind wir zusammen bis nach Flossenbürg.![]() |
00:04:29 | Als eh..![]() |
00:04:31 | Erklärung dieser Schöpfung mag sein aus dieser letzten kurzen Zeit, paar Tage des Todesmarsches ist,![]() |
00:04:41 | dass ich nach Groß-Rosen gekommen bin von Auschwitz-Birkenau, nach kurzem Aufenthalt da.![]() |
00:04:51 | Aber nach fast fünf Jahren darben, hungern und schwerer Arbeit im Ghetto Litzmannstadt auf dem Gebiet der Stadt Lodz.![]() |
00:05:02 | Eine kleine Digression, ich sage niemals "Ghetto in Lodz", weil Lodz war eine friedliche, normale Stadt, da gab es nie ein Ghetto.![]() |
00:05:12 | Aber in der Stadt Litzmannstadt, den Namen bekam Lodz, Ende 1939 nach einem General Litzmannstadt aus dem Ersten Weltkrieg.![]() |
00:05:25 | So bin ich nach Flossenbürg angekommen und man mag mir verzeihen, dass ich so wenige Einzelheiten von diesem Aufenthalt hier in meinen Erinnerungen bewahrt habe.![]() |
00:05:40 | Denn ich kam wirklich an, halb bewusst.![]() |
00:05:44 | Ich hab' kein Bild vom Weg vom Bahnhof rein ins Lager.![]() |
00:05:50 | Kein Bild von Dusche, von Kleider.![]() |
00:05:54 | Aber ich habe einige Bilder von den Baracken und vom den Alltag.![]() |
00:06:02 | Und zwar die unangenehmes Empfinden, aufzuwachen mit einem kalten Fuß an meinem Gesicht.![]() |
00:06:13 | Denn wir waren, jetzt weiß ich das, und ich versuche immer zu betonen, was ich.. an was ich mich erinnern kann.![]() |
00:06:22 | Und was später dazu gekommen.![]() |
00:06:24 | Ich versuche das nicht zu vermischen, abzugrenzen.![]() |
00:06:29 | Denn heute erzählen, mit dem Wissen, was ich heute habe, wie damals das wäre nicht korrekt, wäre nicht aufrichtig.![]() |
00:06:37 | Wir lagen auf der Pritsche zu zwei und zwei in beiden Richtungen.![]() |
00:06:43 | So zwei mit Beine meine Oberkörper und umgekehrt.![]() |
00:06:49 | Ich mit meinen Füßen an die zwei anderen Häftlinge.![]() |
00:06:55 | Und morgens auf Appell, aus dem Schlaf.. dem fieberhaft unruhigen Schlaf, gerissen.![]() |
00:07:03 | Die Leichen am Eingang aufstapeln.![]() |
00:07:09 | Das seh' ich noch deutlich vor mir, wie wir sie hinlegen, die toten Häftlinge, dass die Zahl stimmt beim Abzählen.![]() |
00:07:18 | Dann das unendlich.. Heute ich habe klare Erinnerung, ich habe es empfunden als Unendlichkeit.![]() |
00:07:29 | Das war vielleicht paar Minuten, halbe Stunde, aber für uns, kaum Kleidung an, es war immerhin Ende Februar.![]() |
00:07:39 | Ich bin nach dem Papier von Bad Arolsen, dass ich in den 50er Jahren noch in Göttingen bekommen habe, steht es, am 25. Februar in Flossenbürg registriert, eingeliefert.![]() |
00:07:54 | Auch eine Frage der Nomenklatur, ein Menschenwesen wird eingeliefert.![]() |
00:07:58 | Und am 22. März, nach Offenburg.. transportiert.![]() |
00:08:10 | Ich.. Dann das.. Es war der Gestank war stark, das hab ich auch noch gewisse, rein physische Sinneswahrnehmungen, von Geruch und Berührung.![]() |
00:08:28 | Eben dieses Enge, auf der Pritsche zu liegen, zu viert.![]() |
00:08:33 | Und dann dieses Aufwachen, rausgetrieben, war noch Nacht, war noch dunkel, vorm Morgengrauen, aufgestellt.![]() |
00:08:44 | Nach dem Abzählen dann, wir hatten keine Beschäftigung.![]() |
00:08:48 | Wir wurden nicht in Arbeitseinsatz miteinbegriffen, denn wir waren ja die Quarantäne.![]() |
00:08:56 | Es war kalt und ein.. Man kann sagen ruhig, apokalyptisches Bild, das könnte Bruegel vielleicht gezeichnet haben.![]() |
