File "AGFl_AV.22.0757.mp4"

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Sources KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
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00:00:00 IV: Gut. Sie waren gerade dabei zu erzählen, wer auf diese Schule ging.
00:00:02 ME: Ja. In der Schule habe ich Deutsch gelernt. Ich habe Blindenschrift gelernt.
00:00:07 Ich habe ähm Schreibmaschine gelernt. Und ich habe gelernt ähm Heilmasseur.. Heilgymnast.
00:00:16 Ich habe die Schule geendigt.. ich war ein.. der einzige Jude in der Schule.
00:00:21 Meine Gefühle.. man kann sich vorstellen, wie ich gefühlt habe.
00:00:26 Dr. Wessely wusste, wie ich, wie ich gefühlt habe. Er sagte: "Max, du bist in der Schule nur zum Lernen.
00:00:32 Du bist nicht dort, um Freundschaften zu machen mit den Leuten.. mit anderen Studenten.
00:00:38 Wenn du dich kein Freund.. Freundschaft haben willst, dann ist gut. Aber du bist hier um zu lernen.
00:00:43 Lern so schnell wie du kannst.. und die.. und so gut wie du kannst und..
00:00:49 Beendigst die Schule und du brauchst denen nicht mehr.. für, für brauchen.."
00:00:54 Wisst wa.., was.. Ich habe auch eine Freundschaft gehabt in der Schule. Ich war ähm..
00:01:00 Insbesondere zwei Wehrmacht.. Blinde von der Wehrmacht, von der deutschen Wehrmacht.
00:01:06 Einer, Gerhard Scholz, er war ähm.. wohnt in Fürth.. Nürnberg/Fürth.
00:01:12 And was ein ähm Sepp Huber.. ein, ein deutscher Soldat. Er wohnte in München ... .
00:01:19 Wir sind gute Freunde gewesen.
00:01:22 Und sogar wie ich.. wenn.. nach, nach Amerika gekommen bin, wir haben immer in, in Verbindung geblieben.. gewesen.
00:01:28 So, es war nicht ganz und gar so schrecklich. Ich habe die Schule beendet.
00:01:34 Ich habe ein.. eine.. bayerische Staat Zulassung bekommen, dass ich arbeiten darf.
00:01:43 Und ähm Dr. Wessely hat mir geholfen, eine Stelle zu bekommen.
00:01:48 Ich habe eine Stelle bekommen an.. in der München.. im Krankenhaus Bogenhausen.
00:01:52 Und ich habe angefangen ähm zu arbeiten im Krankenhaus Bogenhausen den 1. September 1948.
00:02:05 Ähm..
00:02:07 Es war kurz vor Weihnachten in 1948.
00:02:17 War eingeladen zum Essen mit Dr. und Frau Wessely.
00:02:23 While wir in seinem Haus gegessen haben am Tisch, Dr. Wessely sagte:
00:02:29 "Du hast viel geschafft in den letzten dreieinhalb Jahren.
00:02:34 Du hast die Blindenschule geendet. Du hast einen Beruf gelernt. Du hast eine gute Stelle.. Arbeitsstelle.
00:02:42 Aber wie willst du leben mit den Gefühlen, was du.. mit deiner Vergangenheit?"
00:02:51 "Oh", sagte er, "ja, du kannst immer wieder noch böse sein.
00:02:55 Kannst äh hassen, was die an.. dir getan haben. Was sie mit deiner Familie getan haben. Was sie deinem Volk getan haben.
00:03:08 Aber diese negativen Gefühle, was.. gut wird es.. dich.. was wird.. was gut wird es tun für dich.
00:03:17 Eventuell, solche negativen Gefühle werden dich vernichten."
00:03:24 "Es würde besser sein", sagte Dr. Wessely, "wenn du bekommst ein Advokat." Wie heißt es?
00:03:35 IV: Ein Fürsprecher.
00:03:36 ME: "Ein Fürsprecher für Toleranz, für Respekt, für Verstandenheit.. zwischen Leuten und Völkern.
