Datei "AGFl_AV.22.0645.mp4"

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Quellenangaben KZ-Gedenkstätte Flossenbürg
Signatur: AGFl AV.22.0645
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00:00:00 AB: ..schon immer mit großen Bussen.
00:00:01 Und deshalb sind so und so viel Flossenbürger weggewandert und es gäbe dort Wohnungen usw.
00:00:07 Das war nicht mehr auszuhalten.
00:00:08 Und sie wohnte ja direkt an der Hohenstaufenstraße vornedran, nicht.
00:00:12 Muss also ganz fürchterlich gewesen sein.
00:00:14 Aber ich will mal sagen:
00:00:18 Wo ich dann wegging, also das kommt ja jetzt noch extra, meine Flucht.
00:00:23 IV: Die kommt dann, denk' ich, am Schluss.
00:00:25 AB: Ja. Beziehungsweise von der Zeit an war für mich Flossenbürg, also wollen wir mal sagen, Kriegsende, zunächst kein Ort mehr.
00:00:34 Denn ich bin ja aus Österreich zurückgekommen nach Erlangen, weil wir meine Mutter zunächst nicht treffen konnten.
00:00:40 Da war, immer waren die Alliierten dazwischen.
00:00:42 Und äh dann landete ich zu guter Letzt, die haben mir.. Es kam das Gerücht auf, ich hätte mich mit Oskar Funke erschossen, ist Quatsch gewesen.
00:00:50 Äh und äh unsere Nürnberger Freunde, die haben mich ganz zum Schluss getroffen, haben gesagt:
00:00:55 "Ja, deine Mutter ist in Buckenhof bei Erlangen."
00:00:57 Von da an fing für mich ein neues Leben an, und Flossenbürg war erledigt, mehr oder weniger.
00:01:02 Vergessen, wissen Sie?
00:01:04 Weil ich mit dem neuen Leben sehr viel mehr anfangen musste, um mich selber durchzubringen.
00:01:09 Das war die Sache.
00:01:10 Und da ich künstlerisch hoch veranlagt bin und war und immer noch, aber auf der anderen Seite, äh, Geld fern wie noch einmal was, also das Geld hat vor mir die Flucht ergriffen, wo immer nur möglich, nicht.
00:01:22 Hab' ich also nur von meiner Kunst gelebt.
00:01:24 Aber von dem großen Ruhm und den Möglichkeiten, ja, wo ich zulange, da bin ich wer, da bin ich was.
00:01:31 Und das war mir für mich halt auch was ganz einfach, immer zu gelten, nicht.
00:01:35 Und immer war ich unentbehrlich, und solange unentbehrlich, bis ich gesagt habe:
00:01:39 "Also jetzt kann ich das nicht mehr hören.
00:01:40 Jetzt will ich dahin, wo andere Urlaub machen."
00:01:43 Und bin auf diese Weise dann äh nach Garmisch gekommen.
00:01:46 Hab' inseriert, hab' zwei Angebote gekriegt.
00:01:49 Das eine habe ich gleich genommen, das andere in München, wollte ich nicht.
00:01:52 Und so habe ich mit Mutter dann eine ganze Weile in Garmisch gelebt.
00:01:55 Das ist 'ne ganze Geschichte für sich.
00:01:57 IV: Ja, aber da war sozusagen Flossenbürg für Sie verändert äh beendet. Verstehe ich auch.
00:02:01 AB: Ja.
00:02:01 IV: Jetzt begeben wir uns mal wieder ins Jahr 1943.
00:02:05 AB: Ja.
00:02:05 IV: Sie haben begonnen, um einer..
00:02:09 AB: Ja.
00:02:09 IV: ...Einberufung äh zur Rüstungsindustrie zu einer..
00:02:13 AB: Genau.
00:02:13 IV: ..Fabrikarbeit zu entgehen..
00:02:15 AB: Genau.
00:02:15 IV: ...haben Sie begonnen im Büro..
00:02:17 AB: Ja.
00:02:18 IV: ...der DESt, der Deutschen Erd- und Stein GmbH..
00:02:20 AB: Ja.
00:02:21 IV: ...in Flossenbürg zu arbeiten.
00:02:22 AB: Durch einen Zufall, wissen Sie.
00:02:25 Äh die haben mich ja eingezogen, oder wollten mich einziehen.
00:02:28 Und wir haben uns ja ein bisschen untereinander unterhalten beim Förster und so.
00:02:32 Und die wollten mich beinahe oder hätten mich sicher nach Regensburg geschickt.
00:02:36 Denn in Regensburg wurden ja durch Flossenbürger Häftlinge Me-Teile, die Me 109 wurde da teilweise gebaut.
00:02:44 Wussten wir damals, nicht.
00:02:46 Und da hab' ich gesagt:
00:02:47 "Um Himmels willen. Jetzt bin ich hier zugezogen und dann soll ich nach Regensburg. Was soll das?"
00:02:51 Und da hat diese Sekretärin zu mir gesagt:
00:02:54 "Kommen Sie doch zu uns ins Verwaltungsgebäude.
00:02:56 Da ist eine Buchhalterstelle frei."
00:02:59 Das ist der Ursprung meiner dortigen Anstellung.
00:03:02 IV: Sie haben dann im März 1943 diese Anstellung begonnen.
00:03:06 AB: Ja.
00:03:07 IV: Was war denn sozusagen das Erste, was Sie gemacht haben?
00:03:10 AB: Einmal, zuerst die Anstellung überhaupt, die kam von Berlin.
00:03:14 Das ist etwas, was mir völlig fremd war.
00:03:17 Denn ich weiß nicht, inwieweit Sie da eingeweiht sind in diese ganze Geschichte SS - WVH unter der Leitung von Obergruppenführer Pohl.
00:03:25 Ist Ihnen das bekannt?
00:03:26 IV: Mmh. Aber erzählen Sie es ruhig.
00:03:28 AB: Ja. Das ist die große äh Verwaltung, Verwaltungsstelle gewesen, von wo aus die SS überall solche Nebengeschichten wie unser Verwaltungsgebäude errichtet hat.
00:03:39 Ich weiß von Mauthausen.
00:03:41 Äh da war die Stelle in Sankt Georgen an der Gusen.
00:03:45 Da wurde ich ja auch mal mit runter geschickt, um überhaupt eingearbeitet zu werden in die Buchhaltung.