00:09:08 | Es war uns kalt, wir haben uns aneinander gekuschelt, auf dem großen Appellplatz.![]() |
00:09:15 | Da kamen neue dazu, neue dazu und das Bild von mehreren hundert Menschen, die sich aneinander kuscheln, um sich gegenseitig zu wärmen.![]() |
00:09:26 | Dabei entstand der Prozess, der Vorgang, dass die im Kern dieser Gruppe waren, die wollten raus, weil sie am Ersticken nahe waren, es war zu eng geworden, die wollten raus.![]() |
00:09:40 | Und die, die Außenschicht, denen war's kalt im Rücken, die möchten gerne rein,![]() |
00:09:46 | um von allen Seiten, von anderen Körpern immerhin, die biologische um 37, 36 Temperatur haben eine gewisse Wärme doch ausstrahlen.![]() |
00:09:58 | So wie ein Ameisenhaufen, der sich bewegt über den Appellplatz.![]() |
00:10:03 | Wenn man die Augen schließt, sich das vorstellen könnte, das ist eh, so fest ein.. eingeritzt in meinem Gehirn.![]() |
00:10:14 | Wann, warum und wieso, wir dann nach diesen paar Wochen weiter gebracht wurden, wahrscheinlich ist es, dass die zweite Front näher kam.![]() |
00:10:30 | IV: Haben Sie denn noch Erinnerung.. Sie waren in dem Quarantäneblock..![]() |
00:10:36 | LW: Ja..![]() |
00:10:36 | IV: Haben nicht gearbeitet. Haben Sie noch Erinnerungen eh, an die Verpflegung, an die Behandlung durch die SS oder die Leute, die da waren..![]() |
00:10:45 | LW: Nein, ich hab' nur ein Bild von Sonnenschein und Hügel in der Ferne, wahrscheinlich über das Hauptgebäude.![]() |
00:10:56 | In diese Richtung.![]() |
00:10:57 | Eh, ich kann nur damit erklären, dass ich wirklich physisch so heruntergekommen war, dass eh, die Fähigkeit wahrzunehmen sehr, sehr eingeschränkt war.![]() |
00:11:12 | Und darum sind nur einige, prägsame Bilder in meiner Erinnerung geblieben.![]() |
00:11:21 | Ich hab'.. Da kommen wir vielleicht noch drauf zu sprechen.![]() |
00:11:27 | Seit dem Ankommen in Auschwitz-Birkenau, als wir aus dem Viehwaggons rausgetrieben wurden, da standen solche komischen Gestalten in Pyjamas, weiß blau gestreiften Häftlingsanzügen.![]() |
00:11:49 | Für uns war es so komisch, dass Menschen in Schlafanzug hier rumlaufen.![]() |
00:11:53 | Und ich schrie nur "Raus, raus, schnell, schnell!"![]() |
00:11:57 | Und da hab' ich im Augenwinkel den Zaun gesehen mit weißen Isolatoren.![]() |
00:12:04 | Ich habe im Ghetto als Elektriker gearbeitet und ich habe geschaltet: Isolatoren, also stromführende Leitung an einem Zaun.![]() |
00:12:14 | Elektrisch.. Ein senkrechter elektrischer Stuhl, kann man sagen.![]() |
00:12:19 | Wo sind wir hin gekommen?![]() |
00:12:23 | Die Vorgeschichte war, wir wurden ja alle irregeführt, beschummelt.![]() |
00:12:30 | Hans Biebow, hab' ich selber gehört, hat versprochen, dass wir von der Front weggebracht werden, zu unserer Sicherheit.![]() |
00:12:39 | Wir kriegen Verpflegung auf dem Weg, wir dürfen alles mitnehmen, was wir brauchen.![]() |
00:12:44 | Ohne Möbel, selbstverständlich, auch Geschirr, Küchengeräte bittesehr.![]() |
00:12:49 | Und wir werden in Sicherheit gebracht.![]() |
00:12:51 | Und da steig' ich aus dem Waggon raus, vollgepackt mit Menschen, sage meiner Mutter und meinen vier.. drei Schwestern "Wir sehen uns drin."![]() |
00:13:02 | Und dann mit den Augen.. sah ich, was da drin ist.![]() |
00:13:06 | Da ist etwas eingetreten, das ich nur mit einem Schock erklären kann.![]() |