00:03:51 Mach das ein.."
00:03:55 Monument.. Wie heißt's? Ein, ein.. Gedankst..
00:03:57 IV: Denkmal.
00:03:58 ME: "Ein Denkmal. Ein Denkmal für deine liebe Familie, die die Nazis haben umgebracht.. anstatt böse und zu hassen."
00:04:11 Diese kleine Anrede ähm am Tisch.. am Essen hat eine sehr Wirkung gehabt auf mich.
00:04:23 Und das habe ich getan.. seitdem.. und..
00:04:29 Wenn, wenn ich nur die Möglichkeit hatte..
00:04:33 Das war meine Mission äh..
00:04:40 Wie heißt es? Zu propagieren.. zu sprechen.
00:04:45 Toleranz und Verstandenheit.
00:04:51 Ich hoffe, dass Dr. Wessely.. dass ich ihn nicht enttäuscht habe. Er ist gestorben 1951.
00:05:07 Heute, wenn ich zu den Studenten gesprochen habe, ein Student fragte mich, ob ich hasse die Deutschen.
00:05:21 Es ist, es ist, es ist eine ganz verständische äh verständliche Frage.. was ich gelitten habe.
00:05:29 Sage ich: "Das ist wahr, die haben meine Familie umgebracht. Sie haben mich blind gemacht.
00:05:34 Die Nazis, nicht die Deutschen, die Nazis.
00:05:39 Aber Erich hat mein Leben gerettet. Er war auch ein Deutscher.
00:05:47 Dr. Wessely war auch ein Deutscher.
00:05:54 Ehrlich gesagt, ob es wäre nicht für Dr. Wessely, ich kann mir nicht denken, was von mir geworden hätte.
00:06:03 Ich kann mir nicht denken.
00:06:10 Kein Heim zu gehen.. was wird.. was.. Ich wusste nicht, dass eine Blindenschule gibt. Ich hatte keine Ahnung.
00:06:23 Ich habe mein Leben und meinen gegenwärtigen Zustand Dr. Wessely zu, zu verdanken.
00:06:29 Wie kann ich das Volk hassen?
00:06:33 Die Nazis, ja. Aber nicht das deutsche Volk.
00:06:41 Und auch meine Frau was a Deutsche. Nicht jüdisch.. war eine katholische Deutsche.
00:06:49 IV: Aber Sie haben Deutschland dann ja trotzdem bald verlassen.
00:06:52 ME: Ich habe es verlassen, weil.. ich habe.. Wenn ich geheiratet habe.. Ich habe hier geheiratet, in München.
00:07:02 Ich hatte schrecklich gelitten.. Wie heißt es? Ähm ähm..
00:07:11 Ja, das heißt nightmare?
00:07:13 IV: Albtraum.
00:07:14 ME: Alb..
00:07:15 IV: Albtraum.
00:07:15 ME: Aichtraum.
00:07:16 IV: Albtraum.
00:07:17 ME: Albtraum.
00:07:18 IV: Nightmare.
00:07:19 ME: Schreckliche Albträume gehabt. Nachts, jede Nacht.
00:07:24 Und was, was macht es even noch schrecklicher: In den Albträumen habe ich alles in der Wahrheit gesehen.
00:07:34 Alles ist wirklich wahr.
00:07:38 Wenn ich aufwache und total Dunkelheit. Es war schrecklich.
00:07:46 Und meine Frau sagte: "Max, es kann nicht so weiter gehen. Es ist kein Leben.
00:07:53 Du muss in die Arbeit gehen jeden Morgen. Es kann nicht so weiter gehen.
00:07:58 Vielleicht wenn wir auswandern irgendwo, du wirst es leichter vergessen."
00:08:05 Deshalb haben wir äh ausgewandert.
00:08:09 Ich habe eine gute Stelle gehabt, ich habe meine Arbeit sehr gern gehabt.
00:08:14 Und meine Frau hat eine gute Stelle gehabt.. war Sekretärin.
