Media Collection "Interview Helga Kinsky 2007"

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Originator/Copyright holder Medienwerkstatt Franken
Source(s) KZ-Gedenkstätte Flossenbürg / Medienwerkstatt Franken
Usage conditions Nur mit Einverständnis und Nennung von Archiv bzw. Urheber
Display format Interview, Rohmaterial
Interviewer Ulrich Fritz
Camera Günter Wittmann

Subtitles for "AGFl_AV.22.0937.mp4"

00:00:00 CM: Kamera läuft.
00:00:01 IV: Dann beginnen wir.
00:00:04 Frau Kinsky, Sie sind jetzt mit.. Sie haben ein sehr umfangreiches Besuchsprogramm in Oederan in diesen Tagen.
00:00:12 Ähm, ist es das erste Mal seit dem Krieg, dass Sie wieder in Oederan sind, oder waren Sie vorher schon einmal wieder hier?
00:00:20 HK: Nein, ist das erste Mal, dass ich in Oederan bin.
00:00:24 Ich bin auch deswegen hergekommen, weil ich es noch einmal in meinem Leben sehen möchte, wo ich damals war.
00:00:32 Und das hat sich jetzt erst ergeben.
00:00:35 Ich glaube, alleine wäre ich nicht gekommen.
00:00:38 IV: Können Sie sich noch an Ihre erste Ankunft in Oederan erinnern?
00:00:42 HK: Ja, natürlich.
00:00:45 Äh.. wir sind, ich glaube, es war am Morgen.
00:00:50 Manche sagen, es war am Abend, aber ich bin ganz sicher, es war gegen 8 Uhr früh, etwas früher.
00:00:56 An einem sehr kalten Morgen Ende Oktober.
00:01:01 Und wir marschierten diese kurze Strecke zu dem jetzt Zwirnwerk und damals Munitionsfabrik.
00:01:12 Und äh wir wurden einquartiert, ich glaube, das muss ein Lager oder Magazin gewesen sein äh im 2. Stock in einem ziemlich hellen Raum.
00:01:28 Ähm ich wurde erst zugeteilt zu einem 18-jährigen Mädchen, aber ich wollte nicht bei ihr liegen, weil sie äh, sie hatte nicht offene Tuberkulose.
00:01:41 Aber in Theresienstadt wurden wir alle röntgenisiert und die, die diese Tuberkulose hatten, wurden besonders gepflegt oder hatten bessere Nahrung.
00:01:53 Und ich wusste das von ihr.
00:01:55 So wollte ich nicht neben ihr liegen.
00:01:59 Bin dann in Stockbetten im zweiten Stock gelegen beim Fenster mit einem sehr sehr lieben Mädchen.
00:02:06 Bei der ich mich vor Jahren bedanken wollte für ihre liebe Weise, mich zu betreuen als Jüngere.
00:02:13 Aber leider weiß ich den Namen nicht.
00:02:16 IV: Sie haben es schon angesprochen. Sie waren sehr jung, als Sie hier äh waren.
00:02:20 Wie alt waren Sie?
00:02:22 Und ähm waren Sie ganz allein hier?
00:02:26 Kannten Sie andere von den Frauen, die hier waren?
00:02:30 Wie war das?
00:02:32 HK: Mein Vater war so ein Halbprominenter in Theresienstadt.
00:02:36 Der war ein geschützter Kriegsinvalide.
00:02:39 Am Anfang von Theresienstadt waren alle Kriegsinvaliden des 1. Weltkrieges geschützt.
00:02:46 Aber dann kam ein SS-Mann.
00:02:48 Jetzt weiß ich nicht, ich glaub' Günther hieß er.
00:02:51 Der hat dann ausgesucht, wer von den Kriegsinvaliden weiter geschützt bleibt und wer nach Auschwitz deportiert wird und vergast wird.
00:03:01 Und mein Vater wurde ausgesucht in Theresienstadt zu bleiben, und er war dann der Leiter des Invalidenheimes.
00:03:09 Ich aber mit.. wenn man 14 Jahre alt war, war man äh im Arbeitsprozess und nicht mehr geschützt von den Eltern.
00:03:20 Meine Mutter war in England, so ging ich ohne meinen Vater in den Transport.
00:03:26 Es war aber meine Hauptbetreuerin und noch zwei Mädchen aus meinem Zimmer im Transport.
00:03:33 Nur sie ist irgendwie zusammengebrochen.
00:03:38 Sie hat auch wahnsinnige Zahn- oder irgendwelche Schmerzen, so dass sie sogar in Oederan zum Zahnarzt kam.
00:03:46 Und sie hat sich um mich überhaupt nicht gekümmert.
00:03:50 Mein Vater hatte sie gebeten, dass sie sich um mich kümmert.
00:03:54 Aber das hat sie nicht getan.
00:03:56 IV: Sie sind aus Auschwitz nach Oederan gekommen.
00:03:59 Haben Sie in Auschwitz erfahren, an welchen Ort Sie gebracht werden?
00:04:04 Oder haben Sie erfahren, dass Sie zur Arbeit kommen?
00:04:08 Was wussten Sie?
00:04:10 HK: Ähm, naja, am Anfang in Auschwitz ist man wirklich nur ein Tier.
00:04:16 Wir lagen ohne Matratzen, ohne Decken mit Fetzen bekleidet zu acht auf Betten, die vielleicht für drei Personen waren.
00:04:27 Und den Rest standen wir Appell, und man hat auch nichts zu essen bekommen.