00:13:12 | Ich kam in einen Zustand, fast wie.. Im Medizinischen kann man sagen Katatonie oder Autismus, wie eine Muschel sich schließt.![]() |
00:13:21 | Meine physische, körperliche Tätigkeiten waren intakt, alle..![]() |
00:13:32 | Ich hab' gehört, ich hab' gesehen, ich hab' Befehle ausgeführt.![]() |
00:13:36 | Aber meine Gehirnrinde war, wenn nicht ausgeschaltet, dann sehr begrenzt in Tätigkeit.![]() |
00:13:46 | Das ich habe kaum Erinnerungen mit jemand gesprochen zu haben, seit dem Besteigen der Rampe in Birkenau, bis zur Befreiung.![]() |
00:13:57 | Paar einzelne Worte, aber nie.. keine Freundschaft geschlossen, kein Erinnerung an ein Gesicht.![]() |
00:14:06 | Ein oder zwei Ausnahmen.![]() |
00:14:07 | So das kann erklären, dass ich so wenig behalten habe.![]() |
00:14:14 | IV: Denken Sie, das war so etwas wie so ein Schutzmechanismus.. also sozusagen die Wahrnehmungsabsicht erhalten.![]() |
00:14:19 | LW: Es stimmt.![]() |
00:14:21 | Nachher kann ich Ihnen das als Arzt erklären, dass das war vielleicht ein Selbsterhaltungstriebsreaktion.![]() |
00:14:28 | Um das Furchtbare.. sozusagen mich abzuschirmen, gegen das Grauenhafte, nur als physische Sammlung von Gewebe zu funktionieren.![]() |
00:14:42 | Aber, wenn ich mir bewusst wäre oder würde, über das, was rund um mich geschieht und mit mir selber, dann würde ich vielleicht durchdrehen und das nicht durchhalten.![]() |
00:14:55 | Da wäre meine psychische Widerstandskraft so gebrochen, dass auch der Körper darunter leiden würde.![]() |
00:15:04 | Und das ist vorgekommen, dass Menschen dann einfach nicht mehr essen konnten, verdarben und schnell untergegangen sind, das, das kann stimmen, dass das die Erklärung ist.![]() |
00:15:14 | Und das ist keine Entschuldigung, aber der Versuch einer Erklärung, warum ich so wenig von Flossenbürg.![]() |
00:15:24 | Wenn ich von der Ghettozeit, von dieser kurzen Zeit in Birkenau hab' ich viel mehr deutliche Bilder und Erinnerungen und eine Folge von Bildern als diese Zeit.![]() |
00:15:37 | Denn von Flossenbürg, sind wir dann in Personenwagen, glaub' ich.![]() |
00:15:44 | Ne, ich bin nicht ganz sicher, aber nach Außenkommando des KZ Natzweiler in Offenburg gekommen.![]() |
00:15:54 | Das waren schon die letzten Zuckungen des Dritten Reiches.![]() |
00:15:59 | Das hab' ich damals gar nicht mit begriffen.![]() |
00:16:03 | Aber es war nicht mehr so präzise geordnet, es war schon bisschen Chaos, bisschen Unordnung und Schluderigkeit.![]() |
00:16:12 | Wir wurden untergebracht in einem Gebäude, war es ein Schulgebäude oder ein geräumtes normales, mehrere Stockwerke.![]() |
00:16:21 | Und da hab' ich auch sehr wenig Erinnerungen.![]() |
00:16:25 | Außer einem sehr drastischen Geschehen.![]() |
00:16:28 | Ich sollte die Wäsche der Wache, der Wachmannschaft waschen.![]() |
00:16:37 | Und zwar wahrscheinlich ein einfaches Badezimmer in einer Badewanne, heißes Wasser, die Luft undurchsichtig durch den Dampf des heißen Wassers.![]() |
00:16:48 | Und ich sehe mich in meinem fieberhaften Zustand, halb bewusst.![]() |
00:16:55 | Wie.. wie in Fieberzustand diese Wäsche waschen und wahrscheinlich hab' ich was.. sicher was Falsches gemacht.![]() |
00:17:05 | Und wurde mit 25 Schlägen auf den baren Sitz.. verurteilt.![]() |
00:17:14 | Und über einen Bock gespannt.![]() |
00:17:17 | Vorne die Arme nach unten festgebunden und die Beine da hinten, Hose runter gezogen und ich sollte mitzählen.![]() |
