File "AGFl_AV.22.0705.mp4"

Actual file name AGFl_AV.22.0705.mp4
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Sources KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Signatur: AGFl AV.22.0705
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00:00:00 CD: So war das.
00:00:00 IV: Gut. Äh Sie sind ja sozusagen.. sie waren ja Zwangsarbeiter später.. Sie sind zur Zwangsarbeit..
00:00:08 CD: Später, später.
00:00:09 IV: Vielleicht erzählen Sie so ein bisschen über diese Vorgeschichte der Zwangsarbeit.
00:00:13 Und wie es denn kam, dass Sie, dass Sie.. Sie waren ja, glaube ich, in der Gegend von Köln oder so..
00:00:20 CD: Wetter an der Ruhr.
00:00:20 IV: Wie es später kam, dass Sie nach Flossenbürg kamen.
00:00:22 CD: Ja. Wetter an der Ruhr. Da ging's, da ging's in äh Stahlwerk Harkort-Eicken. Wetter an der Ruhr war das.
00:00:36 IV: Und erzählen Sie so ein bisschen, was Sie da gemacht haben und was dann passiert ist sozusagen, dass Sie in diese Maschinerie der Lager kamen.
00:00:49 CD: Können wir?
00:00:49 IV: Ja. Ja, ja. Wir sind schon dabei.
00:00:51 CD: Okay. Also der Zwangsarbeit, dies Dekret ist an sich erst in '42 richtig durchgeführt worden.
00:01:03 Und meistens war es so, dass die Gemeinde hat die Leute angeschrieben, angeschrieben, sie sollen sich bei der Wehrstelle melden.
00:01:13 Und da bekamen die dann Arbeit äh zu.. zugeschickt und mussten sich dann am nächsten Tag äh den äh äh Fahrschein abholen.
00:01:29 Und da ging's dann eben dorthin, wo es an sich äh vorgesehen waren von, von der deutschen Leitung da.. die da gearbeitet hat.
00:01:40 Die hat dann bestimmt, wo, wo du hinkamst. Äh ein, eine Wahl hatte man gar nicht. Man kam dorthin, wo die an sich die Leute gebraucht haben.
00:01:52 Ich wurde in '42 am 16. Dezember.. zu der Zeit, da hatten wir alle Arbeit in Frankreich schon.
00:02:03 Ich war, ich war schon weggegangen am 2., am 2. äh Monat in '41. Wir waren in Frankreich tätig.
00:02:17 Und ich kam jeden Monat.. kam ich einmal nach Hause zur Mutter und die zwei Kleinen, die sind in '34 und '35 geboren..
00:02:25 Mutter ganz alleine, da habe ich dann eben Geld gebracht, die Wäsche gebracht und da, da eben dies und jenes wieder mitgenommen.
00:02:35 Vor allen Dingen äh Tabakwaren. Da wurde mit den französischen Bauern äh ein bisschen gehandelt.
00:02:44 Und äh auf dieser Fahrt von Reims nach Torhout, wo die Mutter wohnte, da bin ich in äh Roeselare an dem Bahnhof..
00:02:58 Bin ich in so eine Razzia hineingekommen. Da habe ich dort gewartet auf die Verbindung nach Torhout
00:03:04 und unterdessen wurde dann das ganze Viertel.. wurde abgesperrt.
00:03:10 Und äh ja, dann war es eben so, dass äh die sich die jungen Leute schon von vornherein mitgenommen haben.
00:03:19 Und ich habe ja angedrungen, weil ich nämlich meine Sachen der Mutter zu übergeben hatte.
00:03:26 Da haben die einfach gesagt: "Gut, Pass und so weiter bekommst du morgen.
00:03:33 Wenn es aber äh nicht passiert, dann wird es ja Maßnahmen geben."
00:03:42 Ich kannte aber schon von vorn.. von, von früher her, wa.., was das hieß, und äh da bin ich zu der Mutter weitergefahren.
00:03:53 Am nächsten Tage habe ich mich dann in Brügge gemeldet.
00:03:56 Und da bekam ich dann mit verschiedenen Anderen, die schon dort, dort waren und gewartet haben.