00:04:33 Und äh als es hieß, dass wir auf Arbeitstransport gehen, haben wir uns sehr gefreut.
00:04:41 Wir wurden noch einmal geführt zu einem Bad, wo manche der Erwachsenen Angst hatten, dass das könnte Gas sein.
00:04:49 Aber ich als Kind habe nichts gewusst.
00:04:53 Es war ein kalter sonniger Tag und wir standen dort vom Vormittag bis es dunkel wurde abends und dann hieß es:
00:05:00 "Schnell, schnell zu den Viehwaggons".
00:05:03 Es war schon dunkel.
00:05:05 Ich erinnere mich, da waren solche Brettertische.
00:05:10 Und jeder, der vorbei ging, hat eine Mettwurst bekommen und ein Strietzelbrot.
00:05:16 Und ich weiß in dem Dunkel, weil so viele auf Transport gingen, also auf andere Arbeitstransporte, da hatte ich eine panische Angst, meine Theresienstädter Gruppe zu verlieren.
00:05:29 Und konnte so nicht entscheiden, Brot oder Waggon.
00:05:33 Aber ich hab dann beides geschafft.
00:05:37 Ja und so sind wir über die Nacht gefahren nach Oederan.
00:05:44 Mit uns war ein Soldat eingeschlossen.
00:05:49 Der Waggon war plombiert.
00:05:54 Neben ihm stand ein Kübel, wo man seine Notdurft verrichtete.
00:06:00 Irgendwelche ältere Frauen - älter, die waren auch unter 30, haben mit ihm ein Gespräch angeknüpft.
00:06:11 Und ich weiß, dass er einen sein Taschenmesser geschenkt hat und einen Bleistift.
00:06:18 Und ja, dann sind wir, es war schon ziemlich hell, als wir ankamen am Bahnhof in Oederan.
00:06:29 IV: Als Sie angekommen sind und in die Fabrik gekommen sind, da waren schon andere Frauen da?
00:06:36 Polnische Häftlinge?
00:06:38 HK: Es waren äh 200 polnische Häftlinge und ich glaube auch 100 Slowakinnen.
00:06:45 Also Slowakinnen eher aus der ungarischen Teil der Slowakei.
00:06:53 IV: Hatten Sie mit denen Kontakt, oder ähm gab's einen Austausch?
00:06:57 Haben die Ihnen erklärt, wie das hier abläuft?
00:07:01 Oder waren Sie eher getrennte Gruppen?
00:07:03 HK: Das waren ziemlich getrennte Gruppen, aber jeder hatte glaube ich schon Repräsentanten, die miteinander zusammenarbeiteten.
00:07:12 Ähm, als wir bei dem Bad standen in Auschwitz, kam.. jetzt kann ich mich aber nicht mehr erinnern, ob es eine SS-Frau war oder irgendein Kapo, und hat gesagt:
00:07:26 "Habt ihr Hunger?"
00:07:28 Und wir haben gesagt: "Ja",
00:07:30 und da hat sie gesagt, "ich brauche vier Freiwillige, die die Suppe herbringen."
00:07:36 Und das war die letzte Reihe, hat sich meine Freundin Eva Stern, ihre Schwester Dori Stern und noch zwei gemeldet, und die sind nicht mehr zurückgekommen.
00:07:47 Da wurde eingeschleust von der SS Frauen, mit denen sie gearbeitet haben in Auschwitz.
00:07:55 Und die glaub' ich wurden dann so in die leitende Position in Oederan gehievt.
00:08:02 Ich bin mir nicht ganz sicher, darunter war eine slowakische Lehrerin.
00:08:06 Aber die waren uns nicht böse gesinnt.
00:08:09 Im Gegenteil.
00:08:10 Aber sie hatte Zugang zu der SS-Frau, Weniger, die dann später gekommen ist.
00:08:17 Weil am Anfang war ja die Haupt-SS-Frau nicht in Oederan.
00:08:21 IV: Aber es waren schon andere Aufseherinnen da?
00:08:24 HK: Ja, aber die waren ziemlich harmlos.
00:08:26 IV: Was waren das für Frauen?
00:08:28 HK: Ich glaube, das waren lokale Bauernmädchen und so weiter, die sich für irgendwas melden mussten.
00:08:36 Die waren so etwas über 20, das..
00:08:39 IV: Und die waren Ihnen nicht besonders böse gesinnt, oder haben Sie nicht besonders drangsaliert?
00:08:44 HK: Nein, nein eigentlich nicht.
00:08:47 Eine war streng, so eine dünne lange, die auch bisschen älter war und vielleicht nicht aus diesem Umkreis stammte.
00:08:55 Die die Vertretung von der Weniger hatte, aber sie war auch nicht eine wirkliche Katastrophe.
00:09:02 IV: Und die Oberaufseherin war aber ein anderer Charakter, oder..?
00:09:06 HK: Die war eine richtige Auschwitz-SS-Frau.
00:09:10 Mit der habe ich manchmal, ich, so kleine Probleme gehabt.
00:09:17 Sie hatte irgendwie gemerkt, dass ich panische Angst..
00:09:20 Ich war wie der Hase vor der Schlange, wenn ich sie nur begegnet bin.
00:09:27 Und äh wir haben uns, wir haben ja am Anfang nicht gearbeitet in der Fabrik kurze Zeit.
00:09:34 Und da sollten wir uns freiwillig melden, Ajour zu machen auf Taschentüchern, für die SS-Frauen.