00:08:19 Aber.. und es.. ich konnte nichts dabei.. ich.. es, es war schrecklich zum Leben das.. mit den Albträumen.
00:08:25 So, wir sind nach Amerika gefahren. Und wissen Sie was?
00:08:28 Die Albträume haben immer noch mich ähm..
00:08:33 IV: Heimgesucht.
00:08:33 ME: Gesucht, ja. Sogar jetzt, drei.. 61 Jahre später habe ich, nicht so häufig, aber immer noch die Albträume.
00:08:44 In Amerika war es nicht so einfach für mich. Ich wünschte, ich hätte in Deutschland geblieben.
00:08:50 Insbesondere in the beg.. in, an, am, an, am Anfang.
00:08:54 Wenn ich nach Amerika gekommen bin, ich habe kein Englisch gekonnt. Und ich blind war.
00:08:59 Na, wer in der Welt wird besch.. wird ähm.. einstellen eine Person like.. wie ich.
00:09:08 In, in dem Beruf, ich arbeite.. ich, ich habe gearbeitet, ich musste mit Leuten an.. äh..
00:09:15 IV: Sprechen.
00:09:15 ME: Ansprechen, ja, sprechen. Ich konnte nicht sprechen.
00:09:20 Ich habe keine Arbeit gefunden.
00:09:24 Musste Deutsch lernen. Und ähm..
00:09:29 Eventuell ich habe Arbeit bekommen. Es war nicht so einfach.
00:09:33 Hier in Deutschland, es war ein Gesetz.. Ich wusste, dass es ein Gesetz war, wenn das ähm..
00:09:40 was deutsche Bundesregierung geschaffen geworden 1948.
00:09:44 Dann das Gesetz.. eigentlich.. ich glaube, es war 1950.. da haben..
00:09:48 Ich habe gehört, dass war ein Gesetz vorgekommen, dass jede Arbeit hier musste einstellen.. zehn Prozent von den Ange.. von den..
00:09:55 von den Arbeitern mussten vor.., vorhergehende Soldaten und Beschehrte werden.. und äh Körperbeschehrte sein.
00:10:04 Die müssen, die müssen das beschäftigen. In Amerika, es war kein Gesetz.
00:10:12 War vielleicht.. na ja..
00:10:18 Ich habe Arbeit gesucht.
00:10:21 Und es war eine Stelle ähm annonciert in der Zeitung. Und ich bin ins Krankenhaus gegangen.
00:10:28 Ich wollte.. ich habe äh mich angemeldet für eine.. ich wollte die Stelle be.. haben.
00:10:33 Ich habe meine ähm, meine Dokumente vorgelegt, meine Schulausbildung und..
00:10:41 Und die Personaldirektorin, sie sagte, ja, sie hat Deutsch gelernt.. in lesen konnte.. sie hatte, sie hatte meine Unterlagen gelesen und..
00:10:49 Sagte sie: "Ja, ich, ich, ich sehe, dass du.. äh ich.. den, den.. einen beruflich äh äh fähig bist und..
00:10:57 Aber ich könnte dich nicht ähm ähm.." Wie heißt es?
00:11:01 IV: Einstellen.
00:11:01 ME: Einstellen. Der musste ein äh Gespräch haben mit dem, mit dem ähm, mit dem ahm ähm Abteilungsleiter.
00:11:10 Und sie hat den Abteilungsleiter gerufen in ihr äh, in ihr, ihr Büro und
00:11:15 sie.. eine Frau ist raufgekommen und sie hat einfach gesagt: "Ich möchte keinen Blinden in meiner Abteilung haben."
00:11:26 Und es war kein Gesetz in Amerika, dass die mich besch.. ähm einstellen müssten.
00:11:36 Ich konnte denen nichts.. konnte nichts tun. Sie wollte keinen Blinden haben, sie hat keinen Blinden angestellt.
00:11:45 Es ist später.. in 1957 haben sie ein Gesetz vorgebracht, dass sie konnten nicht..
00:11:51 Wie heißt es? Ähm ähm.. discriminate. Wie heißt discriminate..