00:04:03 Da sind wir weggekommen nach Hagen.. Hagen an der Ruhr.
00:04:11 Und da hat es eine Aufteilung stattgefunden und ich kam dann nach Wetter an der Ruhr, bei die Firma Harkort-Eicken.
00:04:21 Harkort-Eicken war Stahlwerk, da wurden Panzer produziert. Und da kamen wir im Gemeinschaftslager in Herdecke.
00:04:31 Das war drei Kilometer außerhalb Wetter. In Herdecke bei der Lagergemeinschaft.. die wurde geführt durch den Lagerverwalter Schulte.
00:04:45 Äh bei dem ist das an sich äh schon so gewesen..
00:04:50 Da musste ich dann mal etwas erläutern.. die da, die da vorgefallen ist, wa.., was an sich mit der Verhaftung zu tun hatte.
00:05:03 Äh gearbeitet habe ich da in dem Betrieb.. da war ein Acht-Stunden-Betrieb. Rund um die Uhr waren drei Schichten vorgesehen.
00:05:15 Da habe ich zuerst am Ofen gearbeitet. Da habe ich dann in der Verlade mit äh einem, einem Kran gearbeitet.
00:05:25 Und bin dann im Betrieb hinein auch weiter mit dem Kran äh zum, zum Gießen und in den Formen voll zu machen und so.
00:05:36 Habe ich dann dort gearbeitet.
00:05:39 Es ist Folgendes passiert in dem äh, in dem Betrieb:
00:05:48 Als Kranführer konnte ich mit diesem Kran die ganze Länge und die ganze Breite von dem Betrieb, wo die Halle.. wo wir drin waren..
00:05:59 Konnte ich an sich befahren. Ich konnte überall was aufladen, abladen.
00:06:03 Also ich konnte an sich mit dem Ding schon mal sehr gut umgehen.. War ein Artist geworden, sozusagen.
00:06:12 Eines Tages ist Folgendes passiert: Um 9 Uhr gab es eine viertel Stunde für ein Butterbrot zu essen.
00:06:22 Und unten äh waren verschiedene Maschinen.. Drehbänke waren dort.
00:06:29 Und die Leute waren fast noch alles Deutsche, die an diesen Drehbänken gearbeitet haben.
00:06:36 Äh die haben dann an einem Tag.. hatten die wahrscheinlich nichts anderes zu tun.
00:06:42 Die haben mich auch ein bisschen beschimpft und einer von denen hat sich äh ein Stück Eisen vom Boden genommen und hat..
00:06:51 Und das ist mir am Auge hier oben.. bin ich da getroffen worden.
00:06:59 Bis dahin habe ich mich um gar nichts gekümmert, ich aß mein Butterbrot so weit.
00:07:02 Das, das Schreien und so, das war ich an sich schon gewöhnt, da das machte an sich nichts aus.
00:07:08 Und äh da habe ich gemerkt, wer dieses Stück geschmissen hatte, und habe ich eine Wut gekriegt.
00:07:18 Denn das war am, am Bluten. Da, da blutet es sehr leicht.
00:07:23 Und da war ich am Bluten, habe meine Maschine in Gang gesetzt, die Kette hochgezogen..
00:07:30 Ich hatte zwei schwere Ketten. Und der Rollwagen, der war ungefähr so vier Meter lang.. ein Kran.
00:07:41 Und da verfolge ich den Burschen mit, mit, mit, mit die, der Absicht, dem einen Kettenschlag zu geben.
00:07:53 Der hat sich verkrochen zwischen den Maschinen da. Und wo ich dem in aller Eile nachfolge, bleibt die zweite Kette..
00:08:03 Die hatte ich ganz aus den Augen, Augen verloren.. Ich habe mich nur um den einen gekümmert, um dem so richtig einen Schwung zu geben.
00:08:10 Und da bleibe ich mit der zweiten Kette in einem.. das große Rad, was man so an diesen Drehbänken hat, zum Festschieben.
00:08:21 Da bleibt die da drin hängen, aber bevor ich bemerkt habe, was los war, da hebt sich die, die, die Maschine..
00:08:28 Die Drehbank aus den Fundamenten heraus und da bricht das.