00:03:49 Habe ich ja eine ganz andere Geschichte erzählt, war sehr lustig dort.
00:03:52 Und dann weiß ich Groß-Rosen, da muss auch eine gewesen sein.
00:03:56 Aber ich weiß nichts von den übrigen Werken.
00:03:58 Da muss ich Sie fragen:
00:04:00 In den äh in der Trilogie, da ist doch ein Plan drinnen, wenn Sie sich erinnern..
00:04:06 IV: Ja.
00:04:06 AB: Wo so und so viele KZ's gewesen sind.
00:04:09 Und in dickeren oder dünneren ähm, was waren denn das für Zeichen?
00:04:15 Halt eingezeichnet, wieviele Häftlinge da gewesen waren und äh man kann auch sagen, umgebracht worden sind.
00:04:22 Und da hieß es bei Flossenbürg 30.000.
00:04:25 Während irgendwo ganz dicke Balken waren, das mag vielleicht Ravensbrück oder noch das Buchenwald gewesen sein.
00:04:31 Äh da waren es ja Hundertausende, nicht, und so weiter.
00:04:34 Dafür war dieser Plan eigentlich ganz gut und wichtig und man kannte sich dann ein bisschen besser aus.
00:04:39 Und lernte die Namen kennen:
00:04:41 Neuengamme, Stutthof und, und und.
00:04:43 Wo es halt überall was gegeben hat.
00:04:45 Und die hat meines Erachtens eigentlich, haben die Franzosen haben den Plan erstellt.
00:04:50 Jedenfalls mit den Alliierten zusammen, nicht.
00:04:54 Naja, kurz und gut, und da wusste ich auf einmal, woher meine Anstellung kam und bin zuerst furchtbar erschrocken.
00:05:01 Ich hab' das geschrieben irgendwie, dass ich Gewissensbisse bekam auf einmal der SS zuzugehören, von der ich nie was hören wollte, nicht.
00:05:10 Und es war also auch schon unterschrieben und nichts mehr zu machen.
00:05:14 Umgekehrt, also will ich mal sagen, versorgungsmäßig war ich natürlich untergebracht.
00:05:21 Ich habe aber bis zur Stunde keine Ahnung, wie hoch mein Gehalt war und was ich verdient habe da.
00:05:26 Nicht die geringste Ahnung.
00:05:28 IV: Was war denn Ihre Tätigkeit?
00:05:30 Was haben Sie..
00:05:31 AB: Ja eigentlich..
00:05:31 IV: Beschreiben Sie mal einen einfachen Arbeitstag.
00:05:34 Wann haben Sie begonnen morgens und was haben Sie dann getan?
00:05:37 AB: Ja begonnen normal wie jeder Bürodienst, also da raufgewandert bzw. war ich zur Stelle wenn ich droben schon geschlafen habe.
00:05:44 Und äh dann lag vor mir die Buchhaltung.
00:05:47 Ich glaube auch, es war die, die Durchschreibebuchführung.
00:05:51 Ich kannte mehrere Arten von Buchhaltung.
00:05:53 Aber was die gewollt haben, und wie wir von da äh mit dem Lager nun, das war die neue Geschichte, zusammen arbeiten mussten, das war für mich etwas Neues.
00:06:03 Und da hat mich sehr wenig betroffen davon.
00:06:06 Denn es kamen, Sie müssen sich vorstellen, unser Büro, das war wie ein Sparkassenbüro.
00:06:13 Nämlich mit so einer Theke und Glasscheiben und so Durchreiche.
00:06:17 Und da kam immer von draußen, einmal würde ich mal sagen, vom Gärtner, der Gärtner war ein kommunistischer Häftling, der übrigens ausgeschaut hat wie Hans Albers.
00:06:26 Die Kommunisten waren immer sehr wortkarg, muss ich gestehen, mit denen konnte man nicht so furchtbar viel plaudern.
00:06:32 Und der brachte irgendwelche Listen rein von der Gärtnerei zum Beispiel.
00:06:36 Und die sind über das Sekretariat hinübergewandert ähm ins Lager und wurden dort also irgendwie verarbeitet oder was weiß ich was.
00:06:44 Das hat mich nicht bekümmert.
00:06:45 Ich sollte die Zivilisten, die da im ganzen Komplex mit tätig waren, irgendwie halt über die Buchhaltung wandern lassen.
00:06:55 Über zu kurz oder lang hab' ich gesagt:
00:06:57 "Tut mir leid, ich kann das nicht.
00:06:59 Ich verstehe das nicht.
00:07:00 Das ist eine andere Buchhaltung als die, die ich kennengelernt hab'.
00:07:03 Bitte schickt mir Hilfe."
00:07:05 Und dann hab' ich als Hilfe über kurz oder lang den Oberscharführer Oskar Funke bekommen.
00:07:10 Und zwar kam der aus der Division "Das Reich".
00:07:13 Warum sie den freigestellt haben, weiß ich nicht.
00:07:15 Er hatte eine todkranke Frau in Bad Orb.
00:07:18 Kam von dort her überhaupt, Hanau - Bad Orb.
00:07:21 Und deswegen ist er vielleicht freigekommen.
00:07:24 War aber typischer SS-Mann.
00:07:25 Mit der Rune in der Achsel.
00:07:28 Und ähm also auch noch auf Waffen-SS ausgerichtet.
00:07:32 Aber war als Mensch so beliebt, so heiter und was weiß ich sonst was.
00:07:37 Sie mochten ihn alle sehr. Ob Häftlinge oder Zivilisten.
00:07:40 Das war also dann sozusagen mein Büro.
00:07:43 Es saß mir gegenüber noch ein, ein alter Buchhalter, der Herr Weigert hat der geheißen.
00:07:49 Der dann später leider Gottes schwer verunglückt ist mit unserem Lastwagen und dem Lastfahrer dazu.
00:07:55 Die sollten nämlich nach Floß fahren und sind in einer Kurve, wo es sehr neblig war, äh glatt in den Weiher hineingefahren mit dem Lastwagen und drin stecken geblieben.
00:08:04 Waren alle beide tot dann.
00:08:05 Ja das war für uns ganz schrecklich.
00:08:07 Und dann kann ich aber berichten über das Zeichenbüro das sogenannte.
00:08:11 Da, ein, ein langes Ding mehr oder weniger.
00:08:14 Da war der Zivilist Schmidt hieß der auch, aber mit "dt".