00:11:54 IV: Diskriminieren.
00:11:55 ME: Diskriminieren.
00:11:56 Die können nicht mehr diskriminieren gegen Verletzte oder Rassenverletzte oder Rasse ähm ähm ähm.. diskriminieren.
00:12:05 Das war später vorgekommen. Aber wenn ich komme in, in 1951.. 52, wenn ich in.. nach Amerika gekommen bin,
00:12:12 das war kein Gesetz und ich konnte nicht so.. Es war ziemlich schwer für mich, Arbeit zu bekommen.
00:12:17 Gewöhnlich.. später dann, ich habe.. wenn ich nur Deutsch ähm Englisch gelernt habe,
00:12:23 habe ich eine Arbeit bekommen in einer, in einer medizinischen Klinik in einem Hospital in ähm.. wo i.., in, in Cleveland.
00:12:34 Die hatten einen, einen Platz gehabt und es war kein anderer ähm.. Wie heißt es?
00:12:44 Die konnten nicht finden irgendjemanden für die Arbeit.
00:12:49 Da haben die ges.. äh da.. Dr. Hu.. war ein Arzt, sagte:
00:12:55 "Ich werde ähm.. Ich werde dir die Gelegenheit geben zu arbeiten."
00:13:04 Ich arbeit.. dann habe ich schon Eng.., Englisch irgendwie sprechen können.. nicht gut, aber genug, dass ich mich, ich mich..
00:13:12 ich, ich verstehen konnte und ich sprechen konnte, dass.. was ich sagen muss, dass sie mich verstehen können.
00:13:18 So, ich habe die A.. ich habe angefangen zu arbeiten und ähm..
00:13:26 Ich habe keine Angst gehabt, dass ich gut arbeiten.. dass ich, dass ich die Arbeit gut schaffen werde.
00:13:31 Ich habe keine Angst gehabt. Ich wusste, dass ich besser leisten müsse als sehende Personen.
00:13:44 Ich habe.. Na, wie heißt es? Ähm.. ähm..
00:13:52 Ein.. als ein Körperbehinderter, ich musste besser leisten.. besser schaffen als eine normale Person.
00:14:00 IV: Ja.
00:14:01 ME: Und ich weiß.. es war mir bewusst.
00:14:04 Und ich habe alles getan, meinen Arbeitgeber zufriedenzustellen.. den Abteilungsleiter.
00:14:12 Und da habe ich gearbeitet in der, in der Klinik bis ich äh pensioniert wurde.. 37 Jahre.
00:14:23 Und meine Frau auch hat eine gute Anstellung bekommen. Sie hat gearbeitet für General Electric.
00:14:30 Und wir haben gut.. wir haben Englisch gelernt ...
00:14:34 Und wir haben Kinder gehabt und meine Frau hat zwei Söhne äh gehabt und..
00:14:42 Und wir haben uns äh.. ich wei.. Dann ist es viel besser geworden.
00:14:46 Aber am Anfang war es sehr, sehr schwer.. sehr schwer.
00:14:50 While es war einmal eine Zeit, while ich, ich keine Arbeit haben konnte.
00:14:54 Und meine Frau hat Arbeit gehabt.. sehr.. in einer Fabrik.. sehr schwere Arbeit.
00:15:02 Wenn ich.. wenn wir Geld hätten, ich glaube, wir wären zurück nach Deutschland gefahren.
00:15:08 Wir haben kein Geld gehabt, da haben wir bleiben müssen.
00:15:12 Sehen Sie ... später an ist es viel besser geworden.. viel besser geworden.
00:15:18 IV: Sie haben ja gesagt, sozusagen, auf die Anregung von Freunden des Augenarztes
00:15:25 wollten Sie ein Fürsprecher dann werden für Toleranz und für Offenheit.
00:15:30 Haben Sie dann in der Zeit.. auch dieser schwierigen Zeit in Amerika..
00:15:33 ME: Ganz bestimmt.
00:15:33 IV: War das ein Thema auch für Sie, immer wieder über Ihre Erfahrung zu reden?