00:08:33 Da kannst du dir mal vorstellen, so ein dickes Eisen.. Da bricht, da bricht das Ding weg und da fällt dann die Maschine runter.
00:08:41 Selbstverständlich nicht an den Fundamentstellen, sondern eine Kante da einfach.
00:08:47 Und das ist ja ungefähr eine ganze Woche.. wurde die äh nicht benutzt.
00:08:56 Und das hat selbstverständlich.. Am selben Tag ist da alles so ziemlich ähm ein Palaver gewesen.
00:09:05 Gestapo-Leute kamen schon dazu. Der Ingenieur war runter gekommen. Das war der Ingenieur Schrotz.
00:09:13 Und der hatte mich schon am zweiten Tag, wo die, wo die an sich äh.. mit den, mit dem, der, der Betroffen war.. der, der Deutsche unten.
00:09:27 Aber der sagte einfach, er hätte gar nichts, nee, und äh den, den Stein hatte vielleicht einer. Aber weiß..
00:09:34 Man weiß nicht, wer an sich geschmissen hat. Also und äh: "Das ist sowieso ein Mann, der dauernd am Meckern war." So.
00:09:43 Was an sich gar nicht stimmt, aber was soll's.
00:09:46 Und äh das ist dann selbstverständlich so gewesen, dass ich noch bis zum Gemeinschaftslager zurückgehen durfte.
00:09:59 Übernachtet.. Eine Nacht.. Und am nächsten Morgen, so um 7 Uhr, da kamen die mich verhaften.
00:10:08 Vorher.. So acht Tage vorher hatte es einen Unfall gegeben im Gemeinschaftslager.. mit diesem Schulte.
00:10:18 Da hat sich ein kleiner Franzose.. 18 Jahre war der ungefähr, war auch ein Zwangs.. Zwangsarbeiter aus Frankreich gekommen.
00:10:27 Der hat sich auf dem WC eine kleine Zeichnung auf diese kahle, weiße Wand gezeichnet. Wie einen, der da hängt.
00:10:40 Und da hat der nichts Besseres gefunden, als wie darunter "Hitler" zu schreiben.
00:10:45 Da hätte der nur Napoleon oder Stalin drunter geschrieben, da wäre das alles halb so wild gewesen.
00:10:53 Und der blöde Bursche, der ihm folgt, der sieht die, die, die Malerei an der Wand, kommt rausgeschossen und schreit laut:
00:11:05 "Hans, da hat der Hitler da aufgehängt." ...
00:11:10 Und der Lagerverwalter, der hatte sein Büro direkt neben dem Speisesaal.
00:11:17 Der kam da rausgeschossen, ging schauen, was los war. Und da hat der geschrien:
00:11:22 "Also derjenige, der das getan hat, wenn der sich nicht meldet, da wird so lang gewartet, bis der sich melden wird."
00:11:31 Also bis dahin gibt's nichts zu essen.. gibt's gar nichts mehr.
00:11:35 Und der Kleine, der hat zuerst mal gemeint, also, es ist doch gar nicht so schlimm, die kleine Zeichnung.
00:11:42 Nach die, nach dieser Drohung, da hat der sich sofort gemeldet.. hat er gesagt: "Ich bin's gewesen."
00:11:49 Und der wurde dann am nächsten Tag schon weggeschafft.
00:11:54 Ich habe dann von dem Deutschen, der in der Küche gearbeitet hat, erfahren, dass der nach Dachau geschickt worden war.
00:12:03 Man wusste an sich nicht so richtig, was an sich da.., damals.. in.. nicht, das war ja Anfang '43.. was Dachau war.
00:12:10 Aber es war immerhin als so, so eine Art äh Straflager so bekannt.
00:12:16 Und äh ich, ich war an sich der Wortführer von dieser Zwangsarbeitergruppe, die da waren, nicht?
00:12:24 Und da habe ich gewartet, bis der ganz alleine abends.. bis der ganz allein in seinem Büro war.
00:12:31 Und da bin ich zu ihm gegangen, habe ihm das gesagt, was ich schon erklärt habe.