00:09:42 Und meine Freundin, die mich so betreut hat, das Mädchen, das ein Jahr älter war, das hat gesagt:
00:09:49 "Komm, wir gehen."
00:09:50 Ajour konnte ich machen.
00:09:53 Und die SS-Frau inspizierte.
00:09:56 Also, wenn sie vor mir stand, ich konnte überhaupt keinen Stich machen.
00:10:02 Ich war wirklich wie, wie der Hase mit der Schlange. {lacht}
00:10:07 Einmal, einmal, zweimal habe ich von ihr Ohrfeigen bekommen, aber..
00:10:13 Einmal stark, und einmal weniger.
00:10:17 IV: Die Unterkunft, in der Sie untergebracht waren, waren das große Räume, große Zimmer?
00:10:24 Wieviele Frauen waren dort?
00:10:25 HK: Also der erste Raum, in den man gekommen ist auf der rückwärtigen Seite war, wo die äh Oederaner, also von uns aus unsere Ältesten waren.
00:10:42 Also diese Lehrerin, dann die deutsche ähm deutsche politische Gefangene.
00:10:50 Dann noch ein paar andere.
00:10:52 Es war ein kleines Zimmer.
00:10:54 Dann war ein anderes Zimmer, das nicht sehr groß war.
00:10:58 Ich hab' gezählt, die müssen so um die 28, 30 gewesen sein.
00:11:02 Und dann kamen die großen Säle.
00:11:06 IV: Können Sie sich noch an die Arbeit erinnern,..
00:11:09 HK: Oh ja.
00:11:09 IV:.. die Sie dann machen mussten in der Fabrik?
00:11:11 HK: Oh ja. Ich wurde erst zugeteilt zu einer etwas schwereren Maschine, wo man geschliffen hat.
00:11:17 Ähm wo man diese Ringe aufgesetzt hat und nass geschliffen hat.
00:11:23 Und ich war da nicht sehr geschickt.
00:11:25 Ich hab' da vieles leider kaputt gemacht.
00:11:28 Das Messer zu stark angesetzt und stumpf gemacht.
00:11:33 Und meine Freundin, also mit der ich geteilt das Bett, hat sich freiwillig beim Vorarbeiter gemeldet, sie möchte die Maschine für mich übernehmen.
00:11:42 Sie war sehr geschickt, ich nicht, und ich hab' ihre Maschine bekommen.
00:11:48 Von denen waren die meisten, das war leichtere Arbeit.
00:11:52 IV: Ähm.. Hatten Sie da auch selber Kontakt zu deutschen Angestellten oder Arbeitern in der Fabrik?
00:11:59 Oder waren da kaum welche zu sehen?
00:12:01 HK: Es war nur der Vorarbeiter zu sehen, andere waren nicht zu sehen.
00:12:05 Aber ich als Kind hatte zu viel Angst, Kontakt aufzunehmen.
00:12:12 Vielleicht haben andere heimlich, aber es war schwer.
00:12:17 Wir waren doch sehr viele und die SS war vorhanden, also das ging kaum.
00:12:24 Bei den Außendienstleuten ging das eher.
00:12:27 IV: Sie waren aber nicht im Außendienst...
00:12:29 HK: Nein.
00:12:30 IV: ... Sie waren die ganze Zeit...
00:12:30 HK: ... in der Fabrik.
00:12:33 IV: Sind Sie ähm.. haben Sie gewusst, was, was Sie da herstellen, was Sie da..?
00:12:37 HK: Ja, natürlich.
00:12:39 Ich glaube, es waren Patronen für Maschinengewehre.
00:12:42 So, so, so wurde es mir dargestellt.
00:12:46 IV: Waren da noch mehr Mädchen in Ihrem Alter?
00:12:51 HK: Naja wir waren so vier, fünf, sechs werden es schon gewesen sein.
00:12:56 Also auf der Liste von Flossenbürg, die mit neunzehnhundertsechs.. Geburtsjahr 1926 angegeben wurden, können ein paar 18 Jahre gewesen sein.
00:13:12 Aber die meisten waren so 14, 15.
00:13:17 IV: {Räuspert sich} Hatten.. Und hatten alle diese.. oder war das sehr üblich, dass auch diese jüngeren Mädchen so eine etwas ältere Freundin hatten oder so?
00:13:28 Ich kann mir vorstellen, dass es sonst ganz schwer war, da zu überleben, wenn man praktisch völlig allein war.
00:13:34 Also war das sehr wichtig, in der Gruppe irgendwie Austausch zu haben oder..?
00:13:39 HK: Also die anderen Mädchen, die ungefähr mein Alter hatten, hatten ihre Betreuerinnen, die auch hier im Transport waren, die sich gekümmert haben.
00:13:49 Es war irgendwie mein Pech, dass vielleicht Tella krank war oder dass sie zusammengebrochen ist.
00:13:56 Das, das kann ich heute nicht sagen.
00:13:58 Ich hab' nachher keinen Kontakt gehabt.
00:14:01 Äh sie hatte ja 'ne Stieftochter, sie hat ja in Theresienstadt geheiratet und die Hana Drori, damals auch Polák, hat mir erst vor ungefähr zwei, drei Jahren gesagt, dass die Tella so wahnsinnige Schmerzen hatte.
00:14:16 Ich hab' das nicht gewusst.
00:14:18 Ich hab' einfach gedacht, sie ist zusammengebrochen.
00:14:20 Es sind ja paar zusammengebrochen.
00:14:23 Es sind auch ein paar verrückt geworden unter uns.
00:14:27 IV: Was ist mit denen passiert?