00:08:18 Ein Flossenbürger oder zumindest war er in Flossenbürg gewesen und hat da gewohnt.
00:08:22 Zusammen mit dem Häftling Girnus.
00:08:26 Der Name ist weltbekannt geworden.
00:08:29 Nämlich also Kommunist auch, sehr wortkarg aber man..
00:08:33 Meine Kollegin konnte mehr mit ihm reden, ich gar nicht.
00:08:37 Äh der Girnus wurde, als das Lager aufgelöst wurde, furchtbar schnell von äh den Russen nach dem Osten mitgenommen.
00:08:44 Und wurde in der DDR Staatsrat für das Kulturwesen.
00:08:49 Hat also einen ganz hohen Posten bekommen da.
00:08:51 Na kurz und gut, den habe ich kennengelernt.
00:08:53 Und den Herrn Schmidt dann auch, das war das eine Büro.
00:08:56 Daneben war das Büro von Schubert, also dem Werksleiter von dem Ganzen, der dann auch in Uniform gesteckt wurde, damit er etwas mehr Respekt genießen konnte.
00:09:06 Und die Tür war aber offen zum Sekretariat, wo Frau damals Fräulein Rückewoldt das Zepter geschwungen hat.
00:09:15 Eine sehr verschlossene, sehr verschlossene ruhige Dame, die war offenbar für den Posten sehr geeignet, also keine Plapperin.
00:09:23 Und die hat also die ganzen schriftlichen Sachen erledigt und und und.
00:09:27 Und zum Schluss hatte sie, was eigentlich gar nicht gehörte, aber ich weiß nicht, wie sie dazu gekommen ist, hat sie die ganzen ähm Unterlagen da, die, die Karten, die Versicherungskarten mitgenommen gehabt.
00:09:40 War nach Regensburg, ist aber wieder zurückgekommen nach unserer Zeit.
00:09:44 In der Zwischenzeit war ich äh mit Herrn Funke schon auf Tour.
00:09:49 Von da ab wollen Sie weiter hören?
00:09:51 IV: Ich würde gerne, gerne noch hören, also wenn Sie jetzt an die Buchhaltung denken:
00:09:56 Ging es um Granit, ging es um Flugzeugteile, oder ging es um Löhne, oder um was, was haben Sie für Listen bearbeitet oder gesehen?
00:10:06 AB: Also am ehesten ging es um Menschen, nicht.
00:10:09 Menschen, die als Häftlinge, aber zivil mehr oder weniger bei uns in der Umgebung besch..
00:10:14 Da war der Kalfaktor auch da zum Beispiel und noch was.
00:10:17 Die halt, wir verstanden uns ganz gut untereinander aber wie haben bei der Sache wenig zu tun gehabt und wenig mitgemacht.
00:10:25 Es sind halt Listen reingebracht worden und die sind da rübergewandert.
00:10:28 Was weiß ich ins Kommandanturhaus oder wo, und wurden da irgendwie mit verrechnet noch mit dem, was die selber an Häftlingen weggeschickt haben oder wegschicken mussten nach Regensburg.
00:10:39 IV: War das dann sozusagen zu anderen Außenkommandos?
00:10:43 AB: Ja.
00:10:44 IV: Wie viele Menschen da jeweils waren, das haben Sie zusammengestellt und dann der Kommandantur des Lagers geliefert.
00:10:52 AB: Ja, ja.
00:10:52 IV: So in etwa.
00:10:53 AB: Ja, so etwa kann man sagen.
00:10:55 Und im Haus selber muss ich noch ergänzen war oben die Familie Andörfer, die waren sowas wie Hausmeister.
00:11:01 Also sie und er auf jeden Fall.
00:11:03 Ob Kinder da waren, weiß ich gar nicht mehr.
00:11:06 Und ja Frau Rückewoldt hat da gewohnt und dann ich ein bisschen.
00:11:11 Aber sonst war niemand direkt drin.
00:11:13 Aber das Gebäude als solches war eben so wunderbar, dass die ganze Abteilung, die schriftlich arbeiten musste, und was sich bei uns ereignet hat, die war abgetrennt von einer riesigen Werksküche.
00:11:27 Da ging man von uns drei Stufen runter und auf der gegenüberliegenden Seite.. wurde also außer von uns von niemandem benützt.
00:11:33 Auf der gegenüberliegenden Seite ging man drei Stufen hoch und dann war man in dem sogenannten Lesezimmer.
00:11:38 Und das war ein wunderschöner Aufenthaltsraum ganz in Holz.
00:11:43 Und wenn da Besuch gekommen ist, wie ein oder zweimal im Jahr, stand da ein Führer, äh ja stand da ein Führer war er.
00:11:49 Mummenthey, der hat sich nur von Zeit zu Zeit in all diesen äh Verwaltungen sehen lassen müssen, um nach dem Rechten zu sehen, wie das da läuft.
00:11:58 Und dann hat er meistens äh bei uns wenigstens, wenn es auf Weihnachten zuging, irgendwelche Gänse und Geschichten mit nach Berlin genommen.
00:12:06 Das war sein zweites Amt, dass er für die Berliner sorgen musste, nicht.
00:12:09 Also Mummenthey, mit dem konnte man gut im Gespräch sein, kann ich mal sagen.
00:12:14 Das war ein milder SS-Mann mehr oder weniger.
00:12:17 Aber er war schon genau.
00:12:19 Und ich seh' mich noch mit dem, ich hab' das geschrieben.
00:12:22 Ich seh' mich noch mit ihm am Tisch sitzen.
00:12:23 Das war ein bisschen länger gestreckter, die Rückewoldt neben mir, am anderen Kopfende jemand anders, haben uns unterhalten.
00:12:29 Und dann hat der Mummenthey gesagt:
00:12:31 "Also wenn wir.."
00:12:32 Das war ja schon '44.
00:12:33 "Wenn wir nun den Krieg gewonnen haben, dann werden wir ja unsere Damen ja auch noch in SS-Uniform stecken."
00:12:40 Und dann habe ich ihm gegenüber gesessen, habe ich gesagt:
00:12:42 "Ja müssen wir uns da die Gesichter auch noch braun anschmieren?"
00:12:45 Und dann hat er mich langsam und sehr ernst angeschaut und hat er gesagt:
00:12:48 "Sie führen aber eine merkwürdig direkte Sprache über diese Dinge."