00:12:35 Da habe ich ihm gesagt.. also: "Deutschland verliert den Krieg, da kannst du dich drauf verlassen.
00:12:41 Aber ich werde dafür sorgen, dass du zur Rechenschaft gez.. gefragt wirst."
00:12:48 Nicht, du kannst dir wohl vorstellen.. also für, für so eine Kleinigkeit so, so eine, eine schlimme Sache.
00:12:55 Und das ist mir da.., damals schon im Kopf geblieben, dass das un.., un.., ungerecht war.
00:13:03 Und.. na ja, die beiden Sachen sind an sich, die Gründe, weshalb ich an sich verhaftet wurde.
00:13:11 Aber während der vier Monate, die ich im Gestapo-Gefängnis in Dortmund verbracht habe..
00:13:18 Während der vier Monate bin ich da zwei Mal nur, nur über diesen Sabotage-Akt äh verhört worden.
00:13:30 Verhört worden mit, mit der Pflicht zu unterschreiben, dass ich es mutwillig gemacht habe. Und das habe ich nie, nie getan.
00:13:41 Das war vor allem auch äh der Schrotz, der hat mir auch gesagt, bevor ich überhaupt mit diesen äh Gestapo-Leuten wegkam..
00:13:50 Der hat gesagt: "Dekeyser, passen Sie auf: Geben Sie nie zu, geben Sie nie zu, dass Sie das mutwillig gemacht haben.
00:13:58 Gleich, was passiert, geben Sie nie zu." Und da habe ich mich dran gehalten.
00:14:03 Äh wenn die ein, ein, ein Verhör abhalten, da kommst du mehr äh auf den vier, vier äh..
00:14:14 Dings äh in deine Zelle zurück als wie, als wie, als wie du reinkommst.
00:14:20 Aber ich habe mich da dran gehalten und nach dem zweiten Tag hörte ich die schon untereinander sagen:
00:14:26 "Pf.. Lass sein.. also der kommt demnächst sowieso weg."
00:14:31 Was es hieß, das weiß ich gar nicht mehr und das war dann eben das Abschieben nach dem KZ Flossenbürg.
00:14:38 Und in diesem Transportschein, da hieß es: wird.. Dekeyser wird das KZ äh Flossenbürg überstellt als äh "Staatsfeind".
00:14:53 ...
00:14:56 Und äh.. wo ich nach dem Krieg an sich mich darum gekümmert habe da und äh Belege zu bekommen und so,
00:15:04 da war von Sabotage nie mehr die R.., die Rede. Da war alles nur noch um äh diesen Defätissen.. Defätisten-Ausdruck.
00:15:16 Da stand: "verliert den Krieg", das war zu der Zeit..
00:15:19 Also ich habe es mir gar nicht vorstellen können, aber ich kann's, kann's mir später wohl, wohl vorstellen..
00:15:25 Die Defätisten für einen, einen, der so einen Satz schon ausge.., der wurde schon mal an die Mauer gestellt, nicht. Das sind Deutschen..
00:15:33 IV: Also das war noch schlimmer als Sabotage quasi.
00:15:35 CD: Ja, war, war, war schlimmer. Das ist das Einzige, was an sich noch übrig geblieben ist.
00:15:41 Ich habe noch nach längerer Zeit mit dem Präsidenten von äh dem Gefängnis in Dort.. äh Dortmund zu tun gehabt.
00:15:51 Und der hat äh alles bewegt äh.. in Münster nachgefragt und so. Der hat nur das Einzige.. hat der mich noch mal bestätigt:
00:16:01 Die ganzen Unterlagen von der Gestapo wurden in Arnsberg, Papierfabrik Feldmühle verbrannt.
00:16:13 Die ganzen Unterlagen der Gestapo ist da verbrannt worden, im März '45.
00:16:18 IV: Also kurz vor Kriegsende, bevor die Lager.. wurde alles..
00:16:21 CD: Kurz vor Kriegsende ist alles, alles verschwunden. Dort war, da war da dann, dann also von, von diesen Ges.. äh äh..
00:16:29 Sabotage äh.. akt, der, der an sich der Grund war, weshalb ich an sich sofort weggekommen bin. Äh da, da ist ja keine Spur mehr.. nirgends.