00:17:26 | Es war ein Gummirohr.. Schlauch, bi... elastisch, aber dass es stärker wirkt, war mit Sand gefüllt.![]() |
00:17:38 | Dass es schwerer wiegt.![]() |
00:17:39 | Beim.. Bis acht konnte ich mitzählen und dann war es aus, war ich weg.![]() |
00:17:45 | Und die Erinnerung ist, dass ich die nächsten.. mehrere Tage nur auf dem Bauch liegen konnte, konnte nicht auf dem Rücken liegen.![]() |
00:17:58 | Wir haben auch kein Arbeitseinsatz gemacht in diesem Offenburg, war auch so eine Transportaufbewahrung.![]() |
00:18:06 | Wahrscheinlich wussten sie gar nicht, was sie mit uns machen sollen, da zu dieser Zeit.![]() |
00:18:12 | Denn eines Tages wurden wir gegen Morgen aus den.. es waren keine Betten, lagen auf dem Fußboden.![]() |
00:18:22 | Gesammelt ist der richtige Ausdruck, zum Bahnhof und diesmal waren es deutlich Personenwagen.![]() |
00:18:30 | Sind paar Stunden nur gefahren, kamen Flugzeuge.![]() |
00:18:35 | Wir hörten Explosionen und dann war es still und wir standen.![]() |
00:18:43 | Nach einiger Zeit wurden wir aus den Waggons rausgetrieben und in den Wald.. getrieben. Hügel rauf, Hügel runter.![]() |
00:19:00 | Das war der Schwarzwald.![]() |
00:19:02 | Das war schon kurz nach Donaueschingen. ![]() |
00:19:06 | Nach einigen Stunden, ich glaube es waren Stunden, haben uns hingeschleppt, hingeschleppt, waren eine Gruppe.![]() |
00:19:16 | Zufällig, ich weiß nicht warum, ich kannte sie nicht, ich war der jüngste, fünf bisschen ältere junge Menschen.![]() |
00:19:25 | Bisschen zurückgeblieben, zurückgeblieben, waren so schwach.![]() |
00:19:31 | Auf einmal war die Hauptgruppe verschwunden aus unserem Blickwinkel, aus dem Horizont.![]() |
00:19:39 | Und die Wache war auch weg und dann sahen wir in den Büschen einzelne Uniformstücke liegen.![]() |
00:19:47 | Jacken, Mützen mit SS-Zeichen.![]() |
00:19:49 | Ohne viele Worte haben wir uns angeschaut und in die Büsche geschlagen und gehockt und gewartet, und gewartet.![]() |
00:19:59 | Gegen späten Nachmittag, es fing an zu Grauen, hörten wir wieder Schüsse.![]() |
00:20:05 | Und da ich so leicht war, ich wog damals 35 Kilo, haben wir ein.. nach ein Baum geschaut,![]() |
00:20:11 | die haben mir geholfen, mich hochgehoben, ich bin hochgeklettert und konnte ins Tal runter schauen.![]() |
00:20:17 | Und da sah ich, dass eine Lokomotive von links, wir kamen ja von rechts angekommen ist, angeschlossen an den Zug.![]() |
00:20:25 | Und Leute auch so wie schwarze Punkte, rangetrieben in den Zug.![]() |
00:20:30 | Da war der Alexander Laks, wie ich gestern erfahren habe.![]() |
00:20:34 | Er ist weiter gefahren nach Immendingen, glaub' ich.![]() |
00:20:38 | Ich bin in den Büschen geblieben, Zug ist abgefahren.![]() |
00:20:41 | Wir sind dann in die gegengesetzte Richtung gegangen, wie der Zug abgefahren ist.![]() |
00:20:49 | War schwierig, die ganze Nacht immer wieder durch Wasser, weil da Donau solche enge Schlingen hat, zum Glück nicht tief, so immer waten rüber.![]() |
00:21:02 | Gegen Morgengrauen, kamen wir auf eine Landstraße.![]() |
00:21:06 | Und da seh' ich deutlich, es kamen uns entgegen drei grüne Uniformen auf Fahrrädern.![]() |
00:21:14 | Als sie nahe kamen, haben die einen Bogen um uns gemacht und wir ein Bogen um sie.![]() |
00:21:21 | Die fürchteten uns und wir fürchteten alle Uniformen, war etwas Feindliches.![]() |