00:14:29 HK: Ähm, eine wurde sehr gehätschelt.
00:14:35 Warum weiß ich nicht.
00:14:37 Das war glaub' ich eine Ungarin.
00:14:41 Es steht ja in dem Buch von der Frau Salus, dass sie gesagt hat die SS-Frau, dass sie schön sei und sie dann eine besondere Betreuung hat.
00:14:53 Aber sie hatte auch eine besondere Betreuung von einer erwachsenen Ungarin.
00:14:59 Also sie wurde immer von dieser erwachsenen Ungarin begleitet und sie war schön angezogen und sie hat anderes Essen bekommen.
00:15:07 Also das war mir schon bewusst.
00:15:11 Eine Slowakin ist verrückt geworden, als wir durch Leitmeritz marschierten nach unserm Transport zurück nach Theresienstadt.
00:15:20 Mit der.. die fing an nur zu schreien, weil sie so..
00:15:25 Die Slowakinnen glaub' ich haben Wahnsinniges erlebt vorher.
00:15:31 Ähm was ich so gehört hab' von dieser Lehrerin, die unsere Vertreterin war, hat man glaub' ich ihre Kinder an den Wänden von irgendeinem KZ, ich weiß nicht ob es Treblinka oder was es war, ähm gegen die Mauer geschlagen.
00:15:51 Sie haben das gesehen und sie waren.. wurden auch die jungen Mädchen über die Körper ihrer Eltern und Geschwister gejagt.
00:15:58 Also das hat mir diese Lehrerin gesagt.
00:16:02 Ähm.. Vielleicht hat das Mädchen, das vielleicht 18 war, sich daran erinnert, wie wir so marschiert sind durch Leitmeritz.
00:16:12 Wir haben sie in unsere Mitte genommen und haben angefangen, tschechische Lieder zu singen.
00:16:19 Weil wir hatten doch einen gewissen Stolz.
00:16:23 Wir wollten nicht, dass..
00:16:26 Weil da, da liefen ja am Gehsteig noch Leute mit Hakenkreuzen herum.
00:16:31 Wir wollten nicht wie die Schafe oder.. da durchmarschieren durch Leitmeritz.
00:16:40 IV: In der Zeit, als Sie in Oederan waren, ähm gab es da häufig Fliegeralarm oder Luftangriffe?
00:16:49 HK: Ja. Wir haben diese großen Fliegeralarme auf Dresden miterlebt.
00:16:56 Das hat ja schon halbe, dreiviertel Stunde vorher die Erde gebebt.
00:17:01 Und dann wurden wir.. wurde uns angeordnet hinunterzugehen.
00:17:07 Und wir mussten auf den Stiegen bleiben.
00:17:10 Und wurden eingesperrt in.. da war keine SS mehr dort.
00:17:15 IV: Sie waren dann ganz allein, bis der ähm Alarm..
00:17:17 HK: Bis der Fliegeralarm wieder vorbei war.
00:17:22 IV: Ähm.. Wie war.. Sie haben jetzt erzählt, dass, dass einzelne Frauen eine, eine bessere Verpflegung bekommen haben, aus welchen Gründen auch immer.
00:17:33 Wie, wie war Ihre äh Versorgung oder Verpflegung?
00:17:36 Was haben Sie bekommen?
00:17:38 War das immer dasselbe?
00:17:39 Wahrscheinlich schon.
00:17:40 HK: Am Ende war es immer dasselbe.
00:17:42 Am Anfang kann ich mich nicht erinnern.
00:17:45 Es war nur so, dass ich mich erinner':
00:17:47 Als wir angekommen sind, ich weiß nicht, ob wir das Mittagessen bekamen oder erst das Nachtmahl.
00:17:54 Das war eine Suppe, und das war wie eine Pastete, so eine Schnitte, irgendwie aus Kartoffeln und.. kalten Kartoffeln oder.. und Gurken und so gemacht und ein Stück Brot.
00:18:09 Und wir konnten nicht so viel essen, weil wir ja vier, fünf Tage gar nichts zu essen gehabt haben.
00:18:17 Und wie die Polinnen gesagt haben, wir müssen das essen, weil sonst werden die Rationen kleiner.
00:18:24 Also das war für uns dann auch ein Problem.
00:18:29 Sonst erinner' ich mich immer nur an Suppen, die immer dünner und dünner wurden, bis sie nur mehr Wasser waren.
00:18:37 Aber ich erinner' mich auch an ein paar Mal ein Sonntagsessen, das mich sehr begeistert hat im Vergleich zu Theresienstadt.
00:18:48 Ich glaube, es, es war ein Stück Rindfleisch mit Saft, also Tunke, wie man hier sagt.
00:18:59 Und Pellkartoffeln, und es war auch ein Gemüse, wahrscheinlich ein Kohl oder Kraut.
00:19:05 Und bei den Pellkartoffeln war eine weiße Soße, die vielleicht eine Joghurtsoße war.
00:19:12 Und das war für mich nach zwei Jahren Theresienstadt ein Festmahl.
00:19:18 Aber wie oft das stattgefunden hat, das weiß ich nicht.
00:19:22 Wir hatten ja, bevor die SS, die Weniger kam, hatten wir ja, die ist wahrscheinlich geblieben, eine deutsche Köchin vom Ort.
00:19:34 Und die hat noch nicht so streng gekocht als wie die Weniger dann gekommen ist.
00:19:40 IV: Haben Sie dann auch während der Arbeit äh etwas zu essen bekommen?