00:12:52 Da hab' ich so für mich gedacht:
00:12:54 "Na also Biedermann, sei jetzt ruhig in Zukunft, nicht."
00:12:56 Das war ein bisschen bedrohlich.
00:12:58 Aber der Mummi war eben nicht so, also der hat das schon verdaut dann, nicht.
00:13:02 Jedenfalls hat man mal wieder gemerkt, dass ich gegen die Sache bin.
00:13:05 Das habe ich mir oft genug anmerken lassen.
00:13:07 Bin auch nie mit.. Ich hab überhaupt nicht gewusst, was "Heil Hitler" heißt.
00:13:10 Ich bin immer mit "Morning" und "Servus" und "Gut Nacht" fort und so weiter.
00:13:14 Und für mich gab's kein "Heil Hitler" und überhaupt nicht.
00:13:17 Das einzige, was ich jetzt erzählen kann, das fällt mir gerade ein:
00:13:21 Es war drüben im Lager ein Kino irgendwo, in irgendeinem Gebäude, für das Volk, für die ganze Bevölkerung.
00:13:30 Hat mich im Grunde genommen nicht interessiert.
00:13:34 Aber da war Funke schon bei uns auch da.
00:13:37 Und da kam eines Tages die Mitteilung: Maria Paudler, das war eine sehr bekannte, sehr, sehr gute, schöne liebevolle Sängerin, die hat ganz wunderbar gesungen.
00:13:49 Und die sollte kommen und für die Soldaten singen, für die SS vor allen Dingen.
00:13:52 Und da hab' ich zu ihm gesagt:
00:13:54 "Ach du, Oskar, gehen wir da doch rüber.
00:13:55 Die Paudler interessiert mich wahnsinnig."
00:13:58 Ich war ja immer für Sängerinnen und Sänger äh sehr interessiert.
00:14:01 Ja, und das haben wir gemacht.
00:14:03 Und so typisch: Wir haben also ziemlich oben äh in der, sagen wir mal, viertletzten Reihe Platz genommen.
00:14:09 Und hinter uns standen schon äh im Reingehen in die nächste Reihe zwei Offiziere und noch was.
00:14:16 Und da sagte einer zum andern so mit Deutung auf mich ungefähr, zu dem andern gesagt:
00:14:22 "Lässt du dir das gefallen?"
00:14:23 Das war der Hinweis darauf, dass ich nur mit einem Oberscharführer da gesessen bin.
00:14:27 So war also auch die Stimmung untereinander, nicht.
00:14:30 Die einzelnen ähm Chargen haben sich da schon irgendwie unterschieden, nicht.
00:14:36 Und dann noch Folgendes:
00:14:37 Waren wir einmal, also Hertha und ich, eingeladen äh vom Kommandanten, von Koegel schon äh, mit an die Mittagstafel zu kommen.
00:14:46 Wir haben es mindestens vier Mal vorbeigehen lassen.
00:14:49 Wir wollten nicht.
00:14:50 Bis ich dann gesagt hab', also ich weiß nicht, waren wir schon per du oder was:
00:14:54 "Gehen wir doch rüber. Wir werden sonst verdächtig, nicht."
00:14:56 Und dann haben wir uns also zu dem Mittagstisch da hinüber begeben.
00:15:00 Er saß am Kopf der Tafel.
00:15:02 Ich an, am anderen Ende, Zufall.
00:15:05 Rechts ein paar Offiziere, links ein paar Offiziere.
00:15:07 Dann kam der Bediener mit dem Teller rein, mit der Suppe oder was.
00:15:11 Das erste: "Nehmen Sie den Daumen aus der Suppe!"
00:15:14 Das war schon mal für uns genug, dass wir mal gesehen haben, was für ein Ton da herrschte.
00:15:17 Da kam noch mehr dann dazu.
00:15:19 Und die ganzen Offiziere mucksmäuschenstill.
00:15:22 Es was eigentlich.. es war grausam.
00:15:24 Und wir beide dann raus.
00:15:26 Wir sind also verabschiedet worden: "Und kommen Sie doch mal wieder."
00:15:29 Und wir draußen und, und Hertha sagt:
00:15:31 "Einmal und nicht wieder! Das war ja fürchterlich, nicht."
00:15:35 Also so war die Stimmung da drüben.
00:15:36 IV: Wer war denn die Bedienung?
00:15:37 AB: Bitte?
00:15:38 IV: Was waren das für Leute, die Bedienung?
00:15:39 AB: Die Bedienung war ein Häftling.
00:15:42 IV: Also der Herr Koegel hatte selber im eigenen Haus..
00:15:45 AB: Ja.
00:15:45 IV: ...Häftlinge als Bedienungen
00:15:46 AB: Ja, ja.
00:15:47 IV: ...beim Essen.
00:15:48 AB: Ja, ja. Das kann man sagen.
00:15:49 IV: Und äh der Herr Koegel, wo hat der in Flossenbürg gewohnt? Wissen Sie das noch?
00:15:53 AB: Der hat sicher äh nicht.. also wo er direkt gewohnt hat, weiß ich nicht.
00:15:57 Aber der ist vom Lager nicht weggekommen.
00:15:59 Der hat da sich irgendwie im Kommandanturgebäude..
00:16:02 IV: Äh weil der.. Also ich hab' gehört, äh, dass es ein sogenanntes Koegel-Haus mitten im Ort, das der als einer der wenigen im Ort gewohnt hat.
00:16:10 In einem ziemlich großen Steingebäude.
00:16:13 AB: Das kannte ich nicht.
00:16:14 IV: Mmh.
00:16:15 AB: Das müsste ich.. hätte man mir sagen müssen, aber ich hab' mich ja da um diese Herrschaften so wenig wie möglich gekümmert.
00:16:21 IV: Wenn Sie sich an das Konzert mit Maria Paudler..
00:16:23 AB: Ja, das war natürlich..
00:16:24 IV: ...äh erinnern.
00:16:24 AB: Ja.
00:16:25 IV: Wie kann man sich den Saal vorstellen? War das so 'ne Baracke, dieses Kino, oder, oder wie sah das aus?
00:16:30 AB: Ja, ja, ja. Es könnte schon eine Baracke gewesen sein.
00:16:34 War aber richtig kinomäßig ausgebaut mit den Stufen nach oben, nicht, wie sich das gehört.
00:16:38 Und eine Bühne ein bisschen.