00:21:27 | Und nach nur paar hundert Metern war eine Waldschneise, hinter der Kurve, kam uns ein Lastwagen entgegen.![]() |
00:21:38 | Etwas Ungewöhnliches. Ein schwarzes Gesicht mit einem weißen Kopf.![]() |
00:21:44 | Jetzt weiß ich, es war ein Turban am Maschinengewehr.![]() |
00:21:48 | Wir waren so verängstigt wie, wie.. alles.. rein in, in die Büsche, aber da hörten wir Schüsse.![]() |
00:21:56 | Da kamen wir raus, Hände hoch, gingen ihnen entgegen.![]() |
00:22:01 | Und gezeigt "KL" haben mit weißer Farbe auf die Jacke aufgestrichen, die zwei Buchstaben "KL" und zeigt auf den Kopf.![]() |
00:22:13 | Mit der Haarschneidemaschine wurde uns dieser Teil rausgeschnitten, um uns zu kennzeichnen als Häftlinge, wenn jemand flüchten würde, wurde sofort erkennbar sein.![]() |
00:22:24 | So wir haben das Haar nicht ganz rasiert, sondern nur da ganzen Teil.![]() |
00:22:29 | Aber die Mitte dieser, ganz genau das Haar weggebracht mit einer Haarschneidemaschine.![]() |
00:22:36 | Da kam uns ein hochgewachsener Soldat entgegen, in einer anderen braun Farbe, khakifarbe, hellere.![]() |
00:22:46 | Mit der Pistole in der Hand uns entgegen und als wir das gezeigt haben,![]() |
00:22:50 | seh' ich noch diese Pistole hochgeworfen in die Luft und mit der linken aufgefangen und "Comment ça va?"![]() |
00:22:57 | Und zeigte nur mit dem Daumen: "Geht in diese Richtung". Da sind die unsern..![]() |
00:23:02 | Das ist der Befreiungsaugenblick, der faktische Befreiungs.. Denn da war ich nicht mehr gefangen.![]() |
00:23:13 | Wir gingen ins erstbeste Haus rein, waren so ausgehungert und, und durstig.![]() |
00:23:19 | Die verängstigten.. Ich seh' noch die Leute, kein deutschen Gesichter, aber gebeugt und verängstigt.![]() |
00:23:26 | Etwas zu trinken, glaube nicht, dass ich was gegessen habe.![]() |
00:23:31 | Und haben uns dann weiter auf den Weg gemacht und nach paar Kilometern, kurz vor Donaueschingen sah man schon eine ganze, fast Horden von, jetzt weiß ich das, Fremdarbeitern, mit Handwagen, vollgepackt mit Sachen.![]() |
00:23:50 | Wir kamen rein, wir waren kleine Gruppe von fünf Leuten.![]() |
00:23:55 | Nach Donaueschingen, die Stadt schien wohl total leer zu sein, wir sahen keinen Menschen.![]() |
00:24:03 | Wahrscheinlich haben sich versteckt oder wagten nicht raus zu gehen.![]() |
00:24:08 | Da sahen wir Gasthof "Zur Sonne", da sind wir rein gegangen, kein Mensch drin.![]() |
00:24:14 | Was essen, etwas war schon damals mir von dieser ärztlichen Berufung oder so viel noch Verstand bewahrt oder.. erwacht, kann man sagen, dass wir uns nicht überessen sollen.![]() |
00:24:33 | Ich hab' Mehl gefunden in einem Schrank.![]() |
00:24:35 | Bisschen Wasser dazugegeben, aufgewärmt, bisschen Salz dazu und das haben wir erstmal gegessen.![]() |
00:24:42 | Schlafen konnt' ich nicht, es war ein Federbett, so weich und Federdecke.![]() |
00:24:49 | Ich hab' versucht einzuschlafen, aber bin immer wieder aufgewacht und Gefühl, ich falle, ich falle.![]() |
00:24:55 | Erst als ich mich auf den Fußboden gelegt habe, da bin ich richtig eingeschlafen.![]() |
00:25:01 | In der weitere.. was weiter geschehen ist, das ist alles schon das nachher..![]() |
00:25:09 | Noch kurz zu erwähnen vielleicht, dass einig.. nach einigen Tagen, sind die meisten von.. haben sich gesammelt, sind eh, geflüchtet.![]() |
00:25:21 | Weil man gehört hat, in einem Dorf nicht weit von Donaueschingen der Werwolf wirkt und Leute erschossen hat.![]() |