00:19:45 HK: Einen schwarzen Kaffee haben wir bekommen.
00:19:48 Und meine Freundin, mit der ich geteilt hab' das Bett, die hat immer meine Brotration so eingeteilt, dass ich eine oder zwei dünne Scheiben dann in der Nacht beim Nachtdienst, also Nachtarbeit noch zu essen hatte.
00:20:06 IV: War das besonders anstrengend, die Nachtarbeit, oder diese Nachtschichten?
00:20:10 HK: Die Nachtschichten waren schon angestrengend, ja.
00:20:13 Weil die gingen bis morgen in der Früh und der ganze Rhythmus war gestört und es war ja dann nicht so ruhig zu schlafen am Tag.
00:20:24 Weil ja wieder die anderen gekommen und gegangen sind.
00:20:27 Also es war nicht so leicht.
00:20:29 Und wir mussten ja dann am Tag oft Appell stehen noch zusätzlich statt zu schlafen.
00:20:35 {Räuspert sich} Stundenlang.
00:20:38 Und dann wurde gemalt wieder deutlicher unser "KL" oder was das da.. und Kreuz am Rücken das weiße, mit Ölfarben oder was das war.
00:20:52 IV: Haben Sie hier in Oederan eine andere Bekleidung bekommen, oder hatten Sie das behalten, was Sie...?
00:20:57 HK: Ich habe dieselbe Kleidung gehabt wie in Auschwitz und die war schrecklich.
00:21:02 Aber die Kleiderkammer war voll.
00:21:05 Aber wir haben nichts bekommen.
00:21:06 Nur wie das Oederaner Lager aufgelöst wurde, plötzlich war die Kleiderkammer offen und alle stürmten hinein und haben sich irgendwas an sich gerissen.
00:21:17 Das einzige, was ich ergattert hab, war diese gestreiften Unterhosen.
00:21:23 Und die waren riesiggroß, aber ich war so froh, sie dann zu haben, weil wir ja wegtransportiert wurden im offenen Viehwaggon.
00:21:32 IV: Und es war noch sehr kalt zu der Zeit.
00:21:34 HK: Ja, es war April und in der Nacht war es sehr kalt.
00:21:38 Wir waren aber so viele eingepfercht in einem Waggon.
00:21:43 Es konnte sich ja niemand hinsetzen.
00:21:45 Höchstens, wir haben das organisiert, sagen wir acht Leute einen Kreis, der fest auseinandergedrückt, und dann konnte sich einer am Boden hinsetzen.
00:21:54 Aber dann hat man sich auch nicht wohlgefühlt dort unten.
00:21:58 Weil man hat gefühlt als würde man im nächsten Moment zertrampelt werden.
00:22:03 Außerdem lagen in einem Eck noch irgendwelche volle Säcke von etwas, so dass der Raum noch kleiner war.
00:22:15 IV: Als Sie in Oederan waren und auch gearbeitet haben in der Fabrik, haben Sie bemerkt oder haben Sie Kontakt gehabt zu Kriegsgefangenen zum Beispiel?
00:22:25 HK: Ober mir lagen meine Betreuerinnen, nicht meine, aber die vom Mädchenheim.
00:22:32 Die Kamilla.. mmmh noch Rosi, ich bin mir nicht sicher, ich glaube auch Laura.
00:22:44 Und die haben schon Kassiber geschrieben.
00:22:49 Rosi - Resi hat sie glaube ich geheißen.
00:22:52 Es ist schon lange her.
00:22:54 Und einmal beim Appell wurden alle Betten durchsucht und da haben sie so einen Zettel oberhalb mir gefunden.
00:23:03 Und ich wurde gerufen zur SS und sollte Auskunft geben über diesen Kassiber.
00:23:10 Ich hab Gott sei Dank nichts gewusst, weil ich weiß nicht, ob ich nicht etwas verraten hätte äh, wenn ich geohrfeigt wär.
00:23:19 Weil ich war ja nicht drauf vorbereitet, nicht.
00:23:21 Wenn man mir vielleicht gesagt hat, dort ist ein Kassiber und du darfst ja nichts sagen, wäre ich drauf vorbereitet gewesen.
00:23:30 Aber so war ich ja nicht vorbe..
00:23:32 Ich wusste gar nicht, was sie von mir will.
00:23:34 Und da ich so verdattert war, hab' ich natürlich die Ohrfeigen bekommen.
00:23:39 Aber dann wurde ich rausgeschickt.
00:23:41 Sie hat glaub' ich, sie hat dann gefragt, wer oberhalb mir liegt.
00:23:47 Und ich hab' die Namen gesagt, aber die Liste hatten sie sowieso.
00:23:51 Und sie hat sich ausgeredet, dass das fiktive Liebesbriefe sind.
00:23:59 Und die haben das akzeptiert, das wurd..
00:24:02 Ich glaube, sie hat.. vielleicht hat sie einen, eine Anzahl von Schlägen bekommen, aber das kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern.
00:24:14 Sie war nur böse auf mich, also diese Betreuerin nachher, dass wie ich rauskam aus dem Verhör, dass ich nicht gleich zu ihr lief.
00:24:26 Aber ich war umringt von den andern, die mich gar nicht durchließen, weil sie wissen wollten, warum ich gerufen wurde.
00:24:33 {Hustet}
00:24:35 Also die hatten etwas Kontakt mit den Italienern nebenan.
00:24:40 IV: Sind Sie in der Zeit, als sie in Oederan waren, einmal krank geworden?