00:16:42 Außer dass ich von dem äh ach.. Heidelmeier, das war ein Vorarbeiter.. Da habe ich von dem noch eine Bescheinigung machen lassen.
00:16:53 Damals schon.. äh dass ich äh das Rad äh gebrochen hätte. Das ist an sich das Einzige, was an sich heute noch übrig geblieben ist.
00:17:04 IV: Tupfen Sie noch mal ein bisschen?
00:17:08 Dann erzählen Sie mir doch mal bitte, wie, wie ging es dann weiter? Der.. dann kam ein Transport nach Flossenbürg, vielleicht erzählen..
00:17:14 CD: Ja.
00:17:14 IV: ..Sie ein bisschen von dem Weg und wie es war, als Sie hier angekommen sind.
00:17:18 CD: Ja also, wird sind äh vom äh von Dortmund mit dem Zug abgefahren.
00:17:26 Und äh wir haben zuerst irgendwo in der Gegend von Würzburg.. sind wir ausgestiegen und haben die Nacht im Gefängnis dort verbracht.
00:17:39 Gefängnis.. Es ist nicht dabei geblieben, da war unheimlich viel äh äh Ungeziefer in diesem Gefängnis.
00:17:47 Also da haben wir am nächsten Morgen schon angefangen, äh äh das Hemd, das Hemd umzukehren und alles ein bisschen wegzuschaffen.
00:17:57 Dann bin ich weggekommen am nächsten Tag in Richtung Weiden, wo wir auch wieder ausgestiegen sind.
00:18:06 Unterdessen ist in Nürnberg der ein oder andere auf einen anderen Zug äh versetzt worden.
00:18:11 Der, der ging da wahrscheinlich nach, nach Dachau oder Buchenwald irgendwie.
00:18:17 Und in Weiden habe ich da drei Tage Holz gehackt.. im Gefängnis im Weiden. Drei Tage.
00:18:26 Und da sind wir.. Nachdem von allen Ecken kamen, kamen dann Zufuhr.. so Häftlinge.
00:18:31 Da sind wir so mit rund ca. 40 Mann auf einen Lkw verladen worden. Und äh direkt hier zum Lager geschafft.
00:18:42 Und damals kamen wir noch durch den Eingang, direkt ins Kommandanturgebäude.
00:18:50 Da hatten die, die Gestapo-Leute, die diesen Briefkram da gemacht haben, die hatten da ihre Büros.
00:18:59 Ja.. und das, das, was an sich sofort klar war.. Das Schreien und Schlagen hat an sich nie stattgefunden in Weiden, wo wir auf den Lkw reinge..
00:19:15 Aber sobald wir da in Flossenbürg zugekommen sind, da hat es dann angefangen.
00:19:22 Da hörte man schon mal, was für ein.. die Glocke geschlagen hat zu der Zeit.
00:19:30 IV: Wie war denn, wenn Sie sich erinnern.. Sie sind mit dem Lastwagen gekommen von Weiden..
00:19:34 CD: Ein Lastwagen von Weiden.
00:19:35 IV: Wie war denn so der erste Eindruck, plötzlich als Sie kamen? Was haben Sie gesehen, gehört? Was war das für ein Gefühl?
00:19:42 CD: Ja zu.. auf, auf den ersten Moment wo, wo, wo wir aus.. ausgestiegen sind äh, sind wir einer nach dem anderen..
00:19:51 Kamen wir da bei der Gestapo vorbei. Die hatten da ihren Dossier.. war schon, war schon alles klar.
00:19:58 Und äh da sagt der zu mir äh: "Wenn dir was zustößt, wen soll man da benachrichtigen?"
00:20:12 Ich sage: "Was zustoßen? Was, was meinst du denn?" Was meint der denn da damit, mit "zustoßen"?
00:20:17 Dann als ich fühlte mich an sich noch trotz der vier Monaten im Gefängnis.. fühlte ich mich an sich noch ganz, ganz fit, also von wegen zustoßen.
00:20:27 Aber das, das hat mich zuerst noch mal noch, noch nicht so, so.. aber nachher äh ist das alles zusammen gekommen.
00:20:35 Aber den ersten Eindruck, da.. dann, dann.. da stellt man sich die Frage, was, was, was, was soll's, ne?
00:20:42 Da habe ich gesagt: "Ja, selbstverständlich die Eltern."
00:20:47 Und äh dann ging's weiter. Wir kommen dann ins Lager.. Denn die Kommandantur war, war außerhalb noch.
00:20:56 War Kommandant im Lager.. an dem Posten da vorbei und stellen uns dann da auf, vo.., vor dem, vor der Baracke, die es an sich da gab.
00:21:05 Das war an sich der Zugangs.. und Zugangsbaracke war an sich damals Nummer 13. Das weißt du noch genau.
00:21:16 Und wo wir da an dem Eingang vorbeikamen, da, da fiel mir diese, diese Schrift, die da so auf diesem Steinblock angegeben war: "Arbeit macht frei"
00:21:29 Zu der Zeit hatte ich das noch nirgends gesehen und "Arbeit macht frei", ja das macht der Tingel, nicht?
00:21:36 Da habe ich gedacht, ist vielleicht doch was, {lacht} wa.., wa.., was Gutes.. so das Ganze.
00:21:44 Und äh ich warte bis der, der Posten.. da lief der Posten unsere Reihe entlang.. bis der Posten auf meine Höhe kam.
00:21:53 Da sage ich: "Moment, was heißt 'Arbeit macht frei'?"
00:22:00 Schnappt der mich bei das Tor, zerrt mich aus der Reihe heraus, macht zwei, drei Schritte in Richtung zum Krematorium hin.
00:22:09 Da sagt er: "Siehst du den Bau da unten?" - "Ja."
00:22:15 "Den Schornstein?" - "Ja"
00:22:18 "Den Qualm?" - "Ja."
00:22:20 "Also, je mehr und je schneller du arbeitest, kommst du ins Krematorium."
00:22:27 Wusste ich gar nicht, was Krematorium war, das war zum ersten Mal, dass ich so etwas hörte.. Krematorium.
00:22:33 "Wenn du dann da drin kommst, dann kommst du in den Schornstein und da oben, da tut dir kein Mensch mehr was."
00:22:40 In diesem Sinn.. so.. ja.
00:22:44 Und da ist mir dann das durch den Kopf gegangen: Krematorium... Also da, da, da verbrennen wir die, die, die Leute, ne?
00:22:56 Ah dann äh wo, wo ich das so richtig begriffen hatte, ich stand schon wieder in der Reihe drin.
00:23:02 Da habe ich auf dem, auf dem flämischen Ausdruck, da habe ich gesagt:
00:23:06 "Charltje, uit dat gat hier komt jou nooit meer eruit." Das heißt: "Aus diesem Loch, aus diesem Loch kommst du niemals mehr raus."
00:23:17 Und ab diesem Moment äh ist dann dieser Eindruck von, von, von den Kleinigkeiten, die es an sich vorher gab dort..
00:23:26 Das Benehmen, die Muselmänner, die da über, über den Appellplatz äh da, da noch äh äh hin und her äh äh schritten..
00:23:36 Das, das, das, den ganzen Eindruck, das war etwas, was ich mit meinem kleinen Satz da ausgedrückt hab.
00:23:42 "Aus diesem Loch kommst du nicht mehr raus."
00:23:46 Das war der erste Eindruck und ich kann sagen, ohne.. dann, nachher sind wir noch ins Bad, ins Bad.
00:23:54 Äh d.., der, der, das Baden ist an sich für ein, ein Zugäng.. äh Gruppe äh nicht so schlimm als wie wenn du einen Block aufhältst mit Ungeziefer..
00:24:10 Und abends musst du dann zum Bad. Da verbrachtest du die ganze Nacht im Bad.
00:24:17 Zugänger kamen nur.. da wurde geändert.. Da kamen äh die, der, der, der, der Anzug und alles Notwendige.
00:24:27 Und da kamen wir dann in dem Zugängerblock äh wieder äh zusammen, mit allem, was drum und dran war.
00:24:34 Und während dieser, dieser Badezeit, da war es gar nicht so schlimm, das dauerte.. dann die..
00:24:40 Das musste voran gehen, die konnten sich da nicht.. von wegen äh.. ja.
00:24:44 Da hat es dann da auch äh in dieser Art.. Die hatten wahrscheinlich den Auftrag, äh den neuen da schon von Vornherein ein bisschen zu piesacken.
00:24:56 Damit die wissen, wo.. woher der Wind kommt. Ne? Und so war es ungefähr auch. Geschrien, geschlagen, mal kalt, mal heiß.
00:25:06 Aber ich habe dann später.. Bin ich dann schon mal eine Nacht äh wegen Ungeziefer.. das war nun ganz was anderes Baden, zu der Zeit..
00:25:18 Nein, das war an sich.. so der, der Kapo von der, von der Badeanstalt, der war auch so.. die waren ja alle so.
00:25:25 Da waren ja alle "Grüne", da waren nur ein paar, ein paar "politische" Deutsche, die Posten hatten, aber die.. das waren die wenigsten.
00:25:34 Alle die anderen hatten was zu sagen und die benahmen sich demnach.
00:25:39 IV: So, können Sie sich vielleicht noch mal so.. Sie haben gesagt, das war der erste Eindruck..
00:25:43 Plötzlich, wo Sie gemerkt haben, das ist jetzt eine andere Welt als ein Gefängnis oder so was.
00:25:47 Wussten Sie.. hatten Sie denn schon so eine Ahnung vorher, dass es so etwas gibt wie Konzentrationslager?
00:25:52 CD: Nee, nee.
00:25:52 IV: Wie war auch optisch der Eindruck. Äh was haben Sie ge.. sonst noch gesehen? Sie haben den Appellplatz gesehen, Sie haben den..
00:25:58 CD: Ja, den Appellplatz und dann drum herum die Wachtürme. Die Wachtürme mit den SS-Leuten, die Maschinengewehre, die da schon..
00:26:07 Die Lichter, die Lichter, die auch zu der Zeit schon angefangen haben zu blitzen und so.
00:26:13 Äh und, und da standest du auf dem Appellplatz und, und an allen Ecken ging das ein bisschen rauf. War hügelig an allen Ecken.
00:26:23 Also man hat wirklich den Eindruck, man sitzt in einem Loch und die von da oben, die brauchen nur zu zielen und machen da alles kaputt, was da unten ist.
00:26:33 Weil es, es ganz einfach ist. Es ist ja kein Wegkommen, da ist kein Schutz.. ist gar nichts, nicht?
00:26:38 Dieser, diesen Eindruck, das ... Das Ganze.. in einem Sinn.. also:
00:26:43 "Aus dem Loch kommst du nicht raus", das konnte von alles passieren, war alles mit gemeint. In diesem Sinne.
00:26:53 Und jeder eine, der da, der da äh ins Lager reingekommen ist und diesen..
00:26:58 Ohne, ohne dass die irgendwie die, die Frage gestellt haben und so..
00:27:02 Aber äh den Eindruck.. den meisten war schon.. die, die sind spät.. Ende '44.. '45 gekommen.
00:27:10 Die hatten schon irgendwie eine Mö.., ein kleines Lager irgendwie schon mitgemacht..
00:27:15 Gefängnis haben die auch alle äh ausnahmsweise auch schon mitgemacht.
00:27:20 Aber die haben alle gespürt, wo sie, wo sie hier nach dem Duschen, bevor sie überhaupt im äh Zugangsblock herein waren,
00:27:29 da waren die alle äh.. kein, kein Lebenswille mehr, nicht? Das.. es war.. was war.. das Ende war. Das war das Ende.
00:27:39 Und äh wissen, was an sich richtig noch passieren würde im Lager, das hat sich keiner vorgestellt.
00:27:48 Da man kann, man kann.. man sich gar nicht vorstellen.
00:27:50 Wenn man von auswärts irgendwo kommt und hat schon mal äh mit der SS und Gestapo zu tun gehabt..
00:27:59 Aber so wie hier gehaust wurde, das gab's nirgends. Das gab's nirgends.
00:28:06 IV: Äh können Sie vielleicht so ein bisschen über die ersten Tage auch.. wie war das?
00:28:10 Haben Sie eine Nummer bekommen? Gab.. wie, wie wurden Sie eingekleidet?
00:28:14 CD: Ja, das, das ist..
00:28:15 IV: Wie war auch die Verpflegung? Wie war so der erste Eindruck dann auch?
00:28:17 CD: Das ist, das ist an sich schon am selben Tag passiert.
00:28:21 Wo, wo, wo wir an sich äh nach dem Baden.. nach dem Baden bist du rasiert von Kopf bis Fuß.
00:28:27 Äh dann kriegst du die Kleidung, dann kommst du in den Block rein. Zu essen hat es am ersten Abend gar nicht gegeben.
00:28:39 Ob das extra gemacht wurde, weiß ich gar nicht. Aber es gab gar nichts zu essen am ersten Abend.
00:28:44 Und dann am nächsten Morgen, da gab's zu der Zeit eine Art Brotsuppe.. morgens.
00:28:53 Das ist dann äh sobald wir auf den Block aufgeteilt wurden, ist die Brotsuppe weggefallen. Da gab's dann nur noch Kaffee.
00:29:04 Aber die, die, die eine Woche, die wir da auf diesem Block waren, äh hatten wir eine Brotsuppe morgens.
00:29:15 Und da hat an sich äh das Drillen angefangen.
00:29:18 Man musste lernen, äh wie man sich äh SS-Angehörige zu benehmen hatte, wenn man denen irgendwo begegnete.
00:29:26 Da musste man auch lernen, wie der gesamte Block.. Mützen ab, man durfte nur einen Schlag hören für alle Blöcke.
00:29:37 Da können Sie sich mal vorstellen, wie, wie schwierig, wie schwierig zwischen Kräftigen und weniger Kräftigen,
00:29:44 kranken Leute, die in den Gruppen waren.. äh wie, wie schwierig war das, das äh lau.., laute..
00:29:52 Der Stäubchen, der Lager.. äh, der Lager.. äh.. er war Lagerführer... Stäubchen. Der nahm diese Zählung morgens und abends ab.
00:30:05 Äh der hat gerade eben bei diesem Kommando.. von wegen "Mützen ab!", und dann..
00:30:12 Da hat der zig Mal.. und wir haben dann während der Tage.. haben das alles üben müssen.
00:30:19 Aber wenn das in einem Block so richtig hinhaut, dann ist das noch lange nicht der Fall, wenn wir auf dem allgemeinen äh Platz da standen.
00:30:31 Alle zusammen, da hinkt es sehr oft, sehr oft schlecht. Da haben wir manchmal eine Stunde, zwei Stunden üben müssen, bis, bis.. der, der..
00:30:42 A.., am Schluss ging es an sich noch, noch, noch schlimmer zu als wie beim Anfang.
00:30:47 Weil nämlich die Leute, die haben sich müde gemacht für das... und so. Und äh dann wurde es an sich schlimmer.
00:30:54 Da, da hat er aufgehört, weil er wahrscheinlich irgendwo was anderes zu tun hatte.
00:30:58 Da, da, da ging's zur Arbeit, zu erstmals.
00:31:01 Stell dir mal vor, der hatte so mutwillig ab und zu mal ein paar Stunden die Leute so in der Kälte stehen lassen.
00:31:08 Und der hat sich gar nicht darum gekümmert. Arbeit sollten die an sich, normalerweise, nicht?
00:31:15 Aber die SS, die haben ja alle äh eben das gemacht, was die se.., selbst als für richtig hielten. Nicht?
00:31:24 Trotz Dekret von Himmler, man sollte die, die Leute jetzt arbeiten äh tun und so krepieren,
00:31:31 anstatt äh willkürlich da irgendwo einen zu erschießen, ohne, ohne dass er was geschafft hat.
00:31:38 In diesem Sinne war das gemeint, in diesem Dekret damals.
00:31:43 IV: Und dann war's also eine Zeit..
00:31:45 CM: Äh ich muss..
00:31:46 IV: Band wechseln? Oder..
00:31:47 CM: Ja.