00:25:29 | Da hatten Leute Angst bekommen, ich hab' mich schlecht gefühlt, wahrscheinlich mich erkältet oder Fieber bekommen.![]() |
00:25:36 | Und gefragt, wo ich zum Arzt kommen kann, da wurde ich hingewiesen zum französischen Armeearzt.![]() |
00:25:44 | Und der hat mich nur gefragt, woher ich komme, sag' ich "Aus dem Gasthof 'Zur Sonne.'"![]() |
00:25:48 | "Aha, da waren schon zwei Typhus-Fälle."![]() |
00:25:50 | Und mich ins Krankenhaus in Donaueschingen ins Krankenhaus verwiesen auf den Typhussaal.![]() |
00:25:57 | Da hab' ich paar Wochen verbracht.![]() |
00:26:02 | Der Befreiungstag war der 23. April.![]() |
00:26:07 | Und von Herrn Brückner am gleichen Tag befreit wurde, hab' ich erfahren, dass es ein Montag war.![]() |
00:26:13 | Das wusste ich ja, hab' mir ja keine Gedanken gemacht, nachzuforschen, welcher Tag, welcher Wochentag das war.![]() |
00:26:20 | Aber das Datum wusste ich.![]() |
00:26:26 | Und eh, da war nach paar Wochen, es war..![]() |
00:26:31 | Das heißt, ich war den ganzen Mai wahrscheinlich in diesem Krankenhaus, denn Anfang Juni wurde ich entlassen.![]() |
00:26:39 | Und da stand ich vorm Tor des Krankenhauses mit meinen drei Sachen an meinem Körper.![]() |
00:26:45 | Noch zu ergänzen, als wir ankamen in Donaueschingen im Gasthaus "Zur Sonne", nachdem was gegessen haben, haben wir gesucht was anzuziehen.![]() |
00:26:55 | Wir hatten ja die alten, zerschlissenen Kleider an uns.![]() |
00:26:59 | Da gingen wir paar Häuser rein, kein Mensch, ich hab mir ein Hose, nicht mal Unterhose, ein Paar Hosen, Socken, ein paar Schuhe und eine Jacke.![]() |
00:27:11 | Andere haben vollgepackt, aber mir fiel es nicht ein, mehr zu nehmen als ich da gerade brauchte.![]() |
00:27:19 | So stand ich, so wie ich angekommen in Krankenhaus, stand ich da.![]() |
00:27:23 | Und ich weiß nicht auf welche Weise, kann mich nicht mehr erinnern, ich erfahren habe, dass in einem nahegelegenen Dorf auch eine Gruppe früherer Häftlinge, KZ-Häftlinge sind.![]() |
00:27:37 | Das waren vielleicht zehn, elf Kilometer, mich dahin geschleppt, kann man wohl sagen, so abgeschwächt nach dieser langen Krankheit.![]() |
00:27:44 | Und da kam ich an, gerade, glücklich, Glücksvogel, nicht Pechvogel diesmal, waren gerade vorbereiten.![]() |
00:27:55 | Haben alle sich Fahrräder angeschafft und wollten nach Konstanz am Bodensee.![]() |
00:28:01 | Wir haben gehört, dass dort schon eine Art Gruppe ist, eine jemand da, der sich um uns bemühen könnte.![]() |
00:28:08 | Wir hatten ja gar keine Papiere, kein Geld, kein Ausweis, nichts.![]() |
00:28:12 | Wir waren nur, so wie wir standen.![]() |
00:28:14 | Da ich kein eigenes Fahrrad hatte oder nicht im Stande, Fahrrad zu fahren, wurde ich auf dem Rahmen abwechselnd oder auf dem Gepäckträger mitgeschleppt, bis zum Zug.![]() |
00:28:26 | Wo das war, ob es war Tuttlingen, oder Villingen.![]() |
00:28:29 | Am Zug angekommen, und wieder mal: Keine Fahrkarte, kein Geld, wir haben nur gesagt "KZ".![]() |
00:28:37 | Und da wurden die Soldaten, die Wachen und auch Beamten, deutsche Beamten, haben durch die Finger geschaut und uns nicht abgewiesen.![]() |
00:28:46 | Keine Fahrkarte, raus aus dem Zug.![]() |
00:28:48 | Wir kamen nach Konstanz an und dann fing eben das neue Leben an. Das.. nicht das neue.. <i>das</i> Leben an.![]() |