00:16:41 Kino ist da für mich jedenfalls keins gelaufen.
00:16:44 Mich interessierte nur die Sängerin.
00:16:46 Und die ist also sehr, sehr gut angekommen nicht.
00:16:49 Man hat leider später von ihr nichts mehr gehört.
00:16:51 Ich weiß nicht, ist sie gestorben oder was.
00:16:54 Das war eine der Besten.
00:16:55 Und die sollte für die Soldaten da, für die SS-Soldaten, damit die auch einmal was Besseres zu hören bekamen, sollte sie da singen.
00:17:02 Na kurz und gut. Ja..
00:17:04 IV: Erinnern Sie sich, im DESt-Gebäude, haben Sie jetzt mehrere Räume beschrieben..
00:17:07 AB: Im bitte, im was?
00:17:07 IV: Im DESt-Gebäude, in dem, wo Sie gearbeitet haben..
00:17:10 AB: Ja.
00:17:11 IV: ...haben Sie das Lesezimmer beschrieben und nebenan liegt heute, damals sicher auch, ein sehr großer Saal.
00:17:19 Erinnern Sie sich noch an diesen Saal?
00:17:20 Mit einem großen Fenster zur Burg hin.
00:17:23 AB: Das war unser Büro.
00:17:26 Das war unser Büro.
00:17:27 Denn was mich so begeistert hat, war ja sofort, wenn man reinging, der Blick auf die Burg.
00:17:32 Man hat den Weg ein Stückchen gesehen und dann die Burg da oben.
00:17:35 Also das war nur die Buchhaltung.
00:17:38 Und wie gesagt also, den Dritten könnte ich nicht sagen, ich weiß nicht, wer da noch war.
00:17:42 Aber mir gegenüber der Weigert, der dann ja so unglücklich zu Tode kam.
00:17:47 Und äh mit mir zusammen dann der Oskar Funke.
00:17:50 Also wir zu zweit in der Buchhaltung.
00:17:53 Aber wer der Dritte war, das weiß ich bei Gott nicht.
00:17:55 Denn es ging ja meistens die Türe offen rüber ins Sekretariat zur, zur Rückewoldt, nicht.
00:18:02 Hertha Rückewoldt hieß sie damals noch.
00:18:04 Und ähm mehr war eigentlich nicht los.
00:18:07 Es wurde dann wohl etwas lebendiger, als der eine oder andere Häftling dazukam, der sich immer bei uns da an der Theke melden musste oder was gebracht hat.
00:18:16 Und dann kam ja diese verrückte Geschichte mit dem äh mit dem Berliner Eintänzer oder was, der für mich zu einer persönlichen Geschichte werden sollte, aber Gott sei Dank nicht geworden ist.
00:18:26 Aber sehr belästigend war auf die Dauer.
00:18:29 Ich mein', ich, ich hab' drüber geschrieben, es ist sogar sein quasi Liebesbrief da enthalten, wo er mir ja geschrieben hat, ich sei die große Liebe seines Lebens gewesen und, und, und.
00:18:39 Und das ging ganz komisch hinaus.
00:18:41 Irgendjemand, der hat sich ja so hereingedrängt, wissen Sie, und hat getüncht in dem Vorraum und, und, dass er halt immer gegenwärtig da war.
00:18:49 Und das hat jemanden geniert oder ist jemandem auf die Nerven gegangen.
00:18:52 Er hat ja auch mal ab und zu mit mir reden wollen und, und geflüstert, irgendwas gesagt oder was.
00:18:58 Und das hat jemand angezeigt.
00:18:59 Ich weiß aber bis heute nicht, wer und wir wollten es auch gar nicht wissen.
00:19:03 Und dann ist er rausgenommen worden und hat die übliche Strafe bekommen.
00:19:08 Wer sich mit Zivilisten beschäftigt, der bekam im Hof 25 auf den verlängerten Rücken.
00:19:14 Und ist strafversetzt, wenn man das so nennen kann, nach Asch gebracht worden.
00:19:21 Ich wusste aber von damals, von dem Namen Asch überhaupt nichts.
00:19:24 Ich wusste nur, dass er fortgekommen ist.
00:19:26 Und dann kam ein SS-Mann zu mir der einfacheren Art und hat mir berichtet, wo er hingebracht wurde.
00:19:35 Und er sollte mir ausrichten, dass bei der Prügelei da, die 25, jeder Schlag auf seinen äh Rücken da ihn an mich erinnert hat und ihm auch wohlgetan hätte.
00:19:47 Also ganz absurd, nicht.
00:19:48 Er war Eintänzer in Berlin gewesen und wollte einfach sich nicht einziehen lassen.
00:19:53 Und man hat in deshalb einfach weggeholt und deshalb hat er den schwarzen Winkel bekommen.
00:19:57 Die, die Unwilligen sozusagen, nicht, die Berufsunwilligen.
00:20:01 Na kurz und gut, das war diese Geschichte, eher amüsant als sonst was.
00:20:06 IV: Wenn Sie jetzt an die Häftlinge denken, wie sind Ihnen die jetzt außer jetzt im DESt-Gebäude, die Hilfen, so begegnet? Sie haben ja gesagt..
00:20:14 AB: Unterwürfig.
00:20:15 IV: ...Sie haben sie manchmal gesehen.
00:20:16 AB: Ja. Aber doch etwas unterwürfig, muss ich schon sagen.
00:20:20 Ich mein', ich sagte Ihnen ja, der, der Kommunist beim Schmidt, beim Zeichner, der war sehr ruhig.
00:20:25 Man konnte ihn ja als Häftling ausmachen, weil er die Streifenhose anhatte, oben hatte er ein helles Hemd.
00:20:30 Und äh der war seiner Arbeit, also ähm nicht nur gewidmet, sondern ganz versessen drauf.
00:20:37 Und hat wahrscheinlich schon wie ich annehme, mit den Russen korrespondiert.
00:20:41 Wissen Sie, man konnte ja manches über Häftlinge erfahren, wenn man wollte, dass die in England und Russland und sonst wo viel mehr wussten, also uns jemand, jemand überhaupt hätte erzählen können.
00:20:51 Wir haben am wenigsten gewusst in Deutschland, nicht.
00:20:55 Aber im Ausland hat man sehr viel gewusst.
00:20:56 Aber es über, über irgendwelche ist es immer wieder reingekommen auch ins Lager.