00:24:45 Oder mussten Sie in dieses Krankenrevier?
00:24:48 HK: Ich hatte einmal Fieber, wurde von der slowakischen Ärztin ins Marodenzimmer geschickt.
00:24:55 Da blieb ich eine Nacht.
00:24:56 Und wie ich gesehen hab, was um mich rum los ist, bin ich davon gelaufen und war wieder gesund.
00:25:03 IV: Also das war sozusagen gar keine Option dorthin zu gehen,..
00:25:08 HK: Nein!
00:25:08 IV: ..sondern man hat das nach Möglichkeit verhindert.
00:25:09 HK: Das war schrecklich.
00:25:11 Die Betten waren noch viel niedriger, man konnte..
00:25:14 Es war sehr dunkel in den Betten.
00:25:17 Es waren sehr, sehr viele dort und man konnte sich nicht einmal aufsetzen richtig.
00:25:22 Sie waren niedriger.
00:25:25 Der zweite Stock war von dem ersten äh hatte viel geringere Entfernung.
00:25:31 Na auch die ganze Atmosphäre war eine Katastrophe.
00:25:34 Oben waren doch junge, gesunde Frauen.
00:25:37 Wir hatten zwar eine, die dauernd weinte.
00:25:41 Die.. eine kräftige junge Frau, weil die grade glaube geheiratet hatte in Theresienstadt, die hat dauernd geweint.
00:25:48 Aber sonst waren es ja doch gesunde Frauen.
00:25:53 IV: Haben Sie ähm in der Zeit irgendwelche Informationen bekommen können, ..
00:25:58 HK: {Hustet}
00:26:00 IV: ..wie der Kriegsverlauf ist, wie die Fronten, wie die Fronten verlaufen?
00:26:07 Ob es bald zu Ende gehen wird?
00:26:08 HK: Oh ja. Wir hatten immer Nachrichten.
00:26:12 Und wir haben immer gehofft, wenn wir.. dass.. in Oederan bleiben können, dass wir eine gute Chance haben zu überleben.
00:26:20 IV: Haben Sie gegen Ende überlegt, was mit Ihnen passieren wird?
00:26:24 Was die SS mit Ihnen wohl vor hat?
00:26:27 Oder war das kein Thema, über das sie nachgedacht haben oder gesprochen haben?
00:26:32 HK: Ich glaube es war.. wenig ein Thema.
00:26:36 Außer dass wir wussten, dass, wenn wir dort bleiben, erschossen werden sollten.
00:26:44 Und dass aber angeblich - ich kann ja nur sagen angeblich, ich hab's ja nicht gehört, das war, was man sich gesagt hat - dass die Frauen haben uns ja nicht alleine bewacht.
00:26:58 Sie hatten ja auch ein.. Soldaten, eine Gruppe.
00:27:03 Und dass der Offizier gesagt hat, er ist ein Soldat, er macht nicht.. auf wehrlose Gefangene schießt er nicht.
00:27:14 Angeblich hat er das gesagt.
00:27:17 Und ähm wir haben das nur wahrgenommen, dass wir evakuiert werden.
00:27:23 Man hat schon gemunkelt.
00:27:25 Bergen-Belsen, Ravensbrück.
00:27:27 Aber ich hab' ja weder gewusst, was Bergen-Belsen ist noch Ravensbrück.
00:27:33 Wir sind dann nur immer wieder nur stehen geblieben auf den Geleisen und haben dann eine ja, ein Erlebnis gehabt, das ist eigentlich eigenartig.
00:27:46 Auf dem Geleise daneben war ein geschlossener Viehwaggon.
00:27:51 Und bei den kleinen Schlitzen von Fenstern, die mit Stacheldraht geschlossen waren, kommt plötzlich eine Kinderstimme, also Jugendstimme, heraus und sa.. ruft:
00:28:05 "Ist da jemand von Theresienstadt?"
00:28:08 Und wir schreien: "Ja!"
00:28:09 "Ist da jemand von L 410?"
00:28:12 "Ja!"
00:28:13 "Und ist da jemand von Zimmer 28?"
00:28:17 "Ja!"
00:28:18 Und das war die Eva Stern, die sie uns weggenommen haben in Auschwitz.
00:28:22 Die war aber schon drei Monate glaube ich unterwegs in diesem Viehwaggon.
00:28:26 Die hatten sogar Pritschen drin.
00:28:30 IV: Und wissen Sie, in welchem Lager die war?
00:28:32 HK: Keine Ahnung, keine Ahnung.
00:28:34 Sie war mit ihrer Schwester geblieben in diesem andern Transport.
00:28:39 Ich hab's dann nur gehört, dass ihre Tante sie abgeholt hat.
00:28:44 Ihr Vater war unser Kinderarzt im Kinderheim in Theresienstadt.
00:28:49 Der ist umgekommen.
00:28:50 Ihre Mutter ist umgekommen.
00:28:52 Und die Tante ist umgekommen äh in einem American Jeep bei einem Unfall irgendwo zwischen Pilsen und Deutschland.
00:29:04 Also dann blieben die Kinder allein.
00:29:07 Und die sind in Israel.
00:29:08 Aber Eva will nichts mit uns zu tun haben.
00:29:12 IV: Ähm.. Ich möchte nochmal zurückkommen auf die Bewacher, die Sie genannt haben, die Soldaten.
00:29:17 Hatten Sie mit denen irgendeine Form von Kontakt?
00:29:22 Oder haben Sie nur wahrgenommen, dort sind Männer, oder..?