00:15:37 ME: Ganz bestimmt. Am Anfang konnte ich nicht darüber sprechen.
00:15:41 Ich habe viele.. wie gesagt.. ich habe viel zu schaffen gehabt mit meinem eigenen Leben. Mich selbstständig zu machen in Amerika.
00:15:48 Und wenn ich dann nicht.. wenn ich die Stelle hatte.. die Arbeitsstelle..
00:15:52 Und meine Frau eine gute Arbeitsstelle hatte und wir haben die Kinder gehabt und die Kinder sind etwas älter geworden..
00:15:59 Dann habe ich angefangen zu.. Artikel zu schreiben in Zeitungen. Und zu sprechen.
00:16:07 An Schulen und Hochschulen.. Wie heißt.. wie.. an..
00:16:10 Wie heißt es? Wie heißt, wie heißt es? Gymnasien und Oberrealschulen und Universitäten.
00:16:16 Und ich habe es für die letzten 25 Jahre andauernd getan.
00:16:22 Und jedes Mal, ich spreche..
00:16:28 Ich ähm.. musste ein, ein, eine.. ähm..
00:16:38 Wenn ich spreche von Toleranz.. Ich weiß nicht, ob Sie, ob.. je gehört haben.. Es war ein.. eine Blinde Frau in Amerika.
00:16:50 Und sie ist nicht am Leben mehr. Sie war blind und sie war taub. Und sie war auch ein Philosoph.
00:16:57 Und sie hat Briefe geschr.. äh ah ähm Briefe geschrieben.
00:17:02 Und sie hatte gesagt.. das ist auch eine Quotierung.
00:17:07 Kann ich es in Englisch sagen?
00:17:08 IV: Ja.
00:17:11 ME: "The highest result in education is tolerance.
00:17:20 The first principle in community is tolerance.
00:17:30 Tolerance is the spirit that brings out the best in all of us.
00:17:40 No natural disaster has done so much damage, has destroyed so many noble lives as did intolerance.
00:18:01 The nazi holocaust was one perfect example of that sad truth."
00:18:15 Und.. ich.. für mich selbst.. auch in Englisch:
00:18:25 "My wounds that refuse to heal kindled a fire that will never go out."
00:18:40 Das spreche ich wegen Toleranz.
00:18:44 Ob Sie das übersetzen können in Deutsch, ich werde wirklich.. sehr dankbar sein. Ich konnte es nicht übersetzen.
00:18:49 IV: Es ist auch schöner auf Englisch.. wenn Sie es auf Englisch gesagt haben jetzt.
00:18:54 Äh, wie sind Sie auf die Idee gekommen, wieder nach Deutschland zu kommen?
00:19:01 ME: Meine Frau was Deutsche. Sie hatte Familie gehabt.
00:19:07 In wirklich ähm wir ähm.. ich möchte meine, meinen Sohn, meine Schwiegertochter ... die haben in Hamburg gewohnt.
00:19:14 Und meine Schwiegermutter, mein Schwiegervater sind in.. gestorben hier in Hamburg.. da am, ­am Friedhof in Hamburg.
00:19:22 Ich möchte zum Friedhof gehen.
00:19:25 Und meine Schwägerin, meiner Frau Schwester, sie lebt in Karlsruhe. Und meine Nichte lebt auch in Karlsruhe.
00:19:34 So, ich möchte die besuchen gehen. So, wir waren zurückgekommen.. wir waren '79, meine Frau und ich..
00:19:41 sind wir hier nach Amer.. nach, nach Deutschland gekommen zu besuchen.
00:19:45 Äh '79 war noch.. Wir hatten zwei Schwestern gehabt und einen Bruder hier in Deutschland.
00:19:51 Und eine Schwester und ein Bruder ist dann gestorben.
00:19:55 Und ähm so ist noch eine Schwester von meiner, von meiner Frau, die ist dann noch am Leben und sie ist in Karlsruhe.. so..
00:20:02 Wir waren '79, dann waren wieder mal in neunund.. 1988.. waren wir noch einmal zu Besuch.