00:21:01 Die waren voll informiert, nicht.
00:21:04 Außerdem hatten sie, das habe ich Ihnen aber schon gesagt, ein Bordell für Häftlinge dort, nicht.
00:21:08 Das wussten Sie glaube ich auch.
00:21:11 Und ich habe manchmal gedacht, ob da nur Häftlinge hingehen?
00:21:14 Ich weiß es nicht, kommt mir spanisch vor die Geschichte.
00:21:17 Nun ja, und kurz und gut was gab's dann noch?
00:21:20 IV: Wenn Sie jetzt so an den Steinbruch denken, was haben Sie denn vom Steinbruch mitbekommen?
00:21:24 Also da sind ja morgens auch Häftlinge vom Lager in das Steinbruchgelände gekommen, abends wieder gegangen.
00:21:32 Die haben Sie ja wahrscheinlich auch mal gesehen, wenn Sie vorbeiliefen vorm Büro oder..
00:21:36 AB: Sehr wenig. Ich weiß nicht, in welche Steinbrüche, es gab wohl mehrere nicht?
00:21:41 In welche die gekommen waren.
00:21:43 Zum Beispiel muss ich sagen, aber da ist keiner hingekommen.
00:21:45 Hinter dem Blockhaus, wo meine Mutter gewohnt hat, unmittelbar dahinter die Wand und dann war da ein kleinerer Steinbruch.
00:21:53 Den hat jemand von Floß, Ruckdäschl hat er glaub' ich geheißen äh privat also gemietet oder was weiß ich sonst was.
00:21:59 Solche kleine Steinbrüche gab es da und dort überall, nicht.
00:22:02 IV: Aber die Häftlinge kamen ja nur sozusagen in den Steinbruch unmittelbar bei dem DESt-Gebäude, also in diesem.
00:22:08 AB: Ja.
00:22:08 IV: ...Gelände.
00:22:09 AB: Ja, vorbei.
00:22:09 IV: Da gab's ein kleines Postenhäuschen.
00:22:12 Können Sie sich an das noch erinnern? Der heutige Kiosk.
00:22:14 AB: Meinen Sie bei uns da?
00:22:15 IV: Ja, ja.
00:22:16 AB: Nein das war so, wissen Sie. Im ersten Jahr, wo ich dort war, '43, waren wir voll frei da gelegen.
00:22:22 Also, als wären wir irgendwer, wir gehören nicht dazu und so weiter.
00:22:26 Und '44 dann, als der Krieg näher rückte, ich weiß nicht, was der Grund war.
00:22:31 Wurden wir in die Umzäunung mit einbezogen.
00:22:35 Von da an ging erst der ganze Gram.. äh Zaun da rum, wo wir da mit drinnen waren. Und unten das Tor offen.
00:22:42 Also wir konnten natürlich jederzeit frei da rein.
00:22:44 Aber wer sonst reinkam..
00:22:45 Da mag das Postenhäuschen gestanden haben.
00:22:47 Der musste sich ausweisen, nicht.
00:22:50 Also so war das mit uns.
00:22:52 IV: Wenn Sie sich an Häftlinge erinnern, die vorbeiliefen, wie sahen die aus?
00:22:56 Äh, hat man da hingeschaut, oder..?
00:22:57 AB: Ja, also wenig. Sie wurden immer nur in kleinen Gruppen vorbeigeführt.
00:23:02 Und die sahen natürlich noch ganz gut aus.
00:23:04 Also wenn Sie dann heimkommen.. heimkamen, äh wahrscheinlich weniger.
00:23:08 Aber da waren wir ja schon, hatten wir unseren Dienst beendet und haben da offenbar nicht mehr so darauf geachtet.
00:23:13 Ich kannte übrigens eine Familie, die äh schräg gegenüber von uns den letzten Bauernhof hatte.
00:23:20 Und zwar war die älteste Tochter vom Kommissär Ruckdäschl.
00:23:24 Linda hat sie glaub' ich.. Linda, die hat da oben rauf geheiratet.
00:23:28 Und das war die einzige Verbindung noch nach den anderen Leuten.
00:23:31 Ruckdäschl ist übrigens schwer krank nach Erlangen gekommen und dort operiert worden und auch gestorben, nicht.
00:23:37 Und die Familie ist dann nachgezogen nach Erlangen.
00:23:40 Also kurz und gut, das waren dann ganz andere Wege, nicht.
00:23:43 Und für uns kam dann nur noch eines.
00:23:46 Ähm.. Rückewoldt war weg, und die kam später wieder zurück.
00:23:50 Wir haben also mit ihr keine Verbindung gehabt.
00:23:52 Wir haben alle gesagt, wir bleiben da.
00:23:54 Und so war es aber nicht.
00:23:55 Und dann waren aber Oskar und ich die Allerletzten.
00:23:58 Die Allerletzten wirklich.
00:23:59 Und ich habe gesagt: "Warum soll ich hier weg? Ich hab' doch nichts verbrochen."
00:24:03 Und dann kam der gute alte Herr Hummel, und der war einer von den älteren Angestellten, über die Werkzeughalle dahinten, oder Baracke.
00:24:11 Und der gesagt: "Also ich sag' euch was.."
00:24:13 Also der mochte den Funke auch sehr gern und mich auch.
00:24:16 "Ich sag' euch was. Wenn die jetzt kommen..
00:24:18 Und die ersten Trupps sind schon in St. Ötzen oben.
00:24:21 Das war ein Weiler, der etwas einsam gelegen war, der übrigens oft auch einen einzelnen Häftling für die Arbeit hat bekommen.
00:24:29 Der wurde abgestellt zu ihm.
00:24:30 Und äh sagt der Hummel: "Ich will euch was sagen: Wenn die das Lager aufmachen und es kommt nur einer raus und sieht diese Uniform, dann seid ihr erledigt.
00:24:39 Macht lieber, dass ihr wegkommt."
00:24:41 Und da hab' ich den Oskar dann überzeugt und habe gesagt:
00:24:44 "Komm, geh zu. Pack dein Bündel. Ich pack meines."
00:24:46 Und das Lustige war, oder weniger lustig: Es war.. es hat noch geschneit und wir hatten Winterkleidung.
00:24:53 Ich meinen dicken Mantel und Stiefel bis raus und dick unterher angezogen und ganz wenig konnte man mitnehmen.
00:24:59 Er in seiner Uniform also auch einen Übermantel dann dazu.
