Media Collection "Interview Josef Jakubowicz 2007 - in der Kongresshalle Nürnberg"

Originator/Copyright holder Medienwerkstatt Franken
Source(s) KZ-Gedenkstätte Flossenbürg / Medienwerkstatt Franken
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Display format Interview, Rohmaterial
Interviewer Michael Aue
Camera Günter Wittmann

Subtitles for "AGFl_AV.22.0723.mp4"

00:00:00 IV: Gut, Herr Jakubowicz. Bevor Sie nach Flossenbürg kamen, hatten Sie ja schon eine ziemliche Odyssee durch etliche Lager hinter sich.
00:00:10 Wenn Sie vielleicht erzählen, woher Sie gekommen.. wie Sie nach Flossenbürg gekommen sind?
00:00:14 JJ: Ja.
00:00:15 IV: Wie es war bei der Ankunft.
00:00:17 JJ: Ich bin 19.. äh Ende 1944, im November.. wurden die sämtlichen Lager, die in Niederschlesien und Oberschlesien vorhanden waren,
00:00:30 in.. auf Todesmärsche gesetzt in Richtung Westen. Vor dem Zugriff der Russen.
00:00:37 Die Russen sind immer vormarschiert und die SS wollte nicht, dass wir in die Hände der Russen fallen.. haben sie uns getrieben, haben sie die Lager aufgelöst.
00:00:46 Und Tag und Nacht sind Tausende von Menschen von 92 Konz.., Konzentrationslagern in Schlesien Richtung Westen auf Todesmärsche gesetzt worden.
00:01:00 Ich wurde im Ende November.. 3.000 waren wir.. 3.000 Mann.. von Lager Fünfteichen. Das war ein Aus.., Au.., Außerdienstlager von, von, von Groß-Rosen.
00:01:13 Groß-Rosen war das Hauptlager von diesen 92 Konzentrationslagern und Zwangsarbeitslagern.. war Groß-Rosen.. war das Hauptlager.
00:01:23 Waren wir.. sind wir in Marsch gesetzt, von Fünfteichen nach Groß-Rosen. In Groß-Rosen waren wir circa 3 Tage.
00:01:30 Wurde wieder eine Kolonne zusammengestellt. Und Fuß.. zu Fuß marschiert, über Sudentendeutschland Richtung Westen.
00:01:40 Wir sind durchmarschiert durch zwei Städte, den die Namen nicht vergessen kann: Das ist Traut.., Trautenau und Parschnitz in Sudentendeutschland.
00:01:51 Und die Häftlinge kon.., konnten.. schon schwach.. wenig gehen. Denn der Fußmarsch nach Groß-Rosen war auch schon anstrengend.
00:02:01 Und haben die Bevölkerung der Stadt Trauschnitz.. Trautenau und Parschnitz... standen an den Gehsteigen.
00:02:10 Und wo wir vorbeimarschiert sind.. und haben gespuckt auf uns und haben uns nachgeschrien: "Kriegsverbrecher! Alle umbringen! Alle umbringen!"
00:02:21 Und das war eine sehr schmerzhafte Sache für alle. Wir waren sehr deprimiert. Wir.. die Leute konnten sich nicht mehr fassen.
00:02:30 Viele haben es gar nicht mehr verstanden. Aber der, der es verstanden hat, hat.. war es sehr schmerzhaft.
00:02:38 Dann kamen wir noch zwei Tage zu Fuß.. Fußmarsch.. wurden einwagoniert und kamen nach Flossenbürg.. in Viehwagons.
00:02:48 Wurden ausgeladen und dann hat man die Leute gebracht zu den Waschräumen, zu den Duschen.
00:02:57 Und die Leute mussten sich alle nackt.. das war schon Winter.. mussten sich nackt auf der, auf der.. vor der Dusche ausziehen.
00:03:04 Und wurden.. wollten ins Bad rein zum Duschen. Irgendwo hat sich das herumgesprochen, dass es keine Dusche ist, sondern eine Gaskammer.
00:03:15 So wie in Auschwitz die getarnte Dusche, die waren Gaskammern. Die Leute wollten.. haben Angst gehabt reinzugehen.
00:03:22 Da kam ein Prügelkommando mit Stöcken und hat die Leute.. hunderte von Menschen vor die..
00:03:28 diese Dusche, vor die, vor die, dem Bad auf der Straße zusammengeschlagen.
00:03:35 Ich bin noch mit rein. Da haben sie eiskaltes Wasser und in.. äh äh losgelassen.
00:03:43 Und da war ein Eimer mit Schmierseife und Sa.., und Sand.. zum Ab.. zum Waschen für die Häftlinge.
00:03:50 Und dann auf einmal kommt.. kam kochendes Wasser. Und dann ist das kochende Wasser weg und dann wieder eiskaltes Wasser.
00:03:59 Die haben uns raus, nach der Dusche.. wollten wir uns einkleiden. Die Kleider lagen auf dem Boden vor der Dusch.., vor der Duschkabinen dort.
00:04:09 Und ich.. und bei mir ist passiert, dass meine Jacke, wo die Häftlingsnummer drauf war..
00:04:16 Die, die, meine alte Häftlingsnummer 24-3-27 war nicht mehr da.
00:04:23 Jemand hat sie verwechselt oder wieso und ich habe eine andere genommen und da war andere Nummer.
00:04:30 Darum habe ich in Flossenbürg, hat man mich registriert mit der Nummer, die ich die fremde Jacke angezogen habe.