00:20:10 Und seitdem, meine Frau ist nicht mehr in guter Gesundheit gewesen. Sie war krank gewesen und..
00:20:16 Und sie ist gestorben ungefähr vor viereinhalb Jahren zurück.
00:20:21 Und ähm..
00:20:24 Das ist die erste Gelegenheit, dass mein Sohn kann nach Deutschland kommen.. kommen konnte.
00:20:29 Und er möchte gerne auf den Friedhof gehen, möchte gerne seine Verwandten in Karlsruhe besuchen.
00:20:37 So, ich.. wie gesagt..
00:20:44 Es.. angenehm zurückzukommen nach Flossenbürg ist es nicht.
00:20:50 IV: Wenn Sie jetzt.. Es ist ja das erste Mal, dass Sie jetzt hier wieder sind..
00:20:53 ME: Das erste Mal. Ich hatte..
00:20:55 IV: Und.. äh.. Es ist so: Ich kann mir jetzt wirklich nicht vorstellen.. Sie sind ja blind.
00:21:00 Andere, die hierher kommen, sehen mit den Augen, finden Erinnerungen.
00:21:04 Finden Sie irgendwie ein Gefühl oder ein Gespür dafür..
00:21:07 ME: Ein Gefühl..
00:21:08 IV: ..wo Sie jetzt sind?
00:21:09 ME: Ein Gefühl, ja. Aber wirklich sehen.. Wenn ich nach Flossenbürg gekommen bin von Holleischen.
00:21:16 Im Januar 1945, mein Augenlicht war sehr, sehr schlecht. Konnte nicht mehr sehen.. nicht viel sehen.
00:21:25 So, ich konnte nicht erkennen, wo die, die ähm.. das ähm..
00:21:32 die Kommandantur war oder wie die, die ähm die Krematorium war oder wie die Baracken waren.
00:21:39 Ich konnte nicht mehr sehen. Aber ich spüre es. Ich spüre es.
00:21:45 Hier.. meine Cousine ist hier gestorben.
00:21:50 Und ein Freund ist hier gestorben. Ich hatte..
00:22:00 Nicht nur Flossenbürg.. i.. ich hat.. ich wollte nicht..
00:22:08 keine KZ-Lager besuchen wollte.
00:22:12 Ich hatte..
00:22:15 ..k.. ähm.. Wie heißt es? Ähm..
00:22:21 Ähm..
00:22:27 Viele Leute wollten besuchen.. wollten gehen, wo die gelitten haben.. die sind in, in ihre Heimat zurückgegangen.
00:22:35 Ich wollte niemals nach Poland zurückgehen. Ich hatte kein Gefühl dafür, ich wollte nicht gehen.
00:22:44 Ich, ich hasse keine Leute, keine Völker. Aber ich habe das polnische Volk gar nicht gerne. Ich habe viel gelitten in Polen.
00:22:55 Der Antisemitismus in Polen war schrecklich..
00:22:59 Noch bev.., bev.. ähm ähm bevor die Krieg.. bevor dem Krieg.
00:23:09 So, ich wollte nicht zurückgehen. Und das Lager zu besuchen, waren viele.. ähm..
00:23:16 Ich weiß, viele Amerikaner tun ihre Besuche nach Auschwitz, nach Majdanek und nach Flossenbürg..
00:23:24 Keine.. kein Gefühl dafür.
00:23:31 Wenn ähm Herr Ibel hat mich angerufen.. hat mich eingeladen zu kommen diese Woche..
00:23:40 Ich wusste eins: Wenn ich in Amerika spreche wegen Toleranz und meiner Vergangenheit.
00:23:48 Ich, ich weiß was die Studenten, die ich spreche, die haben ein Gefühl, was passiert hat.
00:23:59 Wenn ich nach hier gekommen, wenn ich heute mit den Studenten gesprochen habe und gestern mit den Studenten gesprochen habe..
00:24:05 Wenn die herkommen, die sehen, wo das Krematorium war. Die sehen wo die Kommandantur war.