00:25:02 Und sind durch Schnee noch durch den Wald gewandert in Richtung tschechische Grenze.
00:25:10 Und da muss ich sagen, die Tschechen an der Grenze waren sehr, sehr gut zu uns.
00:25:15 Die haben uns versorgt mit Brot und äh diesem und jenem.
00:25:19 Und äh uns natürlich bedauert.
00:25:21 War also ein gutes Verhältnis äh die ganze Grenzgeschichte da.
00:25:26 Und da sind wir erst ein Stück zu Fuß gegangen.
00:25:28 Ich weiß nicht, ob ich weiter erzählen darf.
00:25:30 IV: Ja.
00:25:31 AB: Über, über diese Flucht.
00:25:32 Zu Fuß gegangen.
00:25:33 Und dann hat man so gemerkt, wie sich das äh deutsche Heer auflöst so allmählich.
00:25:39 Kamen diese und jene noch.
00:25:41 Und so in der Mitte ungefähr kam ein..
00:25:44 Über uns übrigens dauernd die Flieger äh ziemlich tief gebrummt.
00:25:48 Aber es hat keiner geschossen.
00:25:50 Aber dann kam ein Luftwaffenauto gefahren mit Anhänger.
00:25:53 Und die sind dann bei uns stehen geblieben und haben gefragt:
00:25:56 "Wo wollt denn ihr hin?"
00:25:57 Und dann habe ich gesagt: "Ja, wir wollten eigentlich nach Nürnberg zu meiner Mutter.
00:26:01 Die ist schon vorausgegangen.
00:26:03 Aber es ist kein Durchkommen mehr."
00:26:05 Es war immer die ganze Gefechtslinie da, die uns den Weg abgeschnitten hat.
00:26:10 Und dann haben sie gesagt:
00:26:11 "Ja, wollt ihr mit uns fahren?
00:26:12 Wir wollen nach Oberösterreich noch schnell rein, solange die Brücke noch da ist."
00:26:16 Und wir natürlich mit Begeisterung sind aufgestiegen hinten am Anhänger.
00:26:20 Der war nach hinten raus offen geblieben, so dass man gesehen hat, was da sich tut.
00:26:25 Und da habe ich natürlich auch gesehen, wie die Häftlinge zum Teil äh in den aufgelösten Ostlagern nach Dachau marschieren mussten.
00:26:34 Da hingetrieben wurden.
00:26:37 Es gab ja eigentlich nur zwei bekannte KZ's, nämlich Dachau und Flossenbürg in Bayern.
00:26:42 An ein drittes kann ich mich gar nicht erinnern.
00:26:45 Und äh das haben wir natürlich gesehen.
00:26:47 IV: Also Sie sind auf dem Lastwagen und wie ging's dann weiter?
00:26:51 AB: Ach so, wie ging es weiter?
00:26:53 Ja nach Öber.. Oberösterreich.
00:26:55 Die Brücke, wir waren kaum drin mit dem Lastwagen und Anhänger und sahen, dass da noch mehrere gekommen sind.
00:27:01 Und dann ging die Brücke in die Luft.
00:27:03 Das war keine besondere offenbar.
00:27:05 Und ähm dann waren wir also öst... auf der na, jetzt Moment.. auf der alliierten Seite, auf der amerikanischen Seite in Oberösterreich.
00:27:15 Während die andere Hälfte..
00:27:16 Also Wien wurde ja geteilt, nicht.
00:27:18 Die eine Hälfte die Öst.. die ähm, die Amerikaner, die andere Hälfte die Russen.
00:27:23 Und wir waren heilfroh alle miteinander, dass wir auf der amerikanischen Seite waren.
00:27:27 Denn da ging es viel, viel sanfter zu als auf der, auf der russischen Seite, nicht.
00:27:33 IV: Sie sind ja dann an einem Zug Häftlinge vorbeigefahren..
00:27:36 AB: Ja.
00:27:37 IV: Haben Sie gerade erzählt.
00:27:38 AB: Ja.
00:27:38 IV: Wie sahen die denn aus?
00:27:39 AB: Ja, es war.. oh Gott, wie sahen die aus?
00:27:42 Die einen erschossen, die anderen entkräftet vor allen Dingen.
00:27:45 Zusammengebrochen. Es gab ja zu der Zeit überall noch Straßengräben, nicht, da an der Seite der Straße.
00:27:51 Und lagen einfach drin, mit dem Gesicht im Dreck und so.
00:27:54 Da hat sich kein Mensch um die gekümmert.
00:27:56 Aber wirklich kein Mensch.
00:27:57 Denn wir waren da auch schon ein Stück weg von der Grenze wieder.
00:28:00 Und äh da konnte wahrscheinlich.. wäre auch von der Grenze keiner rübergegangen, ich muss es annehmen.
00:28:07 Aber man sah nur alle die Flüchtenden, es gab ja auch noch andere Flüchtlinge, nicht nur uns.
00:28:12 Und die konnte ja nicht alle auf den Luftwagen da äh Luftschutzwagen, na, Luftwaffenwagen aufsteigen.
00:28:19 Nur wir waren am Anhänger halt angekommen und waren da sehr froh.
00:28:23 Denn in Oberösterreich war es zunächst mal wunderschön, nicht.
00:28:26 Und da angekommen war ja so ein Rasenstück.. also groß, und um das ging ein Flüsschen herum wie ein Graben.
00:28:36 Und da haben wir gesehen äh links von uns, also wir standen dann da mit dem Auto und auf dem Anhänger.
00:28:43 Und auf der linken Seite waren, das müssen die Mauthausener gewesen sein.
00:28:47 Und auf der rechten Seite die aus Groß-Rosen.
00:28:50 Und die hatten alle selber ein Auto dabei.
00:28:52 Auch mit Anhängern und mit Vorräten beladen noch und noch.
00:28:57 Und da konnten wir von denen, da haben wir mal gesehen die Gemeinschaft, von denen gar nichts bekommen.
00:29:03 Überhaupt nichts.
00:29:04 Ich wurde dann erst die große Person, als die Männer abgeholt waren.
00:29:08 Das muss ich zwischendurch erzählen.
00:29:09 Und äh die wurden nach Ebensee am Traunsee von den Amerikanern geschafft.
00:29:14 Und äh da durfte ich da hinfahren als einzige, die den Mut hatte, durch die Gegend zu fahren, zu radeln.