00:29:25 HK: Nur wahrgenommen.
00:29:27 IV: Waren das ältere Männer, jüngere?
00:29:30 HK: Der leitende war gar nicht so alt.
00:29:33 Die andern weiß ich nicht, ob das dieselben waren, die dann beim Rücktransport in unseren Waggon eingeschlossen waren..
00:29:43 Einer, der hatte so einen kleinen Hocker, auf dem er gesessen ist, hat auch den Kübel neben sich gehabt.
00:29:51 Äh der war ein älterer Mann.
00:29:55 Und er hat sich sehr beschwert, dass er schon drei Monate keine Nachricht von seiner Familie hat.
00:30:03 Ich bin nicht ganz sicher, ich glaube, er stammte eher aus der deutschsprachigen Protektorat.
00:30:13 Also war ein Volksdeutscher oder wie man das nennt.
00:30:16 Aber sicher bin ich nicht.
00:30:20 IV: Hier in Oederan haben sie aber ansonsten, wir hatten es schon kurz angesprochen, eigentlich erstens Mal nichts von der Stadt mitbekommen und zweitens auch nichts von der.. von den Zivilisten, die hier gewohnt haben?
00:30:33 HK: Nein, wir kannten nur die Geschichte von dem Zahnarzt.
00:30:37 Weil ja die Ella Polak, die Tella, zum Zahnarzt ging.
00:30:42 Da hat man sich erzählt, wieder kann ich nur sagen, ich weiß nicht, ob es stimmt, dass ein Deutscher sich vordrängen wollte und der Zahnarzt gesagt hat:
00:30:51 "Für mich sind alle Paz.. alle Patienten gleich."
00:30:54 Aber ob das stimmt?
00:30:56 Ich kann Ihnen keine Garantie geben, weil ich nicht dabei war.
00:31:02 Äh.. die Kamilla Rosenbaum, die im Außendienst war, die hatte sicherlich Kontakt mit ihrem Vorarbeiter, weil sie Briefe ins Protektorat geschrieben hat und auch ein Päckchen bekommen hat.
00:31:18 Dieses Päckchen hatte drin: Weihnachtsgebäck - aber ob es Weihnachten war oder später, weiß ich nicht - äh und ein Stückchen Speck.
00:31:30 Es war eine kleine Schachtel, aber sie hat mich gerufen, ich soll mir einen Keks aussuchen.
00:31:37 Das war eine Betreuerin eines andern Mädchenzimmer, also nicht meine.
00:31:44 Ich..
00:31:45 IV: Ansonsten gab es aber keine Möglichkeit für Sie, irgend.. äh irgendwie nachzuforschen oder versuchen zu.. herauszubekommen, ob jemand von Ihrer Familie noch..
00:32:00 HK: Nein.
00:32:01 Die sind viel früher nach Auschwitz gegangen als ich.
00:32:07 Also im Mai '44.
00:32:12 Nein ich hab' gedacht, wie ich aus Theresienstadt weggehe, dass ich in das Familienlager Birkenau komme, weil die ja Karten geschrieben haben.
00:32:23 Und ich habe gehofft, meine Tante, Onkel, Cousine, Vetter, ihre kleinen.. ihr kleines Kind Lea, dort vorzutreffen.
00:32:34 Aber die waren schon längst weg.
00:32:38 IV: Ich möcht' nochmal zurückkommen auf die Evakuierung hier in Oederan.
00:32:44 Können Sie sich erinnern ungefähr, wie lange Sie da unterwegs waren?
00:32:48 Sie sind wahrscheinlich immer mal wieder angehalten zwischendrin?
00:32:51 HK: Ich glaube, es war ungefähr sechs Tage.
00:32:55 Äh man könnte glaub' ich das genaue Datum sogar rausfinden.
00:33:02 Ich weiß nur, dass man.. es war Hitlers Geburtstag und da ist noch ein Flugzeug, es muss in Sudetenland gewesen sein, im Himmel hat es so mit Rauch "Alles Gute" geschrieben.
00:33:17 20. April oder was das war.
00:33:20 Ja, das hat es noch geschrieben.
00:33:23 Da waren wir schon so zwei Tage entfernt von Theresienstadt.
00:33:30 IV: Haben Sie ungefähr gewusst, wo Sie sich befinden?
00:33:32 Also haben Sie gemerkt, dass Sie schon in Tschechien sind?
00:33:34 HK: Ja, ja. Weil ähm wir haben der Slowakin gesagt, die einen Kontakt zu der Weniger, SS-Frau Weniger hatte, wie sie nicht mehr uns bringen konnte nach Ravensbrück, sie soll ihr sagen, sie soll uns nach Theresienstadt bringen.
00:33:52 Also da haben wir dann schon gewusst, dass wir uns nähern, dass sie versuchen, uns nach Theresienstadt zu bringen.
00:33:59 IV: Und dann hatten Sie auch Hoffnung, dass Sie, wenn Sie nach Theresienstadt kommen..
00:34:03 HK: Wir haben ja nicht gewusst, dass Theresienstadt in der Zwischenzeit heimgesucht wurde von wahnsinnigen Todestransporten.
00:34:12 Dass sich dort eine Epidemie von Flecktyphus verbreitet.
00:34:15 Das haben wir ja alles nicht gewusst.
00:34:17 Wir haben gedacht, wir kommen in das alte Theresienstadt.
00:34:20 Und das war es natürlich nicht.
00:34:23 Es war voll von Transporten, voll von Kranken.