00:04:37 Der Name ist richtig, Geburtsdatum ist richtig von der Registratur. Nur die Nummer.. die verwechselte Nummer steht drauf.
00:04:46 Wir wurden in Baracken eingeteilt, in den Quarantänen. Das ist vor dem Berg, wo man die Toten runterrollen lassen hat zum Krematorium.
00:04:55 Was man heute dort die Gedenkstätte eingerichtet hat.
00:05:00 Und wir wurden dort gehalten in den, in den, in den Baracken.. dürfen wir nicht rausgehen. Und da war ungefähr auf zweistöck.. waren zweistöckige Betten.
00:05:11 In jedem Bett waren zwei Häftlinge drin. Und da war ein Blockältester, ein Österreicher aus Wien.. hat Wiener Dialekt gesprochen.
00:05:21 Hat jeden Häftling auf ein Holzschemel aufsteigen lassen und den After mit einer Taschenlampe reingeleuchtet, ob er nicht irgendwas versteckt hat.
00:05:32 Jeden einzelnen untersucht. Das war die Begrüßung und nach vier Tagen hat man uns raus zum Steinbruch ein paar Mal.
00:05:42 Und nach circa.. drei Wochen insgesamt war ich dort.. hat man uns auf einen.. wieder auf einen Transport gesetzt nach Dora.
00:05:51 Dora-Mittelwald bei Buchenwald in diesen Bunker, wo die V1 eben produziert wurde und gelagert wurde.
00:06:03 Das war das Flossenbürg, was ich durchgemacht habe. Und..
00:06:07 IV: Ich frage Sie noch zwei Sachen. Sie haben ja die Vergleiche zu vielen anderen Konzentrations- und Arbeitslagern.
00:06:13 JJ: Ja.
00:06:14 IV: Äh gab es was, was in Flossenbürg anders war oder schlimmer oder weniger schlimm, wenn Sie das vergleichen?
00:06:20 Was war Flossenbürg? Das war ja auch schon sehr..
00:06:22 JJ: Ja, sehr.
00:06:23 IV: Am Kriegsende.
00:06:24 JJ: Kriegsende. Es war eine, eine Qua.. ein äh Qua.. Unordnung schon, war eine Nervosität.. hat man gesehen da bei dieser Bewachung.
00:06:33 Und die wussten nicht mehr, was sie machen sollen. Haben den ganzen Tag Appelle äh orga.. zusammengestellt.
00:06:39 Die haben.. waren in einer Panik, ob nicht jemand geflüchtet ist. Und jede paar Stunden haben Sie Appell gemacht, die Leute stundenlang auf dem Appell..
00:06:49 Nackt und barfuß und, und Kälte und ohne Essen.. ganz wenig Essen, minimal.
00:06:55 Die Verpflegung in Flossenbürg war minimal. War einmal am Tag zweihundert Gramm Brot und manches Mal war eine Wassersuppe.
00:07:03 Aber manches Mal nicht. Und sonst war nur in.. mit die.. mit diese Insassen den anderen Baracken.. Häftlinge haben wir keinen Kontakt gehabt.
00:07:14 Nur auf der Baustelle, weil wir waren.. die Quarantäne war separiert. Die war abgegrenzt mit Stacheldraht, man konnte nicht raus.
00:07:21 Das waren sechs Baracken. Das war die Quarantäne. Das war die Durchgangs.. die auf dem Durchgang waren.
00:07:27 Und wir waren nur so provisorisch, um, um weiterzumarschieren.
00:07:33 IV: Und Sie haben gesagt, Sie waren auch mal im Steinbruch. Können Sie noch was über die Arbeit im Steinbruch erzählen? Wie es da war?
00:07:38 JJ: Na ja, das, die Arbeit im Steinbruch war nicht mehr produktiv, die war nur um zu, zu schikanieren.
00:07:44 Da haben die Leute denselben Stein, was man runtergetragen hat, wieder rauftragen lassen. Und geschlagen dabei.
00:07:51 Und der Stein darf nicht runterfallen. Wenn jemand gerutscht hat, haben sie geschlagen mit Stöcken.
00:07:55 Das war die.. war die Strafarbeit, das war keine Arbeit. Das war keine produktive Arbeit. Das war nicht mehr zum Aushalten.
00:08:05 Und Leute sind eben jeden Tag von der Baustelle.. wenn wir nach Hause gegangen sind, mussten wir die Toten mitschleppen, die auf der Baustelle eben gefallen sind.
00:08:15 IV: Äh, Sie waren jetzt ja am letzten Wochenende wieder in Flossenbürg.
00:08:20 JJ: Ja.
00:08:20 IV: Zur Einweihung dieses neuen Museums.
00:08:22 Und wenn Sie an so einen Ort kommen, wo Sie auch so viel gelitten hatten, was war das auch für ein Gefühl, das jetzt wieder zu sehen.. diesen Ort, die Ausstellung?
00:08:29 JJ: Es ist äh, ist kein Vergleich, was man jetzt sieht. Aber man muss das machen, weil die, die Welt darf das nicht vergessen.
00:08:39 Es ist zu dokumentieren, es ist die Nachgenerationen zu warnen.
00:08:46 Und zu zeigen, was man aus Menschenhass und mit Verbrechen gegen Menschen ausüben kann. Und dass das nie passieren soll.
00:08:57 IV: Okay. Dankeschön.
00:08:58 JJ: Bitte.