00:24:13 Aber wenn die hören einen früheren Häftling von Flossenbürg.. sprechen: "Ja, ich war hier gewesen.
00:24:21 Ich habe es.. ich war einer von den, von den Leuten, die gelitten haben hier."
00:24:26 Wenn sie sehen und hören einen Häftling sprechen, ich glaube dass die mehr daraus.. Ähm, wie heißt es? Ähm..
00:24:34 IV: Lernen oder begreifen.
00:24:36 ME: Mehr begrei.. besser begreifen. Das ist wahr.
00:24:40 Deshalb bin ich nach Flossenbürg gekommen. Wegen.. für mich selbst, nee.
00:24:48 IV: Würde Sie zum Schluss gerne.. würde ich Ihnen gerne mal noch eine Frage stellen.
00:24:52 Wenn Sie zurückdenken an diese Odyssee durch die verschiedenen Lager und den Aufenthalt in Flossenbürg,
00:25:00 was war denn für Sie persönlich das Schlimmste oder das Schrecklichste in dieser Zeit?
00:25:05 ME: In der Zeit?
00:25:11 Wenn ich nicht mehr sehen konnte.
00:25:18 Eine.. ähm.. wenn ich nicht.. bevor mein, mein Bruder hat dem Erich mitgeteilt, dass ich blind bin.
00:25:27 Wir haben darüber gesprochen, mein Bruder und ich und meine Freunde.
00:25:32 Ich habe gesagt: "Pa, blind im Lager, ich werde nicht lange leben. Das ist das Ende. Ich muss warten.."
00:25:44 Ich, ich wusste dass das Ende is coming.. und wird.. sehr schnell kommen wird.
00:25:53 Das war eine schreckliche Zeit für mich.
00:25:59 Genauso, wenn die..
00:26:04 An aller Anfang, wenn die zwei SS-Offiziere haben mich und meinen Bruder arrestiert und das letzte Mal meine Familie gesehen.
00:26:15 Diese zwei Tatsachen zähle ich bei den schlimmsten Sachen in meinem Leben.
00:26:25 Ich.. al.., als blinde Person, es ist nicht einfach zu leben.
00:26:34 Können Sie sich vorstellen, ein Mädchen kennenzulernen, niemals sie gesehen habe.
00:26:43 Die meine Frau bekommen ist.. habe sie niemals gesehen.
00:26:49 Ich habe zwei Söhn.., zwei Söhne.. habe die niemals gesehen.
00:26:54 Habe Enkelkinder.. die niemals gesehen.
00:27:00 Ich muss damit leben.
00:27:06 Mit.. you say "Oh.." manche sagen: "Du kannst dich dran gewöhnen." Glauben Sie, es ist nicht zu glauben.
00:27:13 Man kann sich nicht daran gewöhnen. Man lernt zu leben mit dem Zustand. Aber man kann sich nicht daran gewöhnen.
00:27:25 Ich weiß, es kann nicht.. es ist keine Hilfe. Ich muss so bleiben. Ich kann mir nicht äh selbst.. Selb.., Selbstmord begehen.
00:27:40 Tschuldigung.
00:27:43 Ich habe meine Familie viel gerne, ich liebe die alle. Und es musste so weiter gehen. Es.. einfach ist es nicht.
00:27:57 Aber wenn ich nur ein Beispiel sein kann für meine Familie oder für irgend.. für, für die Studenten, die ich spreche.
00:28:06 Ja, hier ist eine blinde Person, ein vorheriger Häftling und doch hat sich ein Leben geschaffen, eine Familie aufgebaut, Enkelkinder..
00:28:24 Und.. Wir sind nicht reich, aber wir haben ein anständiges Leben.. alle.
00:28:32 Meine Söhne sind ausgebildet.. haben beide.. beide Söhne haben Universität ausgebildet.
00:28:41 Meine Enkeltochter, die ist noch too young.. die ist noch zu jung, die ist noch an die, an die Gymnasium.