00:34:26 Wir wurden in Quarantäne gesteckt.
00:34:29 Ja.
00:34:32 IV: Wie lange sind Sie dann in Theresienstadt geblieben?
00:34:36 HK: Ach ich hab' das Datum, das weiß ich jetzt nicht, auf einem Ausweis vom Roten Kreuz.
00:34:43 Irgendwann Juni/Juli sind wir weg.
00:34:47 Ich habe.. mein Vater wollte nicht weg.
00:34:52 Mein Vater hat nur ein Bein gehabt vom 1. Weltkrieg.
00:34:55 Er war nicht so beweglich.
00:34:57 Er ist mit einer Krücke gegangen.
00:35:00 Und er wollte, dass ein bisschen mehr Ruhe eingekehrt, und dass ein richtiger Transport nach Brünn, in die Hauptstadt von Mähren, geht.
00:35:11 Und ja, ich hab' dann am Polster eine Laus gesehen und da hab ich meinem Vater gesagt, ich habe so lange überlebt.
00:35:19 Ich bleibe nicht in Theresienstadt und bekomme noch Flecktyphus.
00:35:23 Und bin dann zu der Organisation gegangen, die die Transporte organisiert.
00:35:28 Und zufällig ging zwei, drei Tage später ein Transport nach Brünn.
00:35:33 In der Zwischenzeit ist meine christliche Cousine mit Lastauto, mit russischen Soldaten angekommen in Theresienstadt, uns abzuholen.
00:35:46 Und so sind wir wieder mit Viehwaggon nach Brünn.
00:35:49 Und dann haben wir gewartet.
00:35:51 Aber es ist außer meiner Cousine, die zwei Monate später kam, die in Bergen-Belsen war, die schwer krank war, die in einem englischen Spital gerettet wurde, ähm.. ist niemand zurück gekommen.
00:36:08 Von 63 Mitgliedern der Familie sind wir drei.
00:36:15 IV: Wie war das, Ihren Vater wieder zu treffen in Theresienstadt?
00:36:19 HK: Ja, an den Schranken, wir sind ja zu Fuß gekommen, stand die Weniger, und die hat mir noch die Hand geschüttelt und gesagt, ich soll sie in guter Erinnerung haben.
00:36:32 Und dann wie wir durch die Schranken gingen - die SS durfte ja nicht hinein - ähm ist die Ella gestanden mit der Flaska also.. aus meinem Kinderheim, die dort.. eine hat in der Landwirtschaft gearbeitet, die andere im Glimmerwerk.
00:36:49 Die waren geschützt.
00:36:50 Und die haben.. die Ella hat sich einfach umgedreht, die Schuhe in die Hand genommen und ist zu meinem Vater gelaufen und hat geschrien:
00:36:59 "Helga ist da! Helga ist da!"
00:37:01 Und mein Vater war so bewegt, der konnte gar nicht kommen.
00:37:05 Er hat einen Vetter geschickt aus Proßnitz, mich zu begrüßen.
00:37:12 Der hat mir.. der ist sehr spät nach Theresienstadt gekommen, erst im Februar, weil er in gemischter Ehe lebte.
00:37:20 Und der brachte mir eine Tüte mit Gebäck und andern Sachen.
00:37:25 Und da kam aber schon die Warnung, wir dürfen nichts essen, weil wir lange nicht ordentlich gegessen haben.
00:37:32 Damit wir nicht davon etwas bekommen, Durchfall.
00:37:37 Aber die Polinnen, die waren so aufgeregt, dass sie uns das aus der Hand gerissen haben.
00:37:46 Ja und dann kann ich mich nicht mehr so erinnern.
00:37:49 Ich hatte dann die verschiedensten Stationen, aber eine war die Baracken, wo vorher entweder Soldaten, deutsche, auf Rekonvaleszenz waren.
00:38:05 Ich glaube, das war so, weil das war nur ein Dreibettzimmer mit weißer Bettwäsche und ja.
00:38:14 Da fühlte man sich wieder wie ein Mensch.
00:38:19 Und da ist mein Vater dann zum Zaun gekommen.
00:38:22 Ich hab' ihm so ein kleines Brieferl durchschmuggeln können.
00:38:27 Ja und dann ging ich in die Bubenschule.
00:38:34 Da war ein Turnsaal, da waren sehr viele Franzosen.
00:38:39 Da haben wir vom Roten Kreuz ein Päckchen bekommen.
00:38:42 Und dann bin ich zu meinem Vater, der ja eine Kanz.. er hat ja geleitet das Invalidenheim und hatte ein Büro, das auch sein Zimmer war.
00:38:51 Und dann hab' ich dort geschlafen bis zu meiner Rückkehr.
00:38:56 IV: Wie lange waren Sie dann in Brünn?
00:38:58 Und was ist dann danach..?
00:38:59 HK: Ich war gar nicht mehr in Brünn.
00:39:01 Wir haben am selben Tag einen Zug genommen nach Kyjov, also die Geburtsort meines Vaters.
00:39:10 Und haben dann in einer Villa von einem Volksdeutschen, der ein Mitglied der Partei war, äh paar Wochen übernachtet, bis ein anderer Rückkehrer zurückkam und er uns in sein Haus genommen..
00:39:28 Wir hatten ja nichts mehr.
00:39:31 Wir hatten keine Wohnung, wir hatten nichts.
00:39:36 Wir besaßen ja nichts mehr und..
00:39:41 Ja, so war's.
00:39:44 IV: Vielen Dank!
00:39:45 HK: Bitte.