00:29:20 Denn es war mittlerweile sehr schön heiß und sonnig warm geworden.
00:29:24 Und da hab' ich von denen ein Fahrrad geliehen bekommen und eine weiße Shorts, also Sommerkleidung.
00:29:30 Nur damit ich da auch irgendwie Briefe und Proviant und irgendetwas für ihre Männer mit nach Ebensee nehmen konnte.
00:29:38 Ich war die einzige, die diese Strecke ein paar Mal hin und her gefahren ist.
00:29:41 Und dann haben sie mir gesagt:
00:29:43 "Mein Gott, Sie werden Häftlingen begegnen aus Mauthausen."
00:29:46 Nicht einen einzigen.
00:29:47 Es war nicht ein Häftling in der ganzen Umgebung anzutreffen.
00:29:51 Hat mir fast leid getan.
00:29:53 Ich hätt' einen gern interviewt, nicht.
00:29:55 Aber ich war halt..
00:29:56 IV: Mal zurück .. dieser Sache.. etwas mitbekommen.
00:29:59 AB: Haben wir nichts, haben wir nichts mitbekommen.
00:30:01 Überhaupt nicht. Wir müssen da vorher weg gewesen sein, denn das Lager war ja noch geschlossen, wie wir abgewandert sind.
00:30:08 Es war nur der Hinweis vom Hummel:
00:30:10 "Da oben ist schon ein erster Trupp in St. Ötzen, und so viel ich seh', sind es Neger."
00:30:14 Und das hat uns natürlich gleich auf die Beine gebracht.
00:30:17 Und dann waren wir weg.
00:30:19 Und was nachher war, haben wir überhaupt nicht gewusst, nicht mitgekriegt.
00:30:22 Ich hab' nur eines gewusst:
00:30:24 Meine spätere Schwägerin muss ich jetzt sagen, also meine Kollegin, Fräulein Rückewoldt, die war ja zurückgekommen.
00:30:31 Und die war dazu verurteilt worden, die was weiß ich was, Hallen oder..
00:30:37 Sie hat später nicht darüber gesprochen..
00:30:40 Sie musste putzen mit einem Wort.
00:30:42 Sie musste putzen, ja.
00:30:43 Und wenn wir da geblieben wären, hätte ich sicher auch putzen müssen.
00:30:46 Das war einfach, die kamen und wir waren die Nix, nicht.
00:30:50 Und dann war es so, dass sehr bald unter den Offizieren, die da gekommen sind, auch ein jüdischer Offizier war.
00:30:57 Und der hat sich dann sehr um Hertha angenommen und hat sie aus der Putzerei rausgenommen.
00:31:02 Was dann geworden ist, ob sie irgendwie schriftlich was gemacht hat, sie hat nie was verlauten lassen, also da haben wir nichts gehört davon.
00:31:09 Sie ist nur auch weg dann und zwar..
00:31:12 Ja da müsste ich jetzt lügen. Da weiß ich nicht genau, wie.
00:31:14 Denn zum Schluss ist sie bei uns auch aufgetaucht gewesen in Buckenhof bei Erlangen.
00:31:19 Da war dann die Familie Hammer wieder beisammen.
00:31:22 IV: Sie beschreiben in ihren Lebenserinnerungen am Schluss '45 Flossenbürg, dass man da Rauch gesehen hat vom Krematorium oder so.
00:31:29 AB: Was ist denn da?
00:31:31 CM: Das ist das (???) vom Mikrofon.
00:31:32 AB: Ach so? Ja, was meinen Sie?
00:31:34 IV: Moment, Moment.
00:31:35 CM: Das ist ein bisschen verrutscht. Das macht er grad wieder gerade.
00:31:38 AB: Ja des..
00:31:40 IV: Stop, noch nicht.
00:31:43 CM: Ja.
00:31:47 IV: Ja. Sie beschreiben in Ihren Lebenserinnerungen '45 Flossenbürg, weiß ich auch von anderen Ortsbewohnern, dass man da dann irgendwie auf einmal Rauch auch gesehen hat.
00:31:59 Dass man es gerochen hat.
00:32:00 AB: Ja, gerochen.
00:32:00 IV:.. sozusagen irgendwas gespürt hat. Können Sie das noch einmal beschreiben?
00:32:05 AB: Aber das war dieser Häftlingszug, wo mehrere kamen, die immer unten am Ladebahnhof ausgeladen so oder so.
00:32:13 Und die sind mühselig, Sie müssen wissen es ist ein langer, langer Weg von unten bis rauf, nicht.
00:32:18 Und die sind ja in Gruppen von was weiß ich 10, 12 war immer ein SS-Mann daneben mit dem Hund.
00:32:25 Und die waren im Großen und Ganzen ja sehr, sehr gnädig.
00:32:28 Wenn von der Zivilbevölkerung mal schnell einer rausgelaufen ist und ein Stück Brot dahin gelangt hat.
00:32:33 Aber die waren ja schon runtergekommen wie noch einmal was aus den anderen Lagern, nicht.
00:32:38 Und sind also mühseligst da hinaufgestapft in das Flossenbürger ähm Vernichtungslager, will ich jetzt einmal ehrlich sagen.
00:32:45 Und sind dort auch getötet worden und verbrannt.
00:32:49 Und von da an roch es regelrecht nach brenn.., ja nach verbranntem Fleisch fast, kann man sagen.
00:32:55 Da haben die Flossenbürger gesagt:
00:32:57 "Ja, da oben ist jetzt das Verbrennen im Gange."
00:33:00 Das hat man gemerkt. Also ob sie Rauch gesehen haben, das weiß ich nicht.
00:33:02 Aber gerochen hat man's.
00:33:04 Gerochen. Die sind alle da rauf zur Vernichtung geschickt worden.
00:33:07 Und weil die SS-Leute das gewusst haben, warum, drum waren sie auch so gütig und so gnädig und haben das zugelassen, dass mal ein Zivilist da schnell hingelaufen ist, nicht.
00:33:17 Aber wer es mitbekommen hat nach der anderen Seite war das bayerische Königshaus, die mussten da auch einiges gesehen haben.
00:33:25 Es sei denn, man hatte ihnen die Fenster zugehängt.
00:33:27 Das kann möglich sein.
00:33:29 Wissen Sie, nach der Straßenseite zu.
00:33:31 CM: Moment, wir wechseln die..