00:28:48 But die eine, sie ist in, in Amerika.. die ist.. hat dort ähm geendigt in der Oberrealschule.
00:28:58 Sie ist.. sie kommt.. nächsten Monat wird sie an der Universität anfangen.
00:29:01 Das gibt mir Freude, dass ich es als eine blinde Person, ein Einwanderer in Amerika, dass ich das geschafft habe.
00:29:13 Ich glaube, dass ich müsste froh sein. Das gibt mir die, die Anregung zum Leben.
00:29:25 Wenn ich irgendwo ... eine, eine.. irgendwas.. eine, eine Sache be.. zu erzählen.
00:29:36 Ich habe eine Sp.., eine Ansprache gegeben in.. einem Gymnasium.. einer Highschool in, in, in, in Englisch ist Highschool.
00:29:44 In meiner, in meiner Gegenschaft.
00:29:48 Diese Schule war ein.. ungefähr 50% Weiße und 50% amerikanische äh Afrikaner-Amerikaner.
00:30:05 Und der, der Saal war voll.
00:30:12 Die Lehrerin sagte mir: "Max, es könnte sein, dass irgendwelche Leute werden.. dich zu stören, wenn du reden willst."
00:30:27 Sage ich: "Dr. Robinsky, haben Sie keine Angst, ich habe meinen Hund mit mir."
00:30:34 Habe meinen Führerhund ... ich habe einen Blindenführerhund.
00:30:39 Ich habe zu sprechen angefangen, es war still, Sie konnten hören eine Maus.
00:30:47 Wenn ich geendet habe, und Fragen und Antworten und alles geendet habe, ich bin nach Hause gegangen.
00:30:54 Am nächsten Tag, eine Lehrerin hat mich angerufen, sie hat mir gesagt:
00:30:58 "Herr Edelmann, ich muss Ihnen das sagen.
00:31:02 Nachdem Sie weggegangen sind.. Sie haben die, den An.., An.., die Ansprache ähm gehalten,
00:31:09 ist ein Afrikaner-Amerikaner.. ein schwarzer Amerikaner.. hat zu mir gekommen und gesagt:
00:31:20 "Bis jetzt habe ich nicht geglaubt, dass war ein Holocaust.
00:31:27 Meine Eltern haben mir gesagt, es war kein Holocaust.
00:31:33 In der Kirche, ich gehe, die Leute haben gesagt, es war kein Holocaust. Das sei eine jüdische ähm ähm Geschichte.
00:31:41 Aber es ist nicht wahr. Wenn ich den blinden Mann gehört habe, jetzt glaube ich, dass es wahr war."
00:31:50 Wenn ich nur eine Person.. nicht überreden, but ihn nur bescheid machen, ja, das ist wahr, das hat passiert und ich war dort.
00:32:03 Ich habe.. das gibt mir genügend ähm ähm Kraft fortzugehen und wieder es weiterzumachen.
00:32:15 Und, wie gesagt, ein Advo.. ein, ein Advokat zu sein für Toleranz.
00:32:25 Das habe ich geschafft. Und ich tue es immer wieder.
00:32:30 IV: Und wir wünschen Ihnen einfach viel Kraft, dass Sie das noch lange machen können.
00:32:35 ME: So lange wie ich gesund bin und kann es schaffen, ich werde es..
00:32:41 Wie heißt es? Fort.. ähm.. f.. äh ich werde es tun.
00:32:44 Ich habe es in.. wir haben in, in unserer Gegend eine Organisation, die einladen Schulen ähm..
00:32:53 Weißt du? Vom.. Höheren.. Wie heißt.. gleich Ziel wie deutsche Schulen is.. Gymnasium.
00:33:01 IV: Gymnasium.
00:33:05 ME: alt.. Ja, Gymnasium. Die laden die ein zu kommen und.. and for ähm..
00:33:12 Die Überlebenden, die vor.. für äh..
00:33:17 ..die ähm die haben sie die..
00:33:20 Holocaust, die haben den Holocaust überlebt.. frühere Häftlinge.. es war.. es waren ziemlich..