00:28:57 | IV: Als Sie befreit wurden, eh.. wie war das, können Sie sich da noch an Gefühle erinnern? Wie war das für Sie?![]() |
00:29:06 | War das sowas wie "Jetzt hab ich überlebt, jetzt ist alles geschafft" oder hat man das gar nicht so wirklich registriert in dem Chaos?![]() |
00:29:13 | Können Sie sich so ein bisschen erinnern, wie ging's Ihnen? Irgendwann war ja klar: Die Nazis sind weg..![]() |
00:29:19 | LW: Es sind wenige Ereignisse, die mich aufgewühlt haben.![]() |
00:29:25 | Und schon da gezeigt haben, wahrscheinlich welche Art Mentalität in, in mir war, verborgen und zu Tage kam.![]() |
00:29:39 | Denn gleich nach der Befreiung ist eine Erinnerung in dieser Gruppe Donaueschingen oder kurz davor hab' ich ein Bild, dass sie zwei Menschen aufgehängt haben.![]() |
00:29:54 | Ob es SS-Männer waren und wurde gesagt, jetzt werden ihnen heim zahlen.![]() |
00:30:04 | Und das hat mich sehr übel berührt und fast abgestoßen.![]() |
00:30:09 | Da wären wir doch die gleichen sein, wie die.![]() |
00:30:13 | Wenn wir das gleiche tun ihnen, was uns getan haben, sind wir denn besser?![]() |
00:30:19 | Das war das erste Erwachen eines Bewusstseins, eines sich Finden in einer neuen Gegenwart.![]() |
00:30:26 | Ich kann euch nicht das gleiche tun, was man uns angetan hat, da bin ich ja nicht, nicht besser.![]() |
00:30:32 | Aber ich will ja nicht so sein. Und das war ein deutliches Bild, dass ich eh, diese Art, eine Art Reflex war's bei ihnen: Rache.![]() |
00:30:43 | Ich hab' dann gehört von anderen auch, dass man in eh, Birkenau, als der Älteste der Juden, Rumkowski, da auch angekommen ist, dass ihn die Leute fast in Stücke gerissen haben.![]() |
00:30:57 | Auch an anderen, wie auch der Polizei, Ghettopolizei, jüdischen Polizisten auch eh, umgebracht haben.![]() |
00:31:06 | Es kam sowas vor.![]() |
00:31:07 | Unter eigenen, aber auch vor allem gegenüber deutschen SS-Leuten.![]() |
00:31:15 | Das war für mich eines der ersten bewussten Wahrnehmungen nach der Befreiung.![]() |
00:31:24 | Und von dieser Zeit ist mir eingefallen.. Rache.![]() |
00:31:30 | Ich hab' vorgestern bei dem Gespräch mit den Jugendlichen das erwähnt, weil sie christliche Jugendliche sind, sich Gedanken zu machen über die Worte: Rache, Strafe.![]() |
00:31:47 | Ist Strafe auch Rache? Oder ist Rache auch Strafe?![]() |
00:31:52 | Und zweitens: Täter. Ist der Täter strafbar, wenn nach geltenden Gesetzen gehandelt hat?![]() |
00:32:04 | Wenn die Gesetze, die gelten legal in diesem Land, in dieser Staatsführung legal waren, aber im allgemeinen Begriff kriminell?![]() |
00:32:17 | So das sind schwierige Gedankengänge über Kritik und Moral.![]() |
00:32:24 | Jetzt haben wir's ja leichter, da wir durch die Vereinten Nationen eine Art Code für Menschenrechte, eine Richtlinie haben.![]() |
00:32:35 | Sodass heute ein Täter nicht mehr sagen kann "Ich habe nur Befehl.. ausgeführt. Und das war nicht meine eigene Initiative, meine Absicht, aber ich musste Befehl ausführen."![]() |
00:32:52 | Jetzt gibt es eine Richtlinie, wo man sich sagen muss: "Kann ich sowas tun, trotz Befehl? Ist es richtig?"![]() |
00:33:02 | Und kann sich darauf berufen "Nein, das allgemeine Menschengesetz, die Menschenrechte sagt, das ist nicht gut."![]() |
00:33:09 | Dann mein Schwager war Obergerichtspräsident in Köln..![]() |
00:33:14 | IV: Ich muss jetzt mal unterbrechen, weil die Kassette voll ist.![]() |
00:33:17 | LW: Gut..![]() |