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00:00:00 IV: Aber wa.. ja. Sie sind hier geboren, zur Welt gekommen, aufgewachsen, haben hier gelebt.
00:00:06 Äh wenn Sie mal so zurückdenken, wie weit Ihre Erinnerungen überhaupt so zurückgehen.. als Kind.
00:00:14 Äh wann ist Ihnen so das erste Mal so klar geworden, dass hier ja Flossenbürg so auch was Besonderes ist.
00:00:18 Oder war das nichts Besonderes, dass dieses Lager hier war, dieses Konzentrationslager? Hat man das als Kind irgendwie überhaupt registriert?
00:00:26 Oder später.. wenn Sie zurückdenken.. Wann ist das das erste Mal so in Ihrem Bewusstsein auch so aufgetaucht?
00:00:32 JW: Das erste Mal eigentlich äh als in der Ortsmitte der Friedhof nach der Befreiung des Lagers angelegt worden ist.
00:00:41 Und zwar deshalb, weil der Friedhof unmittelbar neben dem Grundstück, wo ich geboren bin, gemacht worden ist.
00:00:47 Da ist mir das erstmals aufgefallen. Nur als Kind weiß man nicht, was das bedeutet oder was das überhaupt ist.
00:00:54 Das wäre eigentlich, was ich das Erste äh daran erinnern kann.
00:00:58 Und später, als man dann älter geworden ist, als man mit Schulkameraden äh, mit ehemaligen Heimatvertriebenen,
00:01:05 die in diesem Lager dann später wohnten, zusammenkam beziehungsweise hier herausging, dann hat man gesagt: "Ja, da war ein Lager."
00:01:13 Aber was das bedeutet hat, als Kind, kann ich mich da also nicht irgendwie erinnern daran, was überhaupt das bedeutet hat.
00:01:20 CM: Kurzen Break. Wir haben jetzt wieder Besuchergruppe.
00:01:24 IV: Klar, das ist natürlich auch.. Wenn man dann irgendwie mit sowas auch so ein bisschen groß wird, ist das ja auch eher normal, als wenn man von außen kommt.
00:01:30 Aber so diese, sozusagen diese Geschichte dieses Konzentrationslagers.. in der Familie.. wurde darüber geredet? War das ein Thema, oder..?
00:01:38 Äh so.. oder auch so, dass man mal dann das Wort "KZ" oder so.. kam das irgendwie mal später? So..
00:01:44 Ich denke, irgendwann.. man wird ja so allmählich älter, fragt mal und.. Wie ist das so, wenn Sie da z.. dran zurückdenken?
00:01:52 JW: Also ein, einen Punkt, an den erinnere ich mich schon. Und zwar das hat sich noch vor der Befreiung äh ereignet.
00:02:00 Und zwar.. Es war ja auch verboten, schwarz zu hören. Und wir hatten ein Radio, so ein Volksempfänger.
00:02:07 Und da ist immer abends um 21 Uhr Nachrichten vom em.. englischen Rundfunk gekommen, in deutscher Sprache.
00:02:16 Äh, denn von Deutschland hat man ja das nicht so genau gehört.
00:02:19 Und da haben am.. abends immer meine, meine Mutter, meine Geschwister und, ich glaube, teilweise aus der Nachbarschaft, die keinen Radio hatten..
00:02:27 Her.. sind rüber gekommen. Äh verdunkelt waren ja die Fenster sowieso, wegen der Fliegerangriffe.
00:02:33 Und dann sind alle um diesen Radio gegangen äh und haben ge.. äh zugehört.
00:02:38 Und ich als Kind bin noch auf gewesen und bin halt in der.. hab' gespielt oder was, das weiß ich nimmer so.
00:02:44 Auf jeden Fall äh ist um 21 Uhr das so gekommen, und zwar dieser, dieser Londoner Rundfunk hat ein Sendezeichen gehabt.
00:02:52 Drei Mal so ein Gongschlag: Bum, bum, bum - "Hier spricht London." So kurz: Bum, bum, bum - "Hier spricht London."
00:03:03 Und das habe ich halt wahrscheinlich mitbekommen oder vielleicht momentan nicht registriert. Auf jeden Fall einige Tage später..
00:03:10 Genau weiß ich das nicht mehr.. war ich im Hof und draußen war eine, eine Blechbadewanne, am Fußteil gestanden nach oben.
00:03:20 Und da bin ich als kleiner Fünfeinhalbjähriger reingegangen und habe also mit dem Finger drangeklopft.. auch so drei Mal.
00:03:25 Und habe gesagt: "Bum, bum", also hat's ge.. so geklungen. Und ich habe geschrien {in höherer Stimmlage}: "Hier spricht London."
00:03:31 Und nach ein paar Mal hat das meine Mutter gehört, ist rausgekommen, hat mich rausgezogen, hat mir, wie wir bayrisch sagen, "ein paar Watschen gegeben", hat gesagt:
00:03:38 "Das darfst doch du nicht sagen! Wenn das jemand hört, die sperren uns alle ein."
00:03:43 Ich habe das natürlich nicht verstanden, aber an das kann ich mich schon erinnern.. an diese Watschen, die ich da bekommen habe.
00:03:50 IV: Weil das sozusagen das verbotene Hören der Feindsender war, oder so.
00:03:53 JW: Richtig, richtig, ja.
00:03:55 IV: Ja, und als Sie dann so ein bisschen älter wurden, hier auch aufwuchsen äh, da lebten ja dann Vertriebene, glaube ich, auf diesem Gelände.
00:04:03 Das wurde auch wieder bebaut. Aber ich kann mich zum Beispiel erinnern, in meiner Familie wurde immer, als ich Kind war, über Krieg geredet.
00:04:10 Über die Bombennächte, sozusagen über Hitler, über Faschismus äh.. War das irgendwie dann so, so ein Thema? Weil ich denke, das ist ja auch so.. da..
00:04:20 Ich denke, die Leute, die Generation Ihrer Eltern, die ja das hier irgendwie auch miterlebt hat, die haben natürlich mehr mitgekriegt.. mehr gewusst.
00:04:27 War das irgendwie so ein Gesprächsthema? Oder wurde das wirklich irgendwie nicht mehr wahrgenommen oder nicht mehr thematisiert? Oder..
00:04:35 JW: Äh. Mündlich überliefert vielleicht.. Das kann ich noch mit ansprechen, was in unserer Familie passiert ist.
00:04:41 Vater war ja im Krieg und mein Bruder hat damals schon mit zehn, elf, zwölf Jahren das Orgelspielen lernen müssen vom örtlichen Pfarrer.
00:04:51 Weil der damalige Organist, ein Lehrer, nicht mehr das Orgelspiel in der Kirche wahrgenommen hat.. aufgrund seiner Parteizugehörigkeit.
00:05:02 Und dann hat der Pfarrer Kinder nachgebildet.
00:05:05 Und mein Bruder musste also immer dann Noten schreiben und ist nicht in diese äh.. von der Jugendorganisation äh..
00:05:15 Dann v.. v.. ja ... die Stunde gegangen. Ich weiß jetzt gar nicht, wie die geheißen hat.
00:05:21 Und dann hat der immer dann äh äh von dem Jugendführer äh irgendwie äh.. ja, ist er geschelten worden und meine Mutter hat gesagt:
00:05:28 "Du bleibst daheim, du musst Noten schreiben. Du gehst da nicht hin."
00:05:32 Sie hat schon vielleicht äh gewusst, warum, aber offen ausgesprochen hat sie's nicht.
00:05:38 IV: Also, da haben Sie schon gemerkt, da ist irgendwas. Irgendwas war.
00:05:40 JW: Richtig, ja.
00:05:43 IV: Ja und dann, dann.. sozusagen später. Sie sind ja später.. haben sich ja politisch engagiert.. waren ja lange Jahre auch Bürgermeister.
00:05:49 Aber auch so in dieser, dieser Phase.. ich denke, so 50er Jahre oder so, da setzen ja sicher auch so Erinnerungen ein.
00:05:55 Wie ist da dieser Ort auch mit diesem Erbe umgegangen? Es hieß ja auch lange "das vergessene Flossenbürg", "das vergessene Konzentrationslager". Es lag weitab.
00:06:04 Wenn Sie das so wahrnehmen, war das irgendwie dann.. dann war das hier in der Gemeinde immer noch irgendwie so ein Thema.
00:06:11 Was soll daraus werden? Was wird damit? Äh oder war das eher auch ein verdrängtes Thema? Wie haben Sie das.. Sie das dann so wahrgenommen?
00:06:19 JW: Also ein Thema, da war ich schon älter äh, habe ich wahrgenommen, und zwar eine belgische Besuchergruppe war da.
00:06:29 Und äh ist auf einen Umstand hin.. Der Bus hat zu brennen begonnen.
00:06:35 Dann hat es allgemein geheißen, ein Anschlag auf diese belgische Gruppe ist vorgenommen worden.
00:06:43 Äh während des Mittagessens ist das geschehen, in einer örtlichen Gastwirtschaft.
00:06:47 Dann hat aber die Polizei das aufgeklärt, dass ein äh Mitfahrer oder beziehungsweise ein Teilnehmer dieser Gruppe eine Laterne dort abgestellt hat.
00:06:58 Und sie zwar ausgelöscht hat, aber die war noch heiß.. hat sie auf den Sitz gestellt und dann hat der Bus gebrannt. Das ist durch den Ort gegangen:
00:07:05 Eine Besuchergruppe.. damals hat man ja nicht gesagt "Gedenkstätte", da hat man gesagt "im KZ".. ist dadurch beeinträchtigt worden.
00:07:13 Da hat man dann als junger Mensch auch gesagt: "Mensch, was ist denn jetzt da gewesen? Was ist denn da passiert, dass da irgendwie der Bus äh gebrannt hat?"
00:07:20 Weil es auch geheißen hat, ein Anschlag wäre vorgenommen worden. Das hat man äh ein bisserl wahrgenommen.
00:07:25 Aber sonst hat man eigentlich nicht sehr viel gesprochen. Ob das eine Verdrängung war...
00:07:33 Oder ob das nur war, weil man nach dem Krieg eben immer nach vorne geschaut hat, das kann ich also nicht jetzt.. nicht mehr beurteilen.
00:07:40 Erst dann später, als ich mich politisch betätigt habe. Ich habe ja dann gleich begonnen..
00:07:46 Weil mein Vater war Anfang der 50er Jahre zweiter Bürgermeister, war im Gemeinderat, und dann ist auch so etwas manchmal angesprochen worden.
00:07:56 Äh dass es sehr schwer ist, hier äh dieses, dieses Erbe des KZ-Lagers.. jetzt mit den vielen Flüchtlingen, hat man ja gesagt.
00:08:05 Das waren ja keine Flüchtlinge, das waren ja Heimatvertriebene. Und äh auch von der Schule her gesehen:
00:08:13 Äh die sind alle in Flossenbürg zur Volksschule gegangen. Ein Klassenstärke von 60 war nichts Ungewöhnliches.
00:08:19 Flossenbürg war ja überfordert mit den damaligen Heimatvertriebenen.
00:08:23 Äh mit den "Lagerern", wie wir gesagt haben, hat es natürlich auch manchmal ein bisschen ja.. zwischen den Buben..
00:08:32 Wir waren vom Dorf, die "Dorferer", und das waren die "Lagerer".
00:08:36 Es waren ja F.. irgendwie Fremdlinge am Anfang und da hat man das wahrgenommen, da hat man ja manchmal gerauft auch, ist ganz klar.
00:08:43 Und damals wahrgenommen: Die wohnen alle im KZ. Einer, der neben mir in der Schule gesessen ist, der hat gewohnt im Gefängnis.
00:08:51 Weil in dem ehemaligen Gefängnis.. da hat man auch Wohnungen draus gemacht und dort haben Heimatvertriebene gewohnt.
00:08:57 Und dann hat man schon ab und zu gehört.. äh aber nicht in der Schule.. dass da draußen allerhand passiert ist.
00:09:04 Dass Menschen umgekommen sind, dass Menschen äh erschossen worden sind. Äh oder dass sie auch verbrannt worden sind.
00:09:11 Meine Mutter hat immer gesagt: "Das hat man bei Ostwind über den Ort gerochen." Äh das war so der süßliche Geruch.
00:09:18 Ich kann mich da als Kind nicht erinnern, aber meine Mutter sa.. hat das immer gesagt.
00:09:21 Und wenn man dann so äh 12, 13, 14 Jahre ist, dann nimmt man das erst wahr.. diese Erzählungen der Mutter.
00:09:28 Und denkt daran: "Mensch, was war denn da überhaupt los?"
00:09:32 Aber es wurde dann immer wieder gesagt.. ich glaube sogar auch, die Bevölkerung wusste das vielleicht gar nicht so genau..
00:09:40 Es waren Verbrecher, die da drin waren, es war der Abschaum der Menschheit.
00:09:44 So wie die Propaganda während des Krieges gelaufen ist, hat man doch auch nach dem Krieg noch gesagt.
00:09:51 Äh ob da mir sagen kann, es wollte niemand sprechen, oder hat man das bewusst verdrängt.. oder vielleicht in die Zukunft schauen.
00:10:00 Da waren dann Leute draus, das ist vorbei. So könnte man das vielleicht auch sagen.
00:10:05 IV: Aber jedenfalls war es nicht so, dass man in der Schule.. dass der Lehrer gesagt hat:
00:10:08 "Wir gehen jetzt dahin, kucken uns das an und ich erzähle euch, was hier passiert ist." Oder so. Also..
00:10:14 JW: Ich bin 1953 aus der Volksschule rausgekommen und die Lehrer, die mich oder uns unterrichtet haben, waren ja alles Ältere,
00:10:22 die entweder im Krieg waren oder.. zum Beispiel dieser Organist, wo ich angesprochen habe, der war damals dann später wieder Schulleiter in Flossenbürg.
00:10:34 Später hat man schon gedacht, dass die natürlich über diese Sache nicht geredet haben, ist ganz klar. Oder erst seit ich äh äh Bürgermeister geworden bin.
00:10:43 Vielleicht war das gar nicht im Lehrplan gestanden.. von Seiten der, des Ministeriums. Das weiß ich aber nicht.
00:10:49 Aber ich kann mir das schon vorstellen.
00:10:51 Das habe ich auch dann später erlegt.. erlebt, als Schulklassen gekommen sind.
00:10:56 Und mich als Bürgermeister auf der Gemeinde angerufen haben, ob ich nicht eine Führung machen könnte.
00:11:02 Da habe ich also festgestellt, dass sie mit Lehrern gekommen sind, die Kin.. diese Kinder nicht vorbereitet haben.
00:11:09 Die sind durchgegangen und haben gesagt: "Ja, das ist eine schöne Anlage." Also wenn niemand dabei ist, war's schwierig.
00:11:14 Ich kann mir vorstellen, dass diese Lehrer vielleicht über diese Zeit nicht sprechen wollten. Ob das so war, weiß ich nicht, aber ich vermute es.
00:11:22 IV: Also Sie haben das Gefühl, das war auch so ein gesamtgesellschaftliches Klima. Das war jetzt nicht nur hier, sondern auch so.. man konnte das überall spüren.
00:11:29 Aber immerhin: Die Lehrer kamen ja plötzlich dann mit ihren Schülern schon her.
00:11:33 Das war ja sicher auch nicht von Anfang an so, sondern hat sich ja irgendwann gewandelt auch.. so vom Bewusstsein.
00:11:39 JW: Ja, wenn ich vielleicht das einfügen darf: Äh ich war ja über 30 Jahre kommunalpolitisch tätig.
00:11:45 Von '72 bis '78 war ich zweiter Bürgermeister.. damals als 33-Jähriger das schon geworden. Und dann äh '78 wurde ich dann erster Bürgermeister.
00:11:56 Und '79, da ist es mir erst so richtig äh bewusst geworden, als der Staatspräsident von Italien, Sandro Pertini, hier in Flossenbürg war.
00:12:06 Mit dem damaligen Ministerpräsidenten von Bayern, Franz Josef Strauß, weil der Bruder des italienischen Staatspräsidenten Pertini, Euch..
00:12:15 Eugenio Pertini in Flossenbürg im Lager war und ist auf einem Transport von Flossenbürg weg umgekommen ist.
00:12:22 Und somit wurde er für Flossenbürg als tot mitgerechnet und er war dann da und das ist dann natürlich durch die Medien gegangen.
00:12:31 Und da habe ich die Meinung, dass dadurch der Besucherstrom, die Besucher zugenommen haben.
00:12:38 Aber auch.. ich glaube, zu dieser Zeit lief auch die Fernsehserie Holocaust.
00:12:43 Und dann, glaube ich, dass das wieder so richtig in das Bewusstsein der Deutschen, sage ich jetzt mal global, wieder gekommen ist.
00:12:52 Ja, da war ja noch etwas vor dieser Zeit. Und dann nahmen meiner Meinung nach die Besuchergruppen zu, aber auch Schulklassen kamen ab und zu.
00:13:01 Nur, es war vor Ort niemand, der diese Klassen oder diese Menschen betreut hat. Und das lief alles, alles über die Gemeinde, weil ja auch keine Verwaltung da war.
00:13:13 Nur ein Gärtner war da, der die Anlagen gepflegt hat. Und für einen, der das nicht wusste, geht man in erster Linie auf die örtliche Behörde, das ist die Gemeinde.
00:13:24 Und das lief natürlich zu 99 Prozent über den Tisch des Bürgermeisters.
00:13:29 Und da habe ich mich natürlich ein bisschen am Anfang zu stark aus dem Fenster gelegt, habe meiner Sekretärin gesagt:
00:13:35 "Also, wenn eine Gruppe kommt und will eine Führung, dann sagst du mir Bescheid, dann versuche ich, vielleicht diese Gruppe durchzuführen."
00:13:42 Obwohl ich am Anfang auch die Hintergründe .. gründe nicht wusste. Es gab zwar ein Buch, das dann herausgekommen ist.. auch in dieser Zeit:
00:13:52 Bayern in der NS-Zeit, Band 2. Und da ist also die, das Lager Flossenbürg äh geschichtlich äh von einem äh Buchverfasser aufgearbeitet worden.
00:14:03 Von äh äh einem Mann, der sich später sehr viel auch um diese Gedenkstätte, um diese Geschichte gekümmert hat.
00:14:11 Und das habe ich natürlich zum Anlass genommen.. mich da schlau gemacht, dass ich auch ein bissl die Hintergründe erklären konnte.
00:14:18 IV: Also das heißt aber auch so, dass vorher hier selber sich da an sich gar niemand so drum bemüht hat.
00:14:24 Also heute gibt's ja auch viele so Heimatforscher, die selber vor Ort kucken.
00:14:28 Oder ganz viele Orte ja auch so gemein.., die einfach, egal wo sie sind, so versuchen, ihre örtliche Geschichte aufzuarbeiten.
00:14:34 So ein bisschen Heimatforschung. Also da gab's hier erst mal gar niemanden, der auch viel drüber wusste?
00:14:38 Das kam.. Und auch dieser Besucherstrom, das war ja nicht sozusagen von hier initiiert, sondern das kam.. rollte auch so ein bisschen über diese Gemeinde rein oder so, nicht?
00:14:48 JW: Ja, das ist, das ist richtig. Aber auch mein äh Vorgänger im Amt, die hat auch schon Führungen gemacht bei bestimmten Anlässen.
00:14:55 Bei Betriebsausflügen zum Beispiel. Die Regierung der Oberpfalz kam und wollte eine Führung haben.. mal nur als Beispiel.
00:15:02 Auch in meiner Zeit schon. Äh dann kam natürlich automatisch die Frage.. Also wie gesagt:
00:15:07 Wir sind indirekt dann so langsam hineingewachsen und der Besucherstrom, wenn ich Ihren Ausdruck gebrauchen darf, überrollt worden. Das ist richtig.
00:15:16 IV: Und dann kam so die Überlegung, man muss irgendwie auch reagieren. Also wenn das passiert, muss man reagieren.
00:15:21 Und ich.. Aber ich denke, dass hat sich dann ja mir der Zeit gewandelt.
00:15:24 Jetzt gibt es ja schon seit über zehn Jahren, glaube ich, sozusagen noch mal diese, sozusagen diese Art neue Form der Gedenkstätte.
00:15:32 Also wo Leute hier arbeiten, Historiker, sozusagen auch diese, diese Ausstellung jetzt vorbereitet haben, Führungen durchgeführt haben, Filme gezeigt haben.
00:15:40 Wie kam denn so dieser Wandel auf? Oder wie hat man.. oder wie hat..
00:15:44 Ich denke, Sie können ja auch als ehemaliger Bürgermeister auch so ein bisschen so das Klima in der Gemeinde, der Leute wider..
00:15:49 Wie war denn das für die Leute? Das ist ja auch komisch, plötzlich ist man der Ort, wo das KZ war und da kommen die Leute mit dem Bus.
00:15:55 Die interessieren sich jetzt nicht sozusagen für dieses Postkarten-Flossenbürg als Luftkurort, sondern äh sind..
00:16:02 Ja, heute nennt man das so ein bisschen zynisch "KZ-Tourismus" manchmal. Und kommen und sagen immer:
00:16:07 "Wo ist denn..?" Die Sehenswürdigkeit ist plötzlich ein Konzentrationslager, das ist ja auch.. Wo es ja oft dann auch die Diskussion gibt:
00:16:13 Die Leute müssen doch was gewusst haben. Und.. Wie war das so, als diese, sozusagen diese, diese Wandlung begann.. auch in der Bevölkerung?
00:16:21 Haben die Leute sich drüber gefreut? War das eher irritierend? Wie sind die Menschen da auch damit umgegangen?
00:16:27 JW: Vielleicht kann ich das noch kurz vorweg schicken: Äh als der Besucherstrom immer mehr wurde.. auch Schulklassen.
00:16:35 Dann habe ich für mich immer gedacht: Das kann doch nicht sein. Das ist doch Aufgabe des Staates.
00:16:40 Die Gedenkstätte ist doch Eigentum des bayerischen Staates, die müssen doch irgendetwas tun.
00:16:45 Und dann habe ich zufällig in der Süddeutschen Zeitung gelesen, dass in Dachau Lehrer freigestellt worden sind zur Führung von Schulklassen.
00:16:52 Dann habe ich mich über den damaligen Justizminister Gustl Lang, der ja unser Stimmkreisabgeordneter war, gewandt und habe gesagt:
00:16:58 "Was in Dachau möglich ist, müsste doch auch in Flossenbürg möglich sein."
00:17:03 Nach langen Verhandlungen ist dann '84 auch ein örtlicher Lehrer äh für einige Stunden in der Woche freigestellt worden zu Führen.
00:17:11 Und äh ich habe mich dann bemüht, die beiden Ortsgeistlichen zu interessieren: katholischen, die evangelischen Pfarrer.
00:17:19 Äh zwei äh Beamte, ein Zollbeamter und ein Polizeibeamter, die sich auch schlau gemacht haben, haben sich.. haben mir mitgeholfen.
00:17:27 Und ab 1985 kam ein neuer evangelischer Pfarrer, der von der Landeskirche auch schon auf das Gebiet hingewiesen worden ist.
00:17:36 Und dann nä.. nahmen dies, der, der Strom immer mehr zu. Und dann hat sich das so entwickelt.
00:17:42 Äh haben wir das so gemacht, die Leute haben das äh.. sagen wir mal so: Ohne großen Kommentar wahrgenommen.
00:17:53 Wenn ein Omnibus gekommen ist, habe also dann immer festgestellt, halt, die haben in der Wirtschaft Mittag gegessen.
00:17:59 Vorher waren sie in der Gedenkstätte oder anschließend. Das hat man ohne großen Kommentar hingenommen.
00:18:06 Vielleicht erst später, wo manchmal ein bisschen etwas hier.. ja.. ein bisschen.. "Aufruhr" kann man nicht sagen.
00:18:14 Und das ein bisschen mehr zunahm. Vielleicht erst ab '95.
00:18:18 Äh 50-jährigster Jahrestag der Befreiung, wo also dann äh von den Sicherheitsmaßnahmen außen rum.. Polizei und alles da war.
00:18:27 Da hat man gesagt: "Ja muss denn das überhaupt sein? Das ist doch schon so lange her äh.. Könnte man doch einmal sagen, es ist vorbei."
00:18:34 Das ist ab und zu gesprochen worden. Aber diese Stammtischgespräche gibt's ja überall.
00:18:39 Aber die große Mehrheit, sagen wir mal so, hat das vielleicht toleriert. Warum? Weil die politische Führung in Flossenbürg immer vorausgegangen ist.
00:18:52 Das heißt also, der jeweilige Bürgermeister ist immer vorausgegangen.
00:18:55 Dann hat man das eher äh akzeptiert, als wenn von außen jemand kommt und macht hier Führungen.
00:19:02 Oder sagt: "Das und das soll gemacht werden." Und da habe ich immer strengs.., strengstens darauf geachtet, dass so.. dass so bleiben soll oder so bleibt.
00:19:11 Dann wird das, glaube ich, von der Bevölkerung mehr akzeptiert.
00:19:17 IV: Ja, und ich meine, wenn Sie sich politisch oder auch sicher mit Ihren Parteigenossen oder im Stadtrat
00:19:21 so dafür eingesetzt haben, dass hier mehr passiert, wurde das so widerspruchslos hingenommen oder begrüßt oder..?
00:19:27 Ich denke, mit Widerstä.. Oder hatte man mit Widerständen zu kämpfen? Kann man ja auch drüber reden.. so..
00:19:31 JW: Äh jetzt möchte ich mal ganz einfach sagen. Ich habe manchmal den Bü.. Gemeinderat über das gar nicht unterrichtet.
00:19:37 Das habe ja ich gemacht als Bürgermeister. Ich brauchte keinen Gemeinderatsbeschluss und habe vielleicht manchmal.. das..
00:19:44 Hätte ich vielleicht das Gefühl gehabt, vielleicht könnte Widerspruch entstehen. Dann habe ich lieber nichts gesagt.
00:19:50 Und habe das nach oben abgesprochen. So lang keine Verpflichtung finanzieller Art auf die Gemeinde zukam, lag ja nichts dran.
00:19:58 Im Gegenteil, ich habe mich also dann angewandt.. an das Ministerium.
00:20:02 Äh es müsste ja dann irgendwie ein finanzieller Ausgleich geschaffen werden, wenn wir uns so engagieren.
00:20:08 Sei es äh.. nicht äh äh äh speziell finanziell für mich, sondern für die Gemeinde, für diese Stunden, die ich hier verbringe.
00:20:15 Oder die Gemeinde hat auf meine Anweisung hin diese Zufahrtsstraßen extra geräumt und gestreut. Das sind ja Kosten der Gemeinde.
00:20:23 Und dann habe ich also mich eingewandt und der Staat hat teilweise finanziell ein bisschen..
00:20:28 Anfangs ganz gering.. geholfen und das hat der Gemeinderat äh mit Dankbarkeit zur Kenntnis genommen.
00:20:36 IV: Gut. Ist ja schön, wenn man das alles so ein bisschen nach Gutsherren Art irgendwie durchsetzen kann.. irgendwie.
00:20:43 Was mich noch, noch so interessiert.. also ich bin ja sozusagen so im Stamme so der Nach-68-er Generation..
00:20:50 Und da war auch immer so in diesem.. gab es halt immer den Konflikt auch dieses Löslö.. dieses Loslösen von der Generation der Eltern.
00:20:58 Und da wurde, wurde, wurden auch immer diese Fragen gestellt, sozusagen: "Was habt ihr gewusst? Und wo wart ihr für verantwortlich?
00:21:05 Was habt ihr im Krieg gemacht?" Also war so ein wichtiges Thema auch.
00:21:09 Gab es sowas als Thema? Und ich meine, das ist dann natürlich, denk' ich, in so einem Ort auch naheliegend, dass was sich Kinder und Enkelkinder dann..
00:21:16 Dann ihre Großeltern fragen und sagen: "Hier, das ist doch vor der Haustür, habt ihr denn das mitgekriegt?"
00:21:21 Oder gab's da sozusagen so eine Diskussion oder solche Konflikte? Oder kam das hier gar nicht so auf?
00:21:27 JW: Also eine offene Diskussion gab es nicht. Wenn es in einzelnen Familien geschehen ist, wo vielleicht jemand höhere Schulen besucht hat.
00:21:34 Und dort vielleicht ein bisschen etwas gehört hat, könnte schon möglich sein. Aber eine offene Diskussion entstand dadurch nicht.
00:21:42 Äh vielleicht auch kommt damit es her, dass Flossenbürg mehr so ein.. wie es angesprochen worden ist.. ein, ein vergessenes Lager war..
00:21:51 Das nicht so stark in den Medien dargestellt worden ist. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt von 1995. Äh so kann ich mir das vorstellen.
00:22:03 In den Familien, die sich damit befasst haben, wurde selbstverständlich drüber gesprochen. Äh wenn jemand sagt:
00:22:10 "Wir haben nichts gewusst." So ist das nicht richtig. Es hat jeder gewusst, dass hier ein Konzentrationslager war.
00:22:16 Beziehungsweise.. und vor allem, was darunter zu verstehen ist, das war ein bissel im Unklaren.
00:22:21 Äh unter dem Begriff, denn es war ja auch ein neuer Begriff, der damals geprägt worden ist.
00:22:25 Es hat auch jeder gewusst, dass hier Menschen eingeliefert worden sind. Äh Häftlinge, wie es so angesprochen worden ist.
00:22:31 Denn dieser Häftlingszug ist ja immer durch den bewohnten Ort durchgeführt worden. Am Ortseingang war der Bahnhof und sind immer durchgeführt worden.
00:22:40 Es war zwar immer Ausgangssperre, aber die an dieser Straße wohnten, haben ja das täglich gesehen, wenn diese außerhalb..
00:22:47 Beziehungswiese wenn diese Transporte gekommen sind. Äh man hat also auch äh das unter der Hand gesprochen, es sind Leute erschossen worden.
00:22:55 Nur, nur unter Hand, weiter hat man das nicht gesagt. Wahrscheinlich auch in der Weise, da man gewisse Angst gehabt hat.
00:23:03 Äh oder, oder dass jemand verbrannt worden ist. Wie ich schon angesprochen.. meine Mutter hat immer gesagt:
00:23:08 "Da hat's ein bisschen gerochen bei Ostwind im Ort." Das hat schon jeder gewusst.
00:23:12 Aber die Funktionsweise, wie das im Lager zugegangen ist, das ist vielleicht erst nach dem Krieg bekannt geworden.
00:23:21 Und vielleicht auch erst später, als die Forschung Einzelheiten darüber herausgebracht hat. Ich habe mich wundern müssen.
00:23:27 Ich habe diese Ausstellung ein bisschen schon angeschaut. Da sind ja Sachen drin, die auch ich nicht weiß oder gewusst habe.
00:23:35 Also muss ich mich auch zuerst ein bisschen schlau machen, weil ich ja nach wie vor Führungen durchführe.
00:23:41 IV: Jetzt, Sie haben ja schon mal 1900.. äh '95 angesprochen, ich glaube, da war auch das erste Überlebendentreffen.. wieder.
00:23:48 Wo sozusagen ehemalige Häftlinge wieder hierher gekommen sind. Äh wie war das? Also.. und heute..
00:23:55 Ich war ja die letzten zwei Jahre auch hier, bei diesem Überlebendentreffen. Hab' immer gesehen an sich auch dieses herzliche Miteinander mit der Bevölkerung.
00:24:02 Also diese positive Aufnahme, oft auch wie diese ehemaligen Häftlinge hier schon Bekanntschaften geschlossen haben, sich freuen, dankbar sind.
00:24:09 Also wo das so sehr harmonisch, sehr schön wird am Anfang.
00:24:13 Und so, als das das erste Mal bevorstand äh, haben Sie da eine Erinnerung, wie wurde das diskutiert?
00:24:19 Hat man da irgendwie so ein bisschen Unsicherheit gehabt, dass da Leute wiederkommen? Wie war das so?
00:24:23 Wie hat sich das auch entwickelt über diese 10 Jahre.. vielleicht auch zu diesem sehr schönen hin? Vielleicht können Sie da ein bisschen drüber schildern?
00:24:29 JW: Äh nachdem 1991 die Zuständigkeit von der Gedenkstätte aus gewechselt ist vom Finanzministerium, sprich Schlösserverwaltung, zum Kultusministerium,
00:24:43 ist äh ein Ministerialrat vom Kultusministerium beauftragt worden, sich um die Information der Gedenkstätte zu kümmern.
00:24:51 Und äh auf mein Bestreben hin ist dann so ein kleiner Ausschuss gegründet worden, dem der Bürgermeister angehörte,
00:24:57 die zwei Pfarrer, der Lehrer, der Führungen durchführte, um irgendwelche Informationen vorher gemeinsam abzusprechen.
00:25:04 Und als '95 die Zeit heran.. oder '94 die Zeit herankam.. '95 äh.. 50 Jahre Tag der Befreiung, habe ich also angeregt, zu diesem Ministerialrat:
00:25:14 Wir müssen auf jeden Fall etwas tun.
00:25:17 50 Jahre äh Tag der Befreiung muss irgendwie äh ein Gedenktag oder eine, eine Gedenkstunde abgehalten werden.
00:25:24 Äh und es ist dann vorbereitet worden. Und der hat also dann äh irgendjemand gesucht, der dafür verantwortlich zeichnet.
00:25:33 Und es ist also der Bezirk Oberpfalz hier dann aufgetreten, der Bezirkstagspräsident und die Gemeinde Flossenbürg.
00:25:40 Mitbearbeitet worden oder unterstützt von einem Verein, von der Arbeitsgemeinschaft äh äh Konzentrationslager Flossenbürg,
00:25:48 der ja damals sich ins Leben gerufen hat. Der aus zum Großteil Mitarbeiter aus Regensburg stammten.
00:25:54 Und äh im Zuge dieser Vorbereitung habe ich natürlich diesen öffentlichen Druck.. sage ich mal so.. genützt.
00:26:04 Und habe also dann auf die politisch Verantwortlichen eingewirkt. Auch über meine Partei.
00:26:10 Und es war also dann äh.. im April wäre ja dieser Tag gewesen und im März war also der Kult.. der Arbeitskreis äh
00:26:17 oder der kulturpolitische Arbeitskreis der CSU-Landtagsfraktion hier in Flossenbürg. Der damalige Vorsitzende ist der jetzige Kulturstaatssekretär Karl Freller.
00:26:29 Und den haben wir das alles vorgetragen, habe ich dem alleine unter vier Augen, haben wir mit den ... mit dem Ausschuss gesprochen.
00:26:34 Ich wollte niemanden dabei haben, um Fraktura zu sprechen. Und jetzt kann ich ja das sagen. Habe ich gesagt:
00:26:40 Ihr.. der Staat drückt sich um ihre Aufgabe, insbesondere.. sage ich jetzt mal ganz offen.. die CSU vielleicht auch.
00:26:48 Denn man kann das nicht sagen "der Staat", wenn die CSU als staatstragende Partei so lang an der Regierung ist, da kann ich das nicht auf andere schieben.
00:26:55 Ihr müsst etwas tun.
00:26:58 Ich erkläre mich bereit, von Seiten der Gemeinde ein Informationszentrum oder ein Informationsbüro aufzubauen, wenn der Staat die Kosten übernimmt.
00:27:07 Und der hat das aufgenommen, hat einen Antrag gestellt und äh vier oder sechs Wochen später hat der kulturpolitische Ausschuss beschlossen:
00:27:15 Jawohl, das wird so angenommen und im Sommer äh äh '95 hat der Landtag das beschlossen: Eine Halbtagskraft wird eingestellt.
00:27:24 Das muss ich vielleicht noch einflechten: Vorher haben das schon andere Stellen gefordert, insbesondere die evangelische Jugend von Oberfranken.
00:27:31 Aber ich persönlich habe mir immer gedacht: Was soll hier ein Mann ohne eine Behörde? Alleine kann man ja nichts aufbauen.
00:27:38 Und drum ist mir der Gedanken gekommen: Wir von der Gemeinde machen das. Wir haben eine Behörde und dann äh..
00:27:44 Nach einem halben Jahr äh so zugesagt gewesen eine Halbtagskraft.. innerlich haben wir gedacht: Halbtagskraft, da bekommen wir ja niemanden.
00:27:52 Wir können doch nicht einen ABM-Arbeiter nehmen. Es muss ja eine Fachkraft sein.
00:27:56 Dann haben wir gewartet. '96 äh '95 und '96 wieder die Halbtagskraft im Haushalt genehmigt.. ist ja schon eine Ganztagskraft.
00:28:03 Dann haben wir gesagt: Stellen wir jemanden an ab '96. Und das haben wir getan und das ist der jetzige Leiter der Gedenkstätte, Herr Jörg Skriebeleit.
00:28:11 Der dann '96 eingestellt worden ist von der Gemeinde. Und wir haben die Kosten vom bayerischen Staat ersetzt bekommen.
00:28:17 Ich glaube sogar, das Ministerium war froh darüber, dass sie nichts organisatorisch machen mussten. Sondern nur das Geld hinlegen.
00:28:24 Und das war der erste Schritt. Er hatte zwar dann eine, eine Aufgabenteilung.. also Aufgabenaufteilung gehabt, was er tun hätte sollen..
00:28:33 Informationen sammeln, Literatur sammeln, aber das hat.. von dem wär's ja nicht getan.
00:28:38 Dann haben wir die Bürokratie nicht walten lassen oder den Amtsschimmel wiehern lassen, haben wir das auf kürzestem Wege gemacht.
00:28:46 Und haben ihm sogar eine Dienstreise nach Amerika genehmigt. Schon mit Absprache von München. Und da hat er also sehr viel gefunden.
00:28:54 Das war das erste Jahr. Es wäre aber das abgelaufen. Das muss ich noch mit anführen, was.. wie manchmal auch Zufälle spielen.
00:29:01 Das wäre '96 gewesen. '97 wäre es wieder reduziert auf eine Halbtagskraft.
00:29:06 Auf einmal flattert mir ein Brief zu vom Amtsgericht damals Vohenstrauß.. vom Amtsrichter,
00:29:12 dass einer, der gestorben ist, als Erbe 70.000 Mark dem Betreiber oder beziehungsweise dem, der Gedenkstätte Flossenbürg vermacht hat.
00:29:21 Der Richter wusste nicht, wer zuständig ist, hat das mir als Bürgermeister geschickt. Und da habe ich gesagt:
00:29:26 Das kann ich nicht abliefern im bayerischen Staat, denn sonst läuft's mit rein. Nur mit der Zusage, dass das wieder ein Jahr lang diese Person beschäftigt wird.
00:29:36 Und so hat sich das entwickelt und da haben wir so viel gesammelt gehabt, dass es kein Zurück mehr gab.
00:29:42 Und dann ab 1. äh.. ich sage immer dann ab Beginn des neuen Jahrtausends ist dann eine eigene Gedenkstättenverwaltung eingerichtet worden.
00:29:52 Und nun hat sich das so entwickelt. Habe ich später gesagt, kann ich mich beruhigt zurücksetzen. Die Saat, die ich mit gesät habe, ist aufgegangen.
00:30:03 Und dann haben wir noch zum Abschluss, bevor ich dann 2002 als Bürgermeister aufgehört habe, noch einen Förderverein gegründet.
00:30:10 Deren Vorsitzender ich jetzt noch bin, um auch von dritter Seite das zu unterstützen.
00:30:15 Oder auch Finanzen mit zu sammeln für etwaige Buchvorstellungen oder.. und, und in der Richtung halt. Und jetzt läuft das so, wie es also ist.
00:30:25 IV: Das ist ja sicher was, wo man stolz drauf sein kann.. auch ein bisschen.
00:30:28 JW: Ja, ein bisschen äh stolz bin ich schon. Wenn das.. dass das jetzt so gut läuft. Und das noch vielleicht:
00:30:34 Was sich da entwickelt hat.. eben mit ehemaligen Häftlingen. Da vorne sehe ich einen, da sitzt nämlich einer aus Frankreich.
00:30:41 Die habe ich ja vorher schon gekannt. Als 2. Bürgermeister schon in den 70er Jahren. Es ist dann so herzlich geworden.
00:30:48 Die Organisation hat uns eingeladen nach Frankreich. Wir waren drüben in Frankreich.
00:30:53 Äh die Italiener äh haben mich zum Beispiel.. das kann man sich vor.. überhaupt nicht vorstellen.
00:31:01 Eine Stadt, Lodi, mit unge.. etwa 30, 35.000 Einwohner. Das ist äh äh s.., süd.. äh oder östlich von Mailand, hat mich zum Ehrenbürger ernannt.
00:31:12 Äh eine, einen Bürgermeister einer Gemeinde, wo äh Bürger dort waren, dort Bürger umgekommen sind.
00:31:18 Sogar ein Bürgermeister der Stadt Lodi.. damals ist hier in Flossenbürg ums Leben gekommen. Solche äh äh Verbindungen hat man geschaffen.
00:31:27 Und sie werden ja sehen, wenn ich also.. äh oder der Präsident der, der französischen Organisation, den ich eben begrüßt habe..
00:31:35 Man umarmt sich, man hat Freundschaften geschlossen. Und das ist, wo wir vielleicht anderen Gedenkstätten ein bisschen voraus sind.
00:31:44 Weil wir die menschliche Phase hier mit einspielen haben lassen.
00:31:48 Denn äh nicht nur über den Tod reden, nicht nur über das, was geschehen ist, sondern.. und natürlich selbstverständlich auch über die äh..
00:31:59 Über die, das Gedenken der Opfer, über die Mahnung, über das Lernen, sondern auch die Menschlichkeit wieder mit in den Mittelpunkt stellen.
00:32:06 Und das glaube ich, haben wir geschafft, und deshalb muss ich nochmal das Wort sagen, sind wir schon ein bisschen drauf stolz.
00:32:13 IV: Und das interessiert mich. Und sozusagen dieses Schaffen dieser menschlichen Ebene wieder.. diese Wiederbegegnung, auch das Verständnis..
00:32:19 Das lief immer reibungslos? Auch ohne Vorbehalte, ohne Ängste? So am Rande?
00:32:25 JW: In den ersten Jahren, als ich äh '78 offiziell dann äh einmal eine ja.. kann man ruhig sagen, die französische Delegation empfangen habe.
00:32:35 Da ging das also nur mit einem Händedruck. Die Begrüßung.
00:32:40 Erst am Abend, als wir zusammensaßen, ist also dann die Verabschiedung mit sich gegenseitig Um.. Umarmen.
00:32:47 Beim nächsten Jahr war das wieder früh nur.. sage ich jetzt einmal unter Anführungszeichen.. ein Händedruck. Bis sich das abgebaut hat.
00:32:55 Und jetzt ist das ein herzliches Umarmen, mit den ganzen Teilnehmern des Busses, von denen ich also bereits schon fast 30 Jahre die kenne.
00:33:03 Äh in dieser Art ist das geworden. Anfangs, wie gesagt, ein bisschen Zurückhaltung.
00:33:08 Kann vielleicht auch sein, weil ich zwar äh äh ein, ein Jahrgang '39 bin, nicht im Krieg war beziehungsw.. vom Alter her sowieso nicht.
00:33:16 Und vielleicht auch nicht mit dieser unrühmlichen Vergangenheit behaftet war.
00:33:22 Vielleicht hat das von den Ausländern her und von den Ehemaligen den Punkt ausgemacht. Ich weiß es nicht.
00:33:28 IV: Vielleicht noch eine letzte Frage jetzt so:
00:33:31 Übermorgen wird halt die, sozusagen diese generalüberholte Gedenkstätte gerade, das Museum und die Ausstellung eröffnet.
00:33:39 So.. was für eine Perspektive, denken Sie.. ja, als.. kann ich ja immer noch sagen.. als politisch denkender Mensch, auch wenn Sie nicht mehr im Amt sind.
00:33:46 Was für eine Perspektive.. da ist ja viel erreicht worden, ist ja lange drauf hingearbeitet worden.
00:33:50 Was für eine Perspektive eröffnet das Ihrer Meinung nach für Flossenbürg, auch für die Gemeinde? Für diesen Ort?
00:33:58 JW: Ja, diese Frage, das ist eigentlich schwer zu beantworten.
00:34:02 Wenn man also den ganzen Umbruch sieht, insbesondere auch von der wirtschaftlichen Seite her: Von der Arbeitsplatzsituation her.
00:34:09 Auf dem Gelände, wo jetzt dieses Museum entstanden ist äh oder entsteht, besser gesagt, waren ja Gebäude des ehemaligen Lagers..
00:34:17 Sind verkauft worden und auf diesem Gelände mit zusätzlichen Hallen, die nach dem Krieg gebaut worden sind, sind einmal 30.. 300 Leute beschäftigt gewesen.
00:34:26 Die nach der Grenzöffnung dann abgezogen sind. Verlust von 300 Arbeitsplätzen.
00:34:33 Und äh sie wurden dann wieder zum Großteil aufgefangen von einem anderen örtlichen Betrieb.
00:34:38 Und jetzt entwickelt sich das mehr auf diese Art, ja, Museum, Vergangenheitsbewältigung, äh in diese Richtung.
00:34:49 Sie haben es schon angesprochen äh: Gedenkstättentourismus und so weiter hin. Das ist natürlich schon schwer, manchmal den Menschen das zu vermitteln.
00:34:59 Der Tourismus hat ja auch ein bisschen nachgelassen in unserer Gegend. Nicht nur, nur bei uns, sondern in anderen Bereichen, seit die Grenzöffnung war.
00:35:09 Früher sind die Berliner gekommen und na.. über die Grenze rüber und sind da geblieben. Jetzt fahren sie durch.
00:35:14 Äh ich habe also letzte.. nur als Beispiel.. letzte Woche mit einem aus den damaligen Fremdenverkehrszentren äh
00:35:21 Pleystein/Vohenstrauß, die damals schon 100.000 Übernachtungen hatten, dass es auch auf 50 Prozent rückgegangen ist.
00:35:27 Also auch bei uns so. Und Tourismus hängt ja auch mit der Gastronomie zusammen. Da sind wir zur Zeit ein bisschen schlecht bestellt.. einerseits.
00:35:37 Andererseits aber auch: Wir hatten trotzdem immer viele Arbeitsplätze vor Ort.
00:35:42 So dass die Leute nicht unbedingt.. die Bewohner nicht unbedingt auf den Tourismus angewiesen waren.
00:35:49 Und äh jetzt stellt sich das wieder ein bisschen um. Auf den.. ja nah.. äh also auf den Ta.., Tagestourismus.
00:36:00 Viele, die also hier kommen, schauen sich die Gedenkstätte an, bleiben kurz da und..
00:36:06 Ich muss jetzt winken, weil mir ein ehemaliger Häftling zuwinkt. {hebt die Hand und winkt}
00:36:10 Äh äh und zwar die äh wieder wegfahren. Es bleiben auch einige da, die also.. vielleicht Angehörige manchmal, die kurzzeitig dableiben.
00:36:22 Aber wir müssen sich auf den Tagestourismus.. muss sich umgestellt werden.
00:36:25 Und das ist manchmal schon ein Problem, weil eben bei uns.. das muss ich ganz offen sagen.. die Gastronomien nicht mehr so funktionieren.
00:36:32 Teilweise familiär bedingt, was die Gemeinde nicht beeinflussen konnte.
00:36:37 Aber ich habe gehört über den Bürgermeister, über den Landrat, der Regierungspräsident schaltet sich sehr stark mit ein,
00:36:45 dass hier ihm Rahmen der Städtebauförderung in dieser Richtung etwas getan werden wird.
00:36:50 Und dann erhoffen wir uns, dass da ein bisschen etwas.. ja, das besser organisiert wird.
00:36:56 IV: Okay